„Momentan wird Betongold geschürft“

StudentenwohnheimKleinWer zum Studium nach Trier zieht, muss sich in der Regel zeitgleich mit vielen seiner künftigen Kommilitonen um eine Bleibe kümmern. Dabei ist der örtliche Wohnungsmarkt ohnehin schon angespannt, fehlt es an allen Ecken und Enden der Stadt an bezahlbaren Domizilen. Und das, obwohl in Trier seit einigen Jahren ein regelrechter Bauboom zu verzeichnen ist und vor allem Studibuden en masse entstehen. Innerhalb von nur fünf Jahren sollen über 1.000 neue studentische Apartments entstehen, ein Großteil wurde bereits errichtet, die meisten in privater Regie realisiert. Investoren versprechen hohe Renditen, derweil die Miethöhe die Budgets der meisten Hochschüler übersteigt.

TRIER. Es wird viel gebaut in der alten Römerstadt. Weithin sichtbare Baustellen von Tarforst bis zum Petrisberg prägen das Bild der Höhenstadtteile. Viele der Projekte drehen sich um studentische Mieter. Denn Studi-Apartments werden mittlerweile als attraktive Geldanlage betrachtet. Mit mehr als 20.000 Studenten an Universität und Hochschule mangelt es nicht an potenziellen Nachfragern, weshalb viele Investoren noch reichlich Potenzial für den Markt sehen. Allein für den Zeitraum 2010 bis 2015 planen Projektentwickler mit mindestens 1021 neuen studentischen Wohnungen, vieler dieser Objekte wurden bereits realisiert. Die Schlüsselrolle bei diesem Boom spielt der kommerzielle Sektor mit mindestens 935 neuen Wohnungen.

Für den Trierer Immobilienverwalter Jürgen Laux zählen die Angebote zu sogenannten Spezialimmobilien. Weil Vermieter bei studentischen Wohnungen erfahrungsgemäß eine hohe Mieterfluktuation verzeichnen und es sich dabei meist nur um Ein-Zimmer-Apartments handelt, sprechen sie andere Mietergruppen für gewöhnlich nicht an. „Mich erstaunt es, dass es gerade in der letzten Zeit dermaßen boomt. Denn man geht davon aus, dass es irgendwann zu einem Knick kommen und die Studierendenzahl sinken wird“, so Laux im Gespräch mit 16vor. Trotzdem erhoffen sich viele Projektentwickler ein gutes Geschäft, in ihren Exposés werben sie explizit mit der Wohnungsnot der Trierer Studis. Dabei sehen sowohl Laux als auch Andreas Wagner, Chef des Studierendenwerks Trier, gar keine richtige Not, sondern sprechen vielmehr von einer „Flaschenhalsproblematik“, die innerhalb der ersten zehn Wochen eines Wintersemesters auftrete und sich dann wieder beruhige. „Im jeweils folgenden Januar haben auch die späten Bewerber eine Wohnung gefunden“, so Wagner. Das Problem sei denn auch vielmehr die viel zu späte Studienplatzvergabe durch die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH), weshalb dann zu viele Erstsemester gleichzeitig auf Wohnungssuche seien.

Laux konstatiert, dass es bei Investitionen in studentische Wohnungen eine höhere Renditeerwartung als beim klassischen Wohnungsbau gebe. So könne beispielsweise Investor Rudolf Muhr bei den von Laux verwalteten „Flag“-Wohnheimen „bei allerhöchstem energetischen Standard mit enorm günstigen Betriebskosten kalkulieren. Mit einem Einstiegsangebot von 350 Euro warm kann man alles, auch Strom und Internet, abdecken“, so Laux. Die für den Gewinn des Investors relevante Kaltmiete liegt bei diesen etwas über 20 Quadratmeter messenden Startangeboten bereits bei 300 Euro. Im neuen „Flag“ geht aber auch mehr, bis zu 695 Euro monatlich muss man für ein 38 Quadratmeter-Apartment bezahlen. „The Flag“ steht damit nicht allein auf weiter Flur, im Gegenteil: die weiteren zur Zeit im Bau befindlichen Wohnheime werden zu ähnlichen oder sogar höheren Mietpreisen an den Markt gehen.

