Neuauflage der Trierer „Hindenburg“-Debatte?

Geschichte wiederholt sich nicht. In Trier vielleicht doch. Zum zweiten Mal binnen fünf Jahren steht der Stadt eine Umbenennungs-Debatte ins Haus. Die Grünen haben für die nächste Sitzung des Stadtrats den Antrag gestellt, die Hindenburgstraße umzubenennen. Im März 2008 erst hatte der Rat auf Antrag der CDU beschlossen, dem HGT einen neuen Namen zu geben. Nun also auch die Straße? Manche wie Ex-SPD-Ratsmitglied Peter Spang forderten das schon damals, und andernorts erregt der angebliche „Held von Tannenberg“ als Namensgeber schon seit Monaten wieder die Gemüter. An den Argumenten für und gegen eine Umbenennung der Straße dürfte sich in den vergangenen Jahren wenig geändert haben, denn schon seinerzeit waren sich namhafte Historiker in der Einschätzung der unrühmlichen Rolle Paul von Hindenburgs weitgehend einig. Was sich seither geändert hat, ist die Zusammensetzung des Stadtrats.

TRIER. Mehr als zwei Stunden dauerte die leidenschaftliche Debatte im Großen Rathaussaal, der eine nicht minder kontroverse Diskussion in den Medien vorausgegangen war. Dann stand der mit großer Mehrheit gefasste Beschluss: „Der Rat der Stadt Trier strebt die Umbenennung des ‚Hindenburg-Gymnasium Trier‘ an, vorausgesetzt, die zuständigen schulischen Gremien haben hiergegen keine durchgreifenden Einwände.“ Nun waren die Schulgremien seinerzeit zwar nicht übermäßig begeistert ob der Auseinandersetzung, welche die Kommunalpolitik dem HGT aufgezwungen hatte, doch fand man schließlich mit den Gebrüdern Humboldt gleich zwei völlig unverdächtige und honorige Namensgeber, die auch den Vorzug hatten, dass es bei dem einprägsamen und allseits bekannten Kürzel bleiben konnte. Auf 36 Ja- und drei Nein-Stimmen bei sieben Enthaltungen war der CDU-Antrag gekommen. Fraglich scheint, ob nun auch der Antrag der Grünen eine derart klare Mehrheit bekommen wird.

Denn was die Grünen nun am 5. Februar beschließen lassen wollen, hatten im März 2008 auch schon die Sozialdemokraten zur Abstimmung gestellt: „Umbenennung der Hindenburgstraße nach begründeten Vorschlägen von Trierer Bürgerinnen und Bürgern.“ Für die SPD-Fraktion begründete seinerzeit Peter Spang diese weitergehende Forderung: Es sei „eine logische Folgerung“, denn wenn eine Umbenennung eines städtischen Gymnasiums „in der geführten Diskussion angegangen worden sei, dann müsse auch die Hindenburg-Straße in Trier entsprechend umbenannt werden“, gibt das Protokoll der Sitzung Spang wieder. Doch der SPD-Antrag bekam lediglich 16-Ja-Stimmen, selbst in der damaligen Grünen-Ratsfraktion fand sich keine Mehrheit für eine Umbenennung der Hindenburgstraße.

Grüne fordern, wofür die SPD 2008 keine Mehrheit fand

Während Spang nach der Kommunalwahl zur FWG wechselte, kehrte Reiner Marz 2009 nach vielen Jahren wieder in den Stadtrat zurück. Marz wird den Antrag seiner Fraktion vor dem Stadtrat begründen, und dass die Grünen das Thema gerade jetzt wieder auf die Tagesordnung setzen wollen, kommt nicht von ungefähr:  Am 30. Januar jährt sich zum 80. Mal der Tag, an dem Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Nur wenige Wochen nachdem er Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, unterzeichnete Hindenburg die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, mit der die Grundrechte der Weimarer Republik teilweise außer Kraft gesetzt und der Rechtsstaat „faktisch aufgelöst“ worden sei, erinnert Marz.

