Noch kein Plan B für Projekt X

Müssen Triers Skater ihre Halle in der Aachener Straße bald räumen? Momentan läuft die öffentliche Auslegung des geplanten Bebauungsplans BW 74. Der umfasst auch das Gelände des früheren Edeka-Markts in Trier-West, auf dem die regionale Skaterszene mit dem „Projekt X“ eine Erfolgsgeschichte schreibt. Die Stadt hatte den Skatern die Halle jedoch nur unter der Prämisse überlassen, dass es sich um ein Provisorium handelt, das absehbar einer Wohnbebauung weichen soll. Allerdings sagte die Verwaltung auch zu, nach einem Ersatzstandort zu suchen. Der wurde bislang nicht gefunden, und so gibt es für das „Projekt X“ noch keinen Plan B. Am Donnerstagabend demonstrierten rund 100 Skater im Rathaus. „In Jugend investieren statt gentrifizieren“, fordern sie, ohne echte Alternative dürfe die Halle nicht abgerissen werden.

TRIER-WEST/PALLIEN. Rainer Jüngling kennt sich aus. Der Skater hat fast jede Anlage zwischen New York und Miami getestet, und auch in Deutschland ist der 26-Jährige schon viel rumgekommen. Die Trierer Skatehalle sei bundesweit eine der Besten, sagt er im Gespräch mit 16vor, die Anlage bewege sich in punkto Attraktivität wohl unter den TOP 5. Tatsächlich lockt das „Projekt X“ Jugendliche und junge Erwachsene aus allen Teilen der Großregion nach Trier. 

Manche kommen auch von weiter her, etwa aus Heidelberg. Auch aus Luxemburg und Frankreich reisen Skater an. Am bisherigen Spitzentag habe man in der Aachener Straße etwa 200 Besucher gezählt, berichtet Jüngling. In der Regel kämen mehrere Dutzend Jugendliche, die oft den ganzen Nachmittag in Trier-West verbrächten, ergänzt er. Wer sich einen Eindruck davon machen möchte, welche Möglichkeiten die Halle der Szene bietet, braucht nur eines der zahlreichen Videos auf Youtube anzuschauen.

Dass sich die Einrichtung zu einem Erfolgsprojekt gemausert hat, bezweifelte am Donnerstagabend auch keines der Mitglieder des Dezernatsausschusses II, im Gegenteil: Eine „klasse Arbeit“ werde in Trier-West gemacht, „vorbildlich“ sei das, was in den letzten Jahren dort aufgebaut wurde, hieß es von Vertretern fast aller Fraktionen. Und auch Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Die Grünen) war voll des Lobes. Was dann folgte, war indes eine Gratwanderung zwischen Hoffnungen wecken und Illusionen vermeiden. Birk musste eine längere Anfrage der SPD beantworten, die Sozialdemokraten hatten das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und von ihr und Stadtvorstandskollegin Simone Kaes-Torchiani (CDU) erfahren wollen, wie weit die Bemühungen um einen Ersatzstandort gediehen sind.

Seit Herbst 2010 nicht mehr aktiv gesucht

Dass man noch keine Alternative gefunden hat, wusste gleichwohl jeder im Saal, doch hatten die SPD auch ernsthafte Zweifel, dass sich die Verwaltung bei der Standortsuche ausreichend engagiert hat. Birk versuchte dem etwas entgegen zu setzen. So zählte sie eine ganze Reihe städtischer Ämter auf, die sich bei der Suche beteiligt haben. Auch nannte die Bürgermeisterin gleich mehrere Standorte, die geprüft und dann aus unterschiedlichen Gründen als Option verworfen wurden. In der Riverisstraße wurde ein Objekt angeboten, doch weil hier faktisch keine verkehrliche Anbindung existiert, stand die Halle schnell nicht mehr zur Debatte; eine nicht mehr genutzte Turnhalle in der Luxemburger Straße ist langfristig vermietet, auf einem Firmengelände hätte man zu viel Geld investieren müssen, so Birk. Auch die Jägerkaserne wurde ins Auge gefasst, doch dort sieht die städtebauliche Planung auf mittlere Sicht eine Wohnbebauung vor.