Eine Anfrage bei „Select Development“, Bauherr des ebenfalls zum Wintersemester an den Start gehenden Tarforster „Augustinus Campus“, bestätigt den Trend: Eine im Vergleich zu normalen Wohnungen höhere Kaltmiete sei gerechtfertigt, da die Anlage nach neuesten Energiestandards gebaut werde und sehr geringe Nebenkosten aufweise. Die Crux für die Nachfrager: Energieeffizientes Bauen bedeutet im Schnitt keine Kostenreduktion für die Mieter. Das, was in älteren Bauten an Nebenkosten verheizt wird, zahlt man bei solchen Neubauten einfach als höhere Kaltmiete. Dass diese Mieten zudem weit über dem üblichen Budget vieler Studis liegen, belegt die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks: Demnach bezahlten Normalstudierende im Jahr 2012 für Miete und Nebenkosten durchschnittlich 298 Euro.

Studiwerk sieht sich als Preisbremser am Markt

Wer also investiert in solche Anlagen, wie kommt es zum Boom in Trier? Laux sieht die Investitionen eines einzelnen Investors in die „Flag“-Wohnheime eher als Ausnahme. Stattdessen seien es häufig Fondsgesellschaften und Privatleute, die ihr Geld investierten. Recherchen belegen, dass dies auf ziemlich alle privaten Wohnheime in Trier zutrifft – zumindest jene, die gerade gebaut werden. Die Bauherren dieser Anlagen versprechen den Käufern durch Energieeffizienz und hohe Kaltmieten eine hohe Rendite. Speziell in Trier ist das alles andere als wenig. So heißt es beispielsweise in einer Broschüre des „Augustinus Campus“, dass Anleger ein jährlicher Gewinn von 8 Prozent erwarte. Das ebenfalls an studentische Mieter gerichtete „Studio 7“ in Trier-West lockt sogar mit satten 9,6 Prozent Rendite. Zum Vergleich: Laut eines Artikels der Wirtschaftswoche vom September letzten Jahres liegen lukrative Renditen bei studentischen Immobilien zwischen 5 und 6 Prozent, was bereits doppelt so viel sei, als man beim normalen Wohnungsbau erwarten könne. Dennoch scheint sich in Trier noch mehr herausholen zu lassen.

Was diese „9 Prozent“ konkret bedeuten, veranschaulicht eine Beispielrechnung des „Studio 7“: Demnach zahlt man für ein Apartment 24.000 Euro aus eigener Tasche und finanziert die fehlenden 50.000 Euro über einen KfW-Kredit. Der jährliche Ertrag beträgt laut Anbieter netto 2250 Euro – also nach dem Abzug aller Zins- und Verwaltungskosten. Auf diese Art und Weise präsentieren die im Internet frei zugänglichen Broschüren und Exposés den Trierer Wohnungsmarkt als äußerst profitable Geldanlage. Laux, selbst schon 29 Jahre im Geschäft, warnt jedoch vor zu viel Optimismus: „Im Moment haben wir extrem niedrige Zinsen, die begünstigen das. Der Fokus liegt auf dem Kleinsparer, der Angst um sein Sparbuch hat. Darin lässt sich gerade beim studentischen Wohnen ein bundesweiter Trend erkennen, aber es gibt oft keinen realistischen Gegenwert in der Substanz“, so Laux.

