Mit „Windelstipendium“ und viel Disziplin

Als sie erfuhr, dass sie schwanger ist, habe sie erst einmal geweint, berichtet Joelle Ngani. „Ich war mitten im Studium und mir war klar, dass sich mein Leben komplett ändern würde. Mein Freund meinte, wir schaffen das. Das hat mir Mut gegeben.“ Die junge Mutter zählt laut Angaben des Deutschen Studentenwerks zu den rund sechs Prozent Studierenden, die eines oder mehrere Kinder haben. Während das DSW fehlende Betreuungsangebote an Hochschulen sowie die oft prekäre finanzielle Situation junger Eltern bemängelt, zählt die Universität Trier in Bezug auf familienfreundliche Angebote bundesweit zu den Vorreitern. 2002 durchlief sie, als erste Uni Deutschlands, den Auditierungsprozess zur besseren Vereinbarung von Beruf sowie Studium und Familie und trägt seither das Zertifikat „familiengerechte Hochschule“ der Hertie-Stiftung. Auch vielfältige Angebote des Studierendenwerks helfen, Kind und Studium unter einen Hut zu bringen.

TRIER. Ein ganz normaler Tag beginnt für Joelle meist bereits gegen 2:30 Uhr nachts. Während ihr Sohn Dannick fest schläft, quält sich die junge Mutter schon aus dem Bett, um sich für ein paar Stunden konzentriert ihren Unterlagen widmen zu können. Mit Mitte zwanzig wurde die junge Frau aus Kamerun, die an der Universität Trier Informatik studiert, schwanger. Um möglichst uneingeschränkt weiter ihrem Studium folgen zu können, sah sie zunächst keine andere Wahl, als ihren Sohn die ersten Jahre seines Lebens bei seiner Oma in Afrika aufwachsen zu lassen. Seit vergangenem September lebt der Dreijährige nun bei ihr in Trier.

„Da Dannick erst seit ein paar Monaten bei mir lebt, bin ich jetzt quasi zum zweiten Mal Mutter geworden. Sein Papa wohnt in Amerika, deshalb bin ich hier alleinerziehend. Das ist schon sehr schwer. Man muss ein Organisationstalent sein“, erzählt sie im Gespräch mit 16vor. Ihre Bücher klappt sie oft erst im Morgengrauen zu, knipst die Schreibtischlampe aus und schläft selbst noch ein paar Stunden, bevor Dannick um 7:45 Uhr aufwacht, Joelle ihm Frühstück macht und ihn anschließend zum Kindergarten „Im Treff“ bringt. „Sobald der Kleine im Kindergarten ist, habe ich wieder Zeit für mich und muss voll Gas geben. Denn wenn Dannick bei mir zu Hause ist, dann ist an Lernen nicht zu denken“, fügt sie hinzu.

Vor allem jetzt, kurz vor dem Ende ihres Studiums, muss die junge Mutter mehr Zeit als gewöhnlich für ihr Studium aufwenden. Auf dem Campus I gibt es deshalb speziell eingerichtete Eltern-Kind-Arbeitszimmer, ausgestattet mit Schreibtisch und PC für die Eltern sowie Buntstiften und Spielen für die Sprösslinge. Wenn Joelle allerdings wirklich konzentriert arbeiten möchte oder am Nachmittag noch eine Veranstaltung besuchen muss, bringt sie Dannick nach dem Kindergarten am liebsten bei „ad hoc – Raum für Kinder“ vorbei.

Hier, in einem ehemaligen Gemeinschaftsraum des Studentenwohnheims Tarforst, hat das Studiwerk eine kleine Spiel-Oase errichtet, inklusive Spielecke, Ruheraum, Küche und Kinderklo. Für fünf Euro pro Doppelstunde werden dort an Wochentagen von 15 bis 20 Uhr sowie samstagsvormittags Kinder studierender Eltern von geschulten Erziehern der Caritas betreut. „Im Moment nehmen täglich etwa drei Kinder das Angebot wahr. Wir arbeiten aber daran, dass ‚ad hoc‘ noch bekannter wird und in Zukunft noch mehr Eltern ihre Kinder mittags hier herbringen“, berichtet Andreas Wagner, Geschäftsführer des Studiwerks.

Wenn Dannick bei „ad hoc“ ist, hat Joelle außerdem Zeit, sich als Programmiererin ein kleines Gehalt zu verdienen. Doch trotz ihres Nebenjobs ist das Geld am Ende des Monats oft knapp. „Ich habe mir nicht vorgestellt, dass so hohe Kosten auf mich zukommen werden. Winterschuhe, eine dicke Jacke und Pullis – das ist alles so unfassbar teuer und hält oft nur für ein paar Monate“, sagt sie. Um finanziell in Not geratenen Studenten mit Kind unter die Arme zu greifen, bietet das Studiwerk seit dem Wintersemester 2012/2013 erstmals ein „Windelstipendium“. Wer bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann wie Joelle die Haushaltskasse auf diesem Weg pro Semester um 600 Euro aufbessern. „Während der Freizeit versuche ich so günstig wie möglich auszukommen. Deshalb gehen wir nachmittags oft in den Park oder wir malen viel, am liebsten bunte Autos und Schiffe mit Wasserfarben.“

Eine Ausnahme ist der Freitagnachmittag, dann geht Dannick regelmäßig zum Kinderturnen, wo er sich mit Gleichaltrigen noch einmal so richtig austoben kann. Vorher schauen die beiden allerdings noch kurz in der Mensa Tarforst vorbei, denn Kinder studierender Eltern essen in allen Mensen des Studiwerks kostenlos. „Kids for free“ läuft seit 2007 und ist laut Wagner somit nicht nur eines der ersten, sondern auch das am häufigsten angenommene Angebot des Studiwerks. An der Essensausgabe bekommt Dannick einen eigenen Teller und kann sich aussuchen, was er am liebsten mag: Pommes mit Fleisch und Erbsen isst er meistens, und weil Mama es möchte, wählt er zum Nachtisch eben auch noch einen Apfel.

„Mein Leben hat sich komplett verändert“, erzählt Joelle. Denn während sie früher sehr viel Kontakt zu Studenten ohne Kinder gehabt hat, sei jetzt mit Dannick alles ein bisschen schwieriger geworden. Während die anderen „Party machen“, sitzt sie über ihren Büchern und beschäftigt sich mit Programmiersprachen. Doch dank der guten Gemeinschaft im Kindergarten hat die junge Frau bereits neue Freundschaften knüpfen können.

Den Austausch zwischen den Eltern fördern, das ist auch das Ziel des Eltern-Kind-Frühstücks, das jeden ersten Freitag im Monat in der Mensa Tarforst sowie in der Cafeteria am Schneidershof angeboten wird. Hier können bei frischen Brötchen und Kaffee Erfahrungen ausgetauscht und Probleme, die die Doppelbelastung Studium und Kind mit sich bringt, diskutiert werden.

Wagner, der selbst mit Kind studiert hat, erzählt, wie schwierig es oft sei, junge Eltern zu erreichen, und wie wichtig Angebote wie das Eltern-Kind-Frühstück daher seien. Da diese sich für gewöhnlich nur kurz auf dem Campus aufhielten und somit selten Aushänge läsen, seien sie auf den klassischen Kommunikationswegen kaum zu erreichen. Sie tauschten sich eher mit anderen Eltern aus. Zudem könne er nicht genau sagen, wie viele Studierende mit Kind es in Trier wirklich gebe. Wegen des Datenschutzes bekomme er von der Uni darüber keine genauen Informationen. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Eltern miteinander sprechen und sich dann selbst bei uns melden“, appelliert Wagner. Auch Joelle rät allen jungen Eltern, die Hilfe benötigen, nachzufragen und die Angebote zu nutzen. Für die Zukunft wünscht sie sich einen Eltern-Kind-Kochkurs, in dem sie lernt, nicht nur günstig, sondern vor allem gesund zu kochen. Wagner lacht: „Das klingt nach einer sehr guten Idee, vielleicht können wir das bald schon anbieten.“

Wenn Dannick am Ende eines langen Tages ins Bett krabbelt und sich zur Gute-Nacht-Geschichte in Joelles Arm kuschelt, hat sie den Stress des Tages schnell wieder vergessen. „Es ist zwar alles sehr anstrengend, aber auch sehr schön. In diesen Momenten möchte mit keinem mehr tauschen.“

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