„Mali geht für mich gar nicht“

Die Trierer Grünen formieren sich für die anstehenden Wahlkämpfe. Mit ihrem Rückzug von der Parteispitze machten Corinna Rüffer und Thorsten Kretzer am Mittwochabend den Weg frei für die Wahl eines neuen Führungsduos: Mit der erst 21-jährigen Sarah Jakobs und dem erfahrenen Parteimann Rainer Landele will die drittstärkste politische Kraft der Stadt ihr Profil schärfen – auch gegenüber den Sozialdemokraten. Landele gab schon mal eine Messlatte für die Kommunalwahl im nächsten Jahr aus: „Ich will 2014 nicht wieder erleben, dass die CDU doppelt so stark ist wie wir“. Doch auch OB Jensen schonte der neue Kreisvorstandssprecher nicht. Derweil präsentierte sich Jakobs als überzeugte Pazifistin und verurteilte den Militäreinsatz der Franzosen in Mali.

TRIER. Die Bürgermeisterin hatte es sich nicht nehmen lassen. Obwohl sichtlich angeschlagen und noch von einer Erkältung geplagt, war Angelika Birk gekommen, um auf der Mitgliederversammlung ihrer Partei zum Thema Wohnen zu referieren. Bezahlbarer Wohnraum wird nach Lage der Dinge eines der bestimmenden Wahlkampfthemen in diesem und im nächsten Jahr sein – sowohl auf Bundes- als auch auf städtischer Ebene. Auch die Grünen wollen sich auf diesem Feld profilieren, im vergangenen Herbst brachten sie einen Antrag „Sozialen Wohnungsbau sichern!“ durch den Stadtrat.

Formuliert hatte diesen allen voran Corinna Rüffer, die gute Aussichten hat, ab dem kommenden Herbst dem Bundestag anzugehören. Denn Rüffer startet auf Platz 3 der Landesliste ihrer Partei in den Wahlkampf – der Sprung ins Reichstagsgebäude scheint ihr damit so gut wie sicher. Für Rainer Landele scheint die Entscheidung gar schon gefallen: Er gehe jetzt einfach mal davon aus, dass seine Parteifreundin in den Bundestag einziehen werde, erklärte er. Dass Rüffer auf einer Landesdelegiertenversammlung in Lahnstein auf diesen optimalen Listenplatz gewählt wurde, sei nicht zuletzt ein Erfolg des neuen Zusammenspiels zwischen den Grünen in Stadt und Kreis. Bis 2011 bildete man noch einen gemeinsamem Kreisverband, dann kam es zur Trennung. Von einem „schmerzlichen Prozess“ sprach Rüffer in ihrem Rechenschaftsbericht, doch habe sich diese Trennung schon jetzt bewährt.

In den kommenden Monaten will sich Rüffer nun ganz auf die Bundestagswahl konzentrieren. Damit begründete sie auch ihren Rückzug vom Amt der Kreisvorstandssprecherin. Auch Thorsten Kretzer kandidierte nicht für eine Wiederwahl, weshalb die Grünen sich eine neue Doppelspitze wählen mussten. Wer es werden würde, war allerdings schon im Vorfeld klar, denn mit Sarah Jakobs und Rainer Landele standen zwei Bewerber parat, die keine Gegenkandidaten zu fürchten hatten – und die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Jakobs ist erst seit März 2011 Mitglied der Grünen. Nur einen Monat nach ihrem Parteieintritt gehörte sie bereits dem Kreisvorstand an, binnen zehn Monaten rückte die Studentin nun an die Spitze. Eine Blitzkarriere für die gebürtige Prümerin. Selbstbewusst griff sie gleich zu Beginn ihrer kurzen Vorstellung das Thema Alter auf – quasi um im vorauseilendem Konter mögliche Skeptiker zu besänftigen. Das Alter sei für sie ebenso wenig eine „disqualifizierende Kategorie“, wie Hautfarbe und Geschlecht es sein dürften, so die 21-Jährige. Jakobs präsentierte sich sodann als Veganerin, der „moralische Umgang mit Ernährung“ liege ihr sehr am Herzen. Auch als aktive Tierschützerin ist sie unterwegs. Jakobs erweckte die Grüne Jugend in Trier zu neuem Leben und ist auch an der Universität politisch aktiv. „Ich klebe an meinen moralischen Prinzipien“, sagte sie noch.