Das gilt auch für das Areal in der Aachener Straße. Die Stadt will das ehemalige Edeka-Gelände an einen Investor veräußern, eine Neubebauung soll zu einer städtebaulichen Aufwertung des Stadtteils beitragen und auch einen Akzent in Sachen „Stadt am Fluss“ setzen. „Gentrifizierung“ wittert da die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), die den Protest der Skater gestern unterstützte. Die „sogenannte ‚Aufwertung‘ geht zu Lasten derer, die sich das Leben in den so aufgehübschten Vierteln nicht mehr leisten können“, heißt es auf einem Flyer der SDAJ.

Birk machte am Donnerstag deutlich, dass die Stadt die Initiatoren der Skatehalle nie über ihre Pläne im Unklaren gelassen habe – dass der Abriss der Halle nur eine Frage der Zeit sei. Wenn ein Investor das Grundstück erworben habe, habe die Stadt keine Handhabe mehr. Die Bürgermeisterin erklärte jedoch auch, dass sie und OB Klaus Jensen (SPD) davon ausgingen, dass noch einige Monate ins Land gehen werden, bis die Bagger kommen. Diese Zeit wolle man nutzen, um die Suche nach einer Alternative zu intensivieren, versprach sie. Zugleich erklärte Birk, dass der Stadtvorstand zwar rechtlich nicht dazu verpflichtet sei, sich politisch aber in der Verantwortung sehe, alternative Standorte zu suchen.

Ob das für den gesamten Stadtvorstand gilt? Markus Nöhl äußerte da Zweifel und wollte wissen, ob die Haltung Birks und Jensens denn auch von Baudezernentin Kaes-Torchiani geteilt werde. Zudem beklagte der Sozialdemokrat, dass die Suche nach einem Ersatzstandort seit dem Herbst 2010 faktisch eingestellt war. Woher denn die Skater nun den Glauben nehmen sollten, dass sich die Verwaltung fortan mehr engagiere, wollte er von der Bürgermeisterin wissen. Die hatte in der Tat eingeräumt, dass sich die bisherigen Anstrengungen fast ausschließlich auf das Jahr 2010 bezogen hätten. Der OB habe das Thema aber ständig auf dem Schirm gehabt und werfe es in Gesprächen mit Unternehmern immer wieder auf. Und was ist nun mit der Baudezernentin: Hier wich Birk aus und vermied es, die Frage zu beantworten.

Norbert Freischmidt (CDU) wollte derweil wissen, ob Nöhl die Verantwortung ins Baudezernat abschieben wolle, und wie die SPD denn zu dem geplanten Bebauungsplan stünde? Ob Nöhls Genossen diesen etwa ablehnen wollten, wo doch die Skater dies forderten. Die SPD betreibe ein „zweischneidiges Spiel“, warf Freischmidt den Sozialdemokraten vor. Woraufhin Hans-Willi Triesch (SPD) forderte: „Wir sollten doch alle an einem Strick ziehen“, vorrangiges Ziel müsse es sein, einen Ersatz für die Halle zu finden. „Wir sind alle der Meinung, dass die Skater einen Ort brauchen“, erklärte auch Corinna Rüffer, „es geht hier nicht nur um einen Sport, sondern um soziales Miteinander“. Ähnlich äußerte sich Hans-Alwin Schmitz (FWG), dessen Sohn Mitglied der Szene ist: „Ich bin auf eurer Seite“, rief er in den Saal. Dirk Louy (CDU) rief die Skater dazu auf, sich weiter für ihr Anliegen einzusetzen: „Einen gewissen Druck braucht die Politik manchmal“.

Daran dürfte es nicht fehlen in den kommenden Wochen, auch wenn Alexander Kreber die Sitzung ernüchtert verließ: „Viel heiße Luft“, kommentierte der Skater das Ergebnis der Beratungen. Kreber weiß: Den Bebauungsplan werden er und seine Mitstreiter nach Lage der Dinge nicht mehr verhindern können, auch wenn die jetzige Halle optimale Bedingungen biete und er es am liebsten sähe, wenn das „Projekt X“ am selben Ort fortgeführt werden könnte.  Aber ein Ersatz müsse auf jeden Fall her, sonst falle für etliche Trierer Jugendliche ein unverzichtbares Angebot weg.

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