Diese Einschätzung teilt auch Andreas Wagner: „Ich wundere mich über einiges. Studentisches Bauen erlebt gerade einen Hype in Trier. Momentan wird Betongold geschürft, und wie bei jedem Goldrausch sollte man vorsichtig sein. Acht Prozent Rendite gehen nicht ohne Risiko, das ist Gier.“ So könnte das Angebot irgendwann die tatsächliche Nachfrage übersteigen, der Boom im Hochpreissegment ist nichts für die meisten Durchschnitts-Studis. Wagner glaubt zudem, dass ein großer Teil der Studenten gar nicht in solchen Wohnanlagen leben möchte. Er bezieht sich dabei auch auf Zahlen des Deutschen Studentenwerks, nach denen hierzulande im Schnitt nur 12 Prozent der Hochschüler überhaupt Interesse an einem Leben im Wohnheim haben. Viele würden beispielsweise mit ihren Partnern zusammenziehen oder in privaten Wohngemeinschaften leben, weswegen sein Werk auch eine Wohnungsvermittlung betreibt. Dennoch sollen die bestehenden Wohnheime des Studierendenwerks ob der privaten Konkurrenz saniert werden, und auch der Bau eines neuen Wohnheims wird gerade angegangen.

Voraussichtlich zum Frühjahr 2015 soll die neue Anlage „Enercase“ mit insgesamt 86 Wohnungen bezugsfertig sein (16vor berichtete). Auch wenn man wegen der niedrigeren Mieten und der etwas kleineren Zimmer nicht in der Liga der immer zahlreicher werdenden privaten Anbieter mitspielt, soll das Projekt höchste Energieeffizienz und modernste Standards einhalten, um „bilanziell eine Null herauszubekommen.“ Allerdings erlitt das ambitionierte Projekt zwischenzeitlich einen Rückschlag. So trennte sich das Studiwerk von jenem Architekten, dessen Entwurf bei einem europaweiten Wettbewerb den Zuschlag erhalten hatte. Wagner begründet die außerordentliche Kündigung mit fehlender Kostentreue: Es habe sich herausgestellt, dass die ursprüngliche Kalkulation nicht zu halten gewesen sei. Deshalb habe man die Reißleine gezogen und werde nun eine Anlage in Holzbaumodulweise bauen lassen. Bilanziell energetisch gehen die Häuser „fast Richtung Passivhaus“, erläutert der Studiwerk-Geschäftsführer und betont, dass man an dem eigentlichen Konzept von „Enercase“ festhalte. Obwohl es nun einer neuen Baugenehmigung bedürfe, sei er optimistisch, dass sich der ursprüngliche Zeitplan einhalten lasse.

Die Ausrichtung des Studierendenwerks habe aber ohnehin einen ganz anderen Schwerpunkt, so Wagner, denn als Anstalt des öffentlichen Rechts dürfe man mit den eigenen Wohnheimen keine Gewinne erwirtschaften. „Wir sind den Studis gegenüber in der Pflicht und nicht den Investoren, ich habe also nicht in 10 Jahren einen ‚Quick-Win‘ zu produzieren. Stattdessen muss ich den Studierenden auf Dauer gute Angebote machen.“ Trotzdem ist Wagners „Enercase“-Projekt überaus ehrgeizig, da es neben einer qualitativen Ausstattung das „preiswerteste, ambitionierteste und am schicksten Platz“ liegende Wohnheim genau zwischen Campus I und II werden solle: „Wir bauen schließlich nur für den studentischen Bedarf und wissen auch ungefähr, wie er aussieht. Auch wenn man es natürlich nicht jedem recht machen kann.“ Viele der neuen kommerziellen Wohnheime reihen sich dagegen ein in den Trierer Trend überdurchschnittlich stark steigender Mieten – trotz extrem niedriger Nebenkosten.

Andreas Wagner hofft jedenfalls, dass „Enercase“ wie geplant an den Start gehen kann. Für Investitionen von rund 6,2 Millionen Euro soll das Wohnheim durch seine energiesparende Auslegung konsequent eine „Mietflat“ inklusive Internetanschluss unterhalb von 300 Euro sicherstellen. Dadurch würden die Mieter dann auch von den geringen Nebenkosten profitieren. Wagner: „Wir wollen ganz klar der Preisbremser am Markt sein.“

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