Landele will mehr Kompetenzen für die Ortsbeiräte

Dem Trierer Grünen-Urgestein Horst Steffny war das zu allgemein. Jakobs komme ja sympathisch rüber, aber er wolle doch auch wissen, wie sie denn beispielsweise zu Bundeswehreinsätzen im Ausland oder Hartz IV stehe. „Mali geht für mich gar nicht“, antwortete die Kandidatin. Zwar nehme sie die Argumente von Menschenrechtlern ernst, „aber ich bin grundsätzlich absolut pazifistisch eingestellt“: Deshalb komme für sie auch in Mali nur eine „rein diplomatische“ Lösung in Betracht. Zur Sozialgesetzgebung bemerkte sie: „Ich bin definitiv für eine inklusive Gesellschaft“, diese sei mit Hartz nicht möglich. Die große Mehrheit der anwesenden Grünen überzeugte das, Jakobs wurde mit 18 von 22 Stimmen zur neuen Kreisvorstandssprecherin gewählt.

Er stehe weniger für einen Generationswechsel, merkte Rainer Landele scherzhaft an. In der Tat: Mit ihm steht vielmehr ein erfahrener Parteimann an der Spitze, der lange Zeit auch in den eigenen Reihen polarisierte und bis heute nicht nur Anhänger innerhalb der Grünen hat. Das bildete sich auch im Wahlergebnis ab: 18 Ja- und 4 Nein-Stimmen – Enthaltungen gab es keine. Landele ist, wie auch Ratsmitglied Reiner Marz, ein analytischer Kopf, der strategisch denkt und erkennbar Spaß an der politischen Konfrontation hat. Politik sei nichts, wo man mit Samthandschuhen agiere, gab er am Mittwoch einen Vorgeschmack auf die kommenden Wahlkämpfe. Die Grünen müssten ihr Profil schärfen und sich auch mit den Sozialdemokraten stärker auseinandersetzen. Folgt man Landele, dann gibt es für seine Partei auch in der landesweiten Hochburg Trier noch Stimmenpotenzial nach oben: „Ich will 2014 nicht wieder erleben, dass die CDU doppelt so stark ist wie wir“, gab er die Devise aus.

Doch Landele ist auch Realist. Dass seine Partei es schaffen könnte, bei der Kommunalwahl 2014 erstmals in allen Ortsteilen anzutreten, glaube er nicht. Das werde allerdings auch deshalb schwierig, weil die öffentliche Diskussion den Eindruck erwecke, die Ortsbeiräte hätten rein gar nichts zu entscheiden. Wie man vor diesem Hintergrund neue Menschen für die Politik in den Stadtteilen gewinnen wolle, wisse er deshalb noch nicht. Der Stadtrat müsse auf jeden Fall Kompetenzen abgeben. Dem Oberbürgermeister warf Landele vor, sich im Umgang mit den Ortsbeiräten bisweilen „unter aller Sau“ verhalten zu haben. Dass Jensen aufgrund der unklaren Kräfteverhältnisse im Stadtrat mit wechselnden Mehrheiten regieren könne, gefalle ihm gar nicht, so der Grüne.

Dem neuen Kreisvorstand gehören neben dem alten und neuen Schatzmeister Wolf Buchmann noch Peter Hoffmann (27, Student, Sprecher der Grünen Jugend Trier-Saarburg) als stellvertretender Kassierer, Timo Wans (24, Student) als Vertreter der Grünen Jugend im Vorstand, Petra Kewes (49, Betriebswirtin, Mitglied des Stadtrats), Thorsten Kretzer (42, Student) und Corinna Rüffer (37, Mitglied des Stadtrats) an. 

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