„Lecca“-Terrasse auf der Kippe
Sie ist eine optische Besonderheit im Umfeld des Hauptbahnhofes – die Terrasse des „Café Lecca“. Dem Bauverwaltungsamt ist der Aufbau aus Holz jedoch aus „straßenrechtlichen Gründen“ ein Dorn im Auge. Die Behörde verlangt den sofortigen Abbau des Freisitzes, der seit 2007 Gäste in das Café lockt. Savino Pistis, seit letztem März Inhaber des „Lecca“, wehrt sich: Mit Hilfe seines Anwaltes geht er gegen die Entscheidung des Amtes vor. „Wir hatten einen Kompromissvorschlag unterbreitet“, sagt Pistis, „der zunächst von der Verwaltung auch akzeptiert wurde.“ Jetzt aber wolle die Behörde davon nichts mehr wissen. Sollte er den Terrassenbetrieb nicht sofort einstellen, drohten ihm Bußgeld und die Einleitung eines Verfahrens wegen Ordnungswidrigkeiten, teilte das Rathaus ihm mit.
TRIER. Savino Pistis zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie das jetzt weitergeht“, sagt der 48-Jährige. Er sitzt bei sommerlichen Temperaturen auf der Terrasse vor seinem Café. Zwischen der Holzkonstruktion und dem Aufgang ins Lokal schieben Mütter ihre Kinderwägen hindurch, laufen Fußgänger zum Bahnhof hin oder in Richtung Innenstadt. Vor der Terrasse ist ein Taxistand. Der Freisitz wird gut angenommen. Stammgäste, aber auch Laufkundschaft trinken hier Espresso oder Milchkaffee. Man kennt sich, man unterhält sich. Der wirtschaftliche Faktor kommt für Pistis hinzu. Er kalkuliert mit dem Umsatz, den er durch seinen Freisitz erzielt: „Natürlich ist das in meine Planungen eingeflossen, als ich das Café im März übernommen und eine nicht gerade geringe Ablöse an meine Vorgänger gezahlt habe.“
Den Inhaberwechsel nahm das Bauverwaltungsamt zum Anlass, den Terrassenbetrieb endgültig zu untersagen und den sofortigen Abbau der Holzkonstruktion zu verlangen – unter Androhung eines Bußgelds sowie eines möglichen Verfahrens wegen Ordnungswidrigkeit. Im März 2007 hatten Pistis Vorgänger eine Sondernutzungserlaubnis erhalten, die aber bereits am 20. April desselben Jahres widerrufen wurde. Vier Jahre tat sich nichts in der Angelegenheit, was Rechtsanwalt Jürgen Erfurth seltsam vorkommt: „Wir haben selbstverständlich in der Zeit die Füße still gehalten, man muss ja keine schlafenden Hunde wecken“, sagt der Jurist, der auch schon die früheren Lecca-Inhaber vertreten hatte. Die Stadt argumentiert, dass mit der Aufgabe des Betriebes durch Pistis Vorgänger auch die Sondernutzungserlaubnis erloschen und der „anhängige Widerspruch in der Hauptsache erledigt“ sei.
Im März 2011 wurde Erfuhrt dann im Rathaus vorstellig. Er unterbreitete nach eigenen Angaben einen Kompromissvorschlag, wonach der Terrassenbetrieb bis zum Ende der Freiluftsaison im Herbst fortgeführt werden sollte – unabhängig von einem Inhaberwechsel. „Danach hätten wir die Terrasse entfernt und uns mit der Verwaltung geeinigt, was wir dort stattdessen für das nächste Jahr planen können.“ Laut Erfurth ist der Vorschlag zunächst auch akzeptiert worden. „Als jedoch klar war, dass Herr Pistis das Lokal übernimmt, wollte man auf dem Amt davon nichts mehr wissen“, sagt der Jurist.