Paul von Hindenburg könne nicht weiter „Namensgeber einer wichtigen innerstädtischen Straße sein“ ist der Grüne überzeugt, und weiter: „Er steht für den undemokratischen, ja demokratiefeindlichen Teil der deutschen Geschichte. Aber Hindenburg hat durch eigenes Tun seinen Namen nicht nur mit der Abschaffung von Demokratie und Menschenrechten in der Weimarer Republik verknüpft; als Chef der obersten Heeresleitung von 1916 bis 1918 hatte er im Ersten Weltkrieg den Tod von Hunderttausenden mit zu verantworten“. Nach diesem Krieg habe Hindenburg als Mitinitiator der sogenannten Dolchstoß-Legende „propagandistisch das Scheitern der ersten Demokratie in Deutschland vorangetrieben und schließlich 1933 selbst vollzogen“.  Deshalb sei es nun an der Zeit, festzustellen: „Die Namensgebung der Hindenburgstraße ist für Trier als weltoffene und demokratische Stadt unangemessen“. Eine Umbenennung der Hindenburgstraße sei deshalb anzustreben und könne einen „Beitrag zur aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte unserer Stadt sein“.

Für Auseinandersetzungen dürfte der Grünen-Antrag sorgen, wenn auch weniger mit der Geschichte Triers als zwischen den Fraktionen des Rates. Auch andernorts führten vergleichbare Ansinnen zu heftigen Debatten, zuletzt im westfälischen Münster. Dort hatte man eigens eine Historikerkommission engagiert, um das Straßenregister nach potenziellen Kandidaten für eine Umbenennung zu durchforsten. Zehn Straßen sollten umbenannt werden, nicht in allen Fällen folgten die zuständigen Gremien der Empfehlung der Historiker. Wohl aber im Fall des gigantischen Platzes vor der Universität, der seit 1927 den Namen Hindenburgs trug.

Die Auseinandersetzung um den „Hindenburgplatz“ von Münster

Am 21. März letzten Jahres beschloss der Stadtrat von Münster die Umbenennung in „Schlossplatz“. Doch kaum war der Beschluss gefasst und hatte der Platz einen neuen Namen, da eskalierte der Streit in der Stadt des westfälischen Friedens vollends. Eine Bürgerinitiative „Pro Hindenburgplatz“, deren Initiator ein CDU-Mitglied war, strengte ein Bürgerbegehren an, welches den CDU-Oberbürgermeister Markus Lewe zeitweilig arg in Bedrängnis bringen sollte. Am Ende fiel das Votum jedoch einigermaßen deutlich aus, 60 Prozent der rund 95.ooo Münsteraner, die sich an dem Bürgerbehren beteiligt hatten, wollten den Namen „Schlossplatz“ beibehalten. Allerdings hatten fast 60 Prozent der Wahlberechtigten erst gar nicht an der Abstimmung  teilgenommen.

In seiner Rede vor der Stadtratsabstimmung hatte Lewe unter anderem erklärt: „Hindenburg wollte hinter die Demokratie von Weimar zurück und die freiheitliche Ordnung bewusst in eine autoritär-obrigkeitliche umwandeln. Das hat er geschafft, und das Verhängnis nahm seinen Lauf bis zum völligen Kultur- und Zivilisationsbruch. Deshalb verdient Hindenburg in unserer Stadt nicht mehr die Ehre eines Straßennamens.“ Weiter sagte Münsters Oberbürgermeister: „Ich schlage Ihnen die Umbenennung auch im Einklang mit meiner konservativen Überzeugung vor, die mich neben anderen politischen Grundlinien persönlich geprägt hat. Wir müssen vieles begreifen und manches bewahren, was von weit her kommt, aber wir müssen nichts mitschleppen, was haltlos geworden ist.“

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