Die Natur als Speisekammer

Mit Bärlauch hat es angefangen. Das aromatische Kraut hat es in den vergangenen Jahren aus den feucht-dunklen Wäldern bis in alle Supermärkte geschafft, um Käse, Quark, Pesto oder Brot und sogar Hunde- und Katzenfutter zu aromatisieren. Neben den jeweils aktuellen Modekräutern gibt es aber auch unscheinbare Pflanzen, die nicht nur das Essen schmackhaft machen, sondern unsere Kenntnisse um Pflanzen, deren Würze und Heilkraft erweitern. Ein Spaziergang durch die Wiesen rund um Trier.

TRIER. Der Mai eignet sich hervorragend dazu, nicht nur zu promenieren und die explodierende Natur zu genießen, sondern auch den Blick nach unten zu richten und sich das krachend frische Grün mal ganz genau anzusehen. Denn an fast jedem Wegesrand finden sich eben nicht nur hübsche Blüten, die man sich ins Knopfloch stecken kann. Der Naturgenuss wird umso schöner, wenn der abendliche Salat mit Selbstgeerntetem verfeinert wird.

Ein richtiger Kenner der Materie ist der Trierer Ulrich Spies. Kaum ist er aus dem Auto am Albachtal ausgestiegen, ist er in seinem Element: „Dieser Weg ist besonders interessant, da man hier ganz gut die Unterschiede zwischen zwei nebeneinander liegenden Vegetationszonen sehen kann, wo ganz unterschiedliche Pflanzen wachsen.“

Das Tal in der Nähe von Trier beginnt mit einem Sandsteingrund, auf dem vor allem Löwenzahn, Gänseblümchen und Gundermann gedeihen. „Alle diese Pflanzen wachsen natürlich auch in der Stadt selbst“, so Spies. „Aber hier oder auch im Busental und anderen stadtnahen Bereichen sind die Pflanzen natürlich hochwertiger und gesünder, da dort weitaus weniger Autos fahren und auch weniger Hinterlassenschaften der Hunde vorkommen.“ Und auch Brenn-Nesseln und Giersch sind hier reichlich zu finden, mit denen man schmackhaftes, spinatähnliches Gemüse herstellen kann. Doch erweiterte Kenntnisse sind nötig, um die jeweiligen Pflanzen auch am richtigen Ort zu ernten. „Gerne wachsen die Brenn-Nesseln dort, wo der Boden nicht naturbelassen ist, wie auf alten Abraum- oder Schuttflächen“, erläutert Spies. „Hier weiß man natürlich nicht, was im Untergrund so alles drin ist.“

Und auch beim Löwenzahn ist der 51-jährige Grabungstechniker vorsichtig. Während auf einer Wiese der Löwenzahn nur vereinzelt wächst, steht er in der Nähe einer Pferdeweide in Massen, was bedeutet, dass der Boden hier durch den tierischen Mist stickstoffreicher ist. Das lässt die Pflanzen zwar schnell und zahlreich wachsen, ist aber in der Salatschüssel nicht gerade gewollt. „Allein am Bewuchs sieht man, ob eine Wiese gedüngt ist oder nicht“, weiß Spies zu berichten.

Seine Wildpflanzen und Kräuter erntet er selbstverständlich nur auf den naturbelassenen Wiesen. Schon seit früher Kindheit in einem dörflichen Umfeld hat er von seinem Vater das Wissen um Kräuter, Heilpflanzen, Pilze und Insekten mitbekommen. Und auch in seinem Beruf als Grabungstechniker ist er meistens in der freien Natur und weiß Gelände gut einzuschätzen, da er oft mit Landschaftsingenieuren zusammenarbeitet. Seit den 90er Jahren ist daraus fast mehr als ein Hobby geworden: Er streift regelmäßig rund um Trier durch die Natur, um im Anschluss für sich und seine Freundin schmackhaft zu kochen, Leckeres einzumachen und natürlich auch die Natur zu genießen.

Am Wegesrand im Albachtal zeigt er noch diverse Nesselarten, lädt dazu ein, die Blüte des Rotklees zu lutschen oder eine Walderdbeerblüte zu essen. Doch er weist auch auf die giftigen Exemplare hin, die man beim Sammeln meiden muss, darunter Hahnenfußgewächse, Salomonssiegel und der Aronsstab. „Wichtig ist, dass man nur das erntet, von dem man sicher ist, dass es die richtige Pflanze ist. Und die Hälfte einer jeden Pflanze muss auch stehen bleiben, damit sie im nächsten Jahr wiederkommt.“

Im Übergang zum Muschelkalkboden wachsen auch Würzkräuter wie Wiesensalbei, Oregano und Minze, bevor der Boden immer nährstoffärmer wird, was wiederum eine höhere Artenvielfalt beschert. Auf dem eher basischen Muschelboden wird beziehungsweise wurde an der Mosel auch gerne Wein angebaut. In diesem Tal sind die Reben verschwunden und auf den Hängen sind Purpurorchideen, blühender Feldsalat, mittlerer Wegerich oder Pimpinelle zu entdecken.

Selbst Ungenießbares hat manch kurzweilige Geschichte zu bieten: Arsch- oder Pestwurz wurde im Mittelalter als desinfizierendes Toilettenpapier genutzt und mit dem Wiesenlabkraut hat man Käse und andere Milchprodukte hergestellt. Auf vergleichbarem Boden lassen sich rund um Trier Huflattich, Waldmeister, Pimpinelle, aber auch Thymian, Zitronenthymian und Weinberglauch entdecken. Zahlreiche unter Naturschutz stehende Orchideenarten haben hier Raum gefunden, der aber von Jahr zu Jahr immer weiter zuwuchert, wie Ulrich Spies beobachtet.

„Jeden Monat sind hier andere Sachen zu entdecken“, sagt Spieß und so muss der Mai-Salat auch ohne Bärlauch auskommen. Doch den hält der Kräuterkenner sowieso für überbewertet. „Ich habe auch keine Angst, dass die Wiesen rund um Trier jetzt komplett abgeerntet werden, denn die allermeisten schauen sich zwar tolle Kochsendungen an, kaufen und kochen aber ganz anders.“

Professionelle Kräuterwanderungen in Trier und Umgebung bietet die Heilpraktikerin Sigrid Ertl an. Informationen dazu finden Sie hier.

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