Hinsichtlich der Gründe tappt Erfurth ebenso im Dunkeln wie sein Mandant. Der Anwalt vermutet, dass die Holzkonstruktion nicht in das Konzept zur Umgestaltung des Bahnhofumfelds passen könnte. 2006 richtete die Stadt ein 60.000 Euro teures „Werkstattverfahren“ aus, das Perspektiven für das Quartier aufzeigen sollte. Getan hat sich seither kaum etwas (wir berichteten). „Für mich ist es daher einfach unverständlich“, sagt Erfurth, „dass hier einem Gastronom und Unternehmer wegen eines Konzepts, das seit Jahren in den Schubladen verstaubt, auf die Füße getreten wird.“ Formal sei die Stadt aber im Recht, räumt der Jurist ein. Am 5. und 30. Mai erhielt Pistis Schreiben des zuständigen Sachbearbeiters, in denen er aufgefordert wird, „den Terrassenbetrieb im öffentlichen Straßenraum einzustellen“. Bereits seinem Betriebsvorgänger sei „aus straßenrechtlichen Gründen die Sondernutzungserlaubnis zum Betrieb der Terrasse widerrufen“ worden. Auf Anfrage von 16vor teilte das städtische Presseamt ferner mit: „Der neue (jetzige) Betriebsinhaber hat keine Sondernutzungserlaubnis beantragt.“
Dem widerspricht Pistis energisch. Am 18. Mai habe er per Fax ein Schreiben an den Sachbearbeiter geschickt, in dem das Sondernutzungsrecht beantragt worden sei. Pistis bittet darin zudem um Kontaktaufnahme durch den Sachbearbeiter. Er gibt seine Mobilfunknummer an und schreibt: „Leider konnte ich Sie bislang telefonisch nicht erreichen. (…) Bitte setzen Sie sich mit mir in Verbindung bzw. teilen Sie mit, wann Sie am besten zu erreichen sind.“ Die Antwort der Behörde folgte am 30. Mai – schriftlich. Darin wird der Erhalt des Antrages bestätigt. Dieser könne aber erst geprüft werden, „wenn die Holzterrasse restlos aus dem öffentlichen Straßenraum entfernt ist“. Eine „Nachkontrolle noch in dieser Woche“ wird angekündigt.
Pistis versteht die harte Linie der Behörde nicht. „Wo ist denn das Problem, mir einen Alternativvorschlag zu unterbreiten. Ich möchte doch nur wissen, was ich hier darf und was nicht“, sagt der 48-Jährige. Bisher habe niemand ihm erklären können, wie das Konzept für das Bahnhofsviertel aussehe. „Ich bin ja bereit, mich an die Vorgaben zu halten, aber dazu muss ich erst einmal wissen, welche das sind.“ Sollte er in diesem Sommer sein Lokal ohne Terrassenbetrieb führen müssen, sei das für ihn durchaus existenzbedrohend. „Ich hatte hohe Kosten für Investitionen, als ich das Café im März übernahm. Der Umsatz, den ich über den Terrassenbetrieb erziele, ist da sehr wichtig – ohne den geht es nicht“.
Hinzu kommen weitere Kosten durch mögliche Bußgelder, sollte er die Terrasse nicht entfernen. „Ich werde daher natürlich über meinen Anwalt Widerspruch einlegen“, kündigt Pistis an. „Etwas anderes bleibt mir ja auch nicht übrig, weil die Behörde sich so wenig gesprächsbereit zeigt.“ Die juristische Auseinandersetzung wollte auch Erfurth verhindern. „Aber was sollen wir machen?“, fragt der Anwalt. „Leider scheint es nicht anders zu gehen.“
Dass er die jährliche Gebühr für die Nutzung von Freisitzflächen bereits bezahlt hat, ärgert Pistis inzwischen. 368,10 Euro überwies der Gastronom laut Bankauszug am 2. März an die Stadt – für eine Terrasse, die er nicht bewirtschaften darf. „Das ist schon merkwürdig, bezahlen darf ich, aber meine Gäste darf ich nicht bewirten“, sagt er und fügt hinzu: „Normalerweise hätte die Stadt mir das Geld ja zurücküberweisen müssen, wenn sie konsequent wäre. Aber das ist natürlich nicht passiert.“
von Eric Thielen