Leibniz-Preis für Trierer Professor Lutz Raphael

Er gilt als der bedeutendste Wissenschaftspreis des Landes: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat am Donnerstag die Namen der elf Leibniz-Preisträger 2013 bekanntgegeben. Unter ihnen findet sich auch Lutz Raphael, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier, der sich über ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro freuen kann, die für seine eigene wissenschaftliche Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Seit 1986 werden jährlich herausragende Persönlichkeiten für ihre Forschungen auf allen Gebieten der Wissenschaft gewürdigt. Auch weltweit gilt der Preis als eine der wichtigsten Auszeichnungen. Auf dem Trierer Campus ist man begeistert.

TRIER. „Für Historiker ist der Leibniz-Preis das Schönste und Beste, was man erreichen kann. Die finanzielle Zuwendung eröffnet einen großen Gestaltungsspielraum, aber die symbolische Seite dieser Auszeichnung ist für mich die bedeutendere“, kommentierte Lutz Raphael die freudige Nachricht. „Ich bin seit 1996 aus Überzeugung in Trier. Dieser Preis demonstriert, dass wir an der Universität Trier in der Lage sind, exzellente Forschung zu leisten“, ergänzte er.

Universitätspräsident Professor Michael Jäckel würdigte seinen Kollegen als einen der profiliertesten und innovativsten Zeithistoriker der Bundesrepublik mit hohem internationalem Ansehen. „Mit Lutz Raphael ehrt die Deutsche Forschungsgemeinschaft einen sehr engagierten Hochschullehrer und Forscher, einen Impulsgeber und Förderer der Geschichtswissenschaft. Und dies über die Grenzen des Fachs hinaus. Bei ihm erfährt man, was es heißt, dass die Geschichte Strukturen hervorgebracht hat“, sagte Jäckel.

„Wer Leibniz-Preisträger wird, erhält diese Auszeichnung nicht nur für ein besonderes Einzelprojekt, sondern für kontinuierliche, wegweisende Forschungsleistungen auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. Ich freue mich deshalb besonders, dass mit Professor Raphael einer der maßgeblichen Vertreter seines Faches geehrt wird.“ Mit diesen Worten gratulierte die rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerin Doris Ahnen dem Trierer Historiker.

Lutz Raphael forscht und lehrt seit 1996 an der Universität Trier. Hier hat er sich im Kontext der Forschungsverbünde nicht nur als herausragender Organisator und Ideengeber, sondern auch als ein besonders innovativer Forscher im Bereich der Sozialgeschichte des ländlichen Raums im 20. Jahrhundert erwiesen. Sowohl im abgeschlossenen Sonderforschungsbereich (SFB) 235 „Zwischen Maas und Rhein“ als auch im laufenden SFB 600  „Fremdheit und Armut“ gehören Raphaels „Dorf-Projekte“ durchweg zu den mit exzellent bewerteten Paradeprojekten. In den Jahren 2005 bis 2008 war er Sprecher des Sonderforschungsbereichs 600, in dem er zwei Teilprojekte in den Bereichen „Fremdheit“ sowie „Armut und Armenfürsorge“ leitet. Seit 2009 steht der Träger des Verdienstkreuzes des Landes Rheinland-Pfalz als Geschäftsführender Direktor dem  Forschungszentrum Europa der Universität Trier vor.

„Seine Ideen und Forschungen haben Generationen von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern, vor allem im Rahmen der an der Universität Trier realisierten Sonderforschungsbereiche, inspiriert. Und sie werden dies weiter tun. Sein Rat ist an vielen Stellen gefragt, insbesondere seit einigen Jahren im Wissenschaftsrat. Die Universität Trier gratuliert dem Leibniz-Preisträger Lutz Raphael zu dieser großen Auszeichnung“, ergänzte Universitätspräsident Jäckel.

1955 geboren, studierte Lutz Raphael in Münster und Paris Geschichte. Nach der Promotion in Münster war er als Assistent in Darmstadt tätig, bevor er 1996 seine jetzige Professur für Neuere und Neueste Geschichte in Trier übernahm, die er mehrfach mit Gastprofessuren in Paris verband. Raphael war beziehungsweise ist Mitglied und zeitweise Sprecher zweier geschichtswissenschaftlicher Sonderforschungsbereiche der DFG sowie Fellow renommierter geisteswissenschaftlicher Kollegs im In- und Ausland. Als Mitglied im Wissenschaftsrat und in zahlreichen Kommissionen wie dem Arbeitskreis für Moderne Sozialgeschichte und der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften engagiert er sich nicht zuletzt für die kritische Selbstbetrachtung und Erneuerung akademischer Diskurse.

Mit Lutz Raphael erhält ein Historiker den Leibniz-Preis, der mit seinen Arbeiten und seinen wissenschaftssoziologischen Denkanstößen den Blick auf die jüngste Zeitgeschichte Europas und deren unterschiedliche Deutungen maßgeblich verändert hat, so die Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zeitgeschichte fasst Raphael dabei von Beginn seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht als Nationalgeschichte, sondern als europäische Geschichte auf. Als besonders fruchtbar erwies sich dabei für ihn selbst wie für sein Fach der Austausch mit der französischen Historikerschule um die Zeitschrift Annàles und mit den philosophischen, soziologischen und anthropologischen Methoden seines Lehrers Pierre Bourdieu, die er mit eigenen, dem Konzept der „longe durée“ verpflichteten Studien weiterentwickelte. Anfangs mikrohistorisch fokussiert, bezieht Raphael in jüngeren Studien zunehmend transnationale und globalhistorische Ansätze mit ein. Ebenso einflussreich – auch über Deutschland hinaus – sind seine Analysen zur modernen Expertenkultur, insbesondere derjenigen der Historiker und Soziologen. Schließlich hat sich Raphael auch als Historiograf der modernen Historiografie einen Namen gemacht, zuletzt mit seiner Monografie „Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme“; hier ist er einer der führenden Repräsentanten einer neuen Generation von Geschichtswissenschaftlern, die eine kritische methodologische Selbstreflexion ihres Fachs vorantreiben.

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