Kostenexplosion auf dem Wolfsberg
Bislang stieg kein weißer Rauch auf, dauern die Beratungen über das Schulentwicklungskonzept noch an. Ob die Abstimmung wie geplant an diesem Donnerstag über die Bühne gehen wird, scheint denn auch nach wie vor offen. Derweil müssen sich die Ratsmitglieder mit einer Vorlage befassen, die es ebenfalls in sich hat und einiges an Konfliktstoff birgt: Laut Rathaus werden Sanierung und Ausbau der Integrierten Gesamtschule mindestens 18,5 Millionen Euro kosten. Im März 2009 war von 11 Millionen Euro die Rede. Zwar seien die „beiden Realisierungsansätze“ von damals und heute „nicht direkt vergleichbar“, argumentiert die Verwaltung, doch ob die Vorlage unverändert den Rat passieren wird, scheint zumindest fraglich. In der CDU jedenfalls werden nun Überlegungen angestellt, welche die Grünen schon vor einigen Monaten ins Gespräch brachten – eine Verlagerung der IGS vom Montessori- zum Mäusheckerweg.
TRIER. Sie ist eine für Trier einzigartige Einrichtung und wirbt mit den Vorzügen eines längeren gemeinsamen Lernens ebenso wie mit „lehrerbetreuten Lernzeiten“ und „Neigungskreisen“. Es gibt „Tischgruppen“ und „Jahrgangsflure“, und auch sonst unterscheidet sich die Integrierte Gesamtschule auf dem Wolfsberg wesentlich von anderen etablierten Schulformen. „Die Schule im Grünen, in Trier ganz oben“ (O-Ton Selbstdarstellung) hat zweifellos für mehr Vielfalt im städtischen Bildungsangebot gesorgt, doch ob die IGS tatsächlich dauerhaft über den Dächern der Stadt thronen wird, könnte eine der Fragen sein, die am Donnerstag im Stadtrat zur Sprache kommen werden.
Denn nicht wenige Ratsmitglieder dürfte eine Vorlage aufgeschreckt haben, über die der Stadtrat nun befinden soll. Es geht um einen „Grundsatz-/Bedarfs- und Baubeschluss“ für die Integrierte Gesamtschule, vor allem aber geht es um eine beispiellose Kostenexplosion auf dem Wolfsberg. Als der Stadtrat vor vier Jahren die Einrichtung der IGS und damit auch die Sanierung und Ergänzung des Gebäudes der ehemaligen Ludwig-Simon-Realschule sowie der Cusanus-Hauptschule beschloss, bezifferte man am Augustinerhof die Kosten noch auf rund 11,03 Millionen Euro. Aufgrund von Preissteigerungen wäre diese Summe im vierten Quartal 2012 bereits auf etwas mehr als 12 Millionen Euro angewachsen, doch der Betrag, der nun zur Debatte steht, bewegt sich in ganz anderen Dimensionen: auf 18,515 Millionen Euro veranschlagt die Stadt inzwischen die Mittel, die benötigt werden, um die Gesamtmaßnahme zu stemmen.
Rund 1,944 Millionen Euro flossen bereits in Sofortmaßnahmen, der Rest würde für zwei Bauabschnitte benötigt, die unter anderem eine Generalsanierung des Cusanus-Gebäudes sowie eine energetische Sanierung und eine Erweiterung des Ludwig-Simon-Baus umfassen. Nicht eingeplant sind unterdessen die Kosten, die noch für den Bau einer neuen Sporthalle benötigt werden. Die Wolfsberghalle ist bekanntlich in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand und derzeit nur eingeschränkt nutzbar. Doch deren Kapazität würde ohnehin kaum ausreichen, um auch