„Mein Dezernent wollte, dass ich es krachen lasse“

Gerhard Weber geht in seine letzte Spielzeit als Intendant am Trierer Theater. Foto: Marco PiecuchZwar wird Karl M. Sibelius erst im nächsten Jahr Intendant am Trierer Theater, doch seine Entscheidung, Dutzende Künstlerverträge nicht zu verlängern, überschattet derzeit das kulturelle Geschehen am Augustinerhof. Wie Gerhard Weber zu dieser Entwicklung steht, mit welchen Gefühlen er in seine letzte Spielzeit in Trier geht und wie es zur Auswahl der letzten Stücke unter seiner Regie kam, erzählt er im Interview mit 16 VOR. Zudem verkündet der Theaterleiter hier exklusiv, welchen gefragten Schauspieler er für das Sonderprojekt zum 1. Weltkrieg gewinnen konnte.

16vor: In wenigen Wochen startet Ihre letzte Spielzeit als Intendant am Trierer Theater. Derzeit dreht sich dort jedoch alles um die Massenkündigungen Ihres Nachfolgers. Was können Sie in dieser Situation tun?

Gerhard Weber: Ich kann da als noch amtierender Intendant nichts machen. Ich äußere mich öffentlich nicht viel über meinen Nachfolger, Herrn Sibelius, weil sich das nicht gehört. Aber in diesem Fall darf ich das, weil er meine Meinung kennt. Ich habe mehrmals an ihn appelliert, möglichst maßvoll zu kündigen. Es ist seine Entscheidung und jeder Intendant hat die Freiheit, das zu tun. Das muss man erstmal respektieren. Trotzdem finde ich es bedauerlich. Aber möglicherweise ist von den Spartenleitern, die kommen werden, noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das macht Hoffnung.

16vor: Fast jeder Intendant möchte überwiegend mit seinen eigenen Leuten arbeiten. Was macht Herr Sibelius anders?

Weber: Das Ausmaß ist das Problem. Dass nicht verlängert wird, ist normal. Das muss jedem Intendanten auch zugestanden werden. Dieses Recht habe ich mir auch herausgenommen.

Weil es aber auch medial ein Thema ist, besteht die Gefahr, dass es die gegenwärtige Arbeit des Teams überschattet. Zumal die Sommermonate publikumstechnisch ohnehin schwierig sind. Es verschieben sich zudem die Wahrnehmungen der Zuschauer. Manche wissen nicht mehr genau, wie lange die Ära Weber noch dauert. Ich sage dann: „Wir arbeiten hier noch mit Volldampf bis Juli 2015. Wir freuen uns, noch ein ganzes Jahr für Sie Theater machen zu dürfen.“

16vor: Manche Ihrer Mitarbeiter haben nicht mehr abgewartet, was nächstes Jahr passiert, und verlassen das Haus bereits jetzt. Macht sich da Wehmut breit oder akzeptieren Sie das als den Lauf der Dinge?

Weber: Beides. Michael Ophelders beispielsweise hat ein attraktives Anschluss-Engagement in der nächsten Spielzeit. Er macht mit mir meine Zeit nicht mehr zu Ende. Das ist letztendlich nachvollziehbar, aber anfänglich hadert man schon etwas. Beim Theaterfest können wir uns noch mal auf eine Performance von ihm freuen.

16vor: Es liegen bewegte Monate hinter Ihnen. Im vergangenen Jahr sorgte unter anderem Thomas Eggers Entwurf eines Kulturleitbildes für Aufregung, weil darin unter anderem die aktuelle Form der Förderung des Theaters infrage gestellt wurde. Wie stehen Sie zu dem fertigen Leitbild, das vergangene Woche präsentiert wurde?

Weber: Ich finde nicht gut, dass das Theater nur einmal mehr oder weniger in einem Nebensatz erwähnt wird. Dies betrifft allerdings nicht mehr meine Zeit. Mein Nachfolger wird damit arbeiten.

„Der Mann von La Mancha“ statt Soraya

16vor: In Ihrer letzten Spielzeit inszenieren Sie eine moderne Fassung von „Othello“, ein neues Musical über Soraya und „Der kleine Horrorladen“. Was war ausschlaggebend für diese Stücke?

Weber: Erst einmal ist man froh, wenn noch mal viele Leute kommen. Trotzdem haben wir nicht nur einen unterhaltungsträchtigen Spielplan. Wir engagieren auch sehr viele junge Regisseure. Alexander May wird bei uns „Die Orestie“ inszenieren – also noch mal ein klares Bekenntnis zu Trier als Stadt der Antike. Caroline Stolz wird mit einer der intelligentesten Komödien, „Der Vorname“, bei uns für Furore sorgen. Ich selber werde den „Kleinen Horrorladen“ inszenieren. Das ist ein Kassenstück, das wir super besetzen können. Jan Schuba wird den Seymor machen, Nadine Eisenhardt wird die weibliche Hauptrolle spielen. Wir haben tolle Leute dafür.

Anstelle des ursprünglich geplanten „Soraya“-Projektes, das aus finanziellen Gründen nicht zustande gekommen ist, machen wir den „Mann von La Mancha“. Es ist ein langgehegter Wunsch im Haus, das auf die Bühne zu bringen. Es erzählt von einem Träumer, der sich seine Träume nicht austreiben lässt und ihnen in der absurdesten Form nachgeht. Insofern ist es auch eine Parabel über uns als Künstler. Für den Don Quichote haben wir Hartmut Volle gewonnen, mit dem ich früher sehr viele Sachen im Staatstheater Saarbrücken machte und der durch den Saarbrücker „tatort“ inzwischen deutschlandweit bekannt ist.

„Othello reloaded“ ist sicherlich speziell. Ich habe ein ähnliches Projekt, ich nenne es ein „Punkrock-Event“, vor 15 Jahren mit „Troilus und Cressida“ in Saarbrücken gemacht. Das war ein Riesenerfolg. Das hätten wir noch 20 Mal aufführen können. Ich hätte das gerne in der Bobinethalle gespielt, die aber leider nicht mehr feuerpolizeilich für uns relevant ist, sodass wir es jetzt im Haus machen. Es sei denn, wir finden noch etwas. Wir machen das mit Sven Sorring, der diese Rockoper komponiert hat, und mit dem ich auch schon in Saarbrücken zusammengearbeitet habe. Das wird eine richtig heiße Geschichte. Mein Dezernent hat mich schließlich auch freundlich dazu aufgefordert, es in meiner letzten Spielzeit noch mal krachen zu lassen.

16vor: Mit welchen Gefühlen gehen Sie in Ihre letzte Spielzeit in Trier? Macht es Sie traurig, dass dieses Kapitel 2015 nach elf Jahren zu Ende geht, oder sind Sie angesichts der zunehmenden Widrigkeiten froh über den Abschied?

Weber: Es ist beides. Wir haben eine sehr intensive Zeit hier gehabt. Mit viel auf und ab. Das Thema „Antikenfestspiele“ kommt einem natürlich immer hoch. Nach wie vor sehe ich es als einen künstlerischen Verlust an, dass wir die nicht mehr betreiben dürfen. Aber jetzt kommt ein neuer Intendant, dann werden die Karten wieder neu gemischt. Es ist gut, dass nach elf Jahren ein Wechsel in der Theaterspitze stattfindet. Nach elf Jahren kann man „Tschüss“ sagen, ohne mürrisch zu werden. Ich werde Trier als Stadt immer treu bleiben, weil ich sehr viele gute Erlebnisse hier gehabt habe. Allerdings wird es nicht mehr mein Wohnort sein.

Zuvor stehen allerdings noch große Projekte an. Zum Beispiel in Kooperation mit der Universität bieten wir ab dem 26. Oktober ein Programm zum Thema „Erster Weltkrieg“. Ich kann hier erstmals verkünden, dass wir den großen Schauspieler Michael Mendl dafür gewinnen konnten, an diesem Abend teilzunehmen. Wir werden dort zwei Blickwinkel auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs haben. Einmal „Wahnsinn wäscht die Hände“, wo wir die Julikrise beleuchten – wie es ab dem Anschlag in Sarajevo überhaupt zum Krieg gekommen ist. Es ist die Aufgabe des Theaters, dazu Position zu beziehen. Der zweite Teil, den ich zusammen mit Steffen Popp inszenieren werde, wird die Rolle Triers im Ersten Weltkrieg zeigen.

16vor: Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, was Sie ab dem Sommer 2015 machen?

Weber: Ich werde sicherlich als Freier Regisseur weiterarbeiten. Da gibt es auch schon vage Pläne. Mehr will ich auch nicht machen, weil ich dann 43 Jahre fest am Theater gearbeitet habe. Das habe ich auch geliebt, aber ich glaube, für mich ist es auch gesundheitlich ganz gut, mal ein bisschen runterzukommen und die Dinge zu machen, die man immer vor sich her geschoben hat. Aber das Theater wird immer ein Thema für mich bleiben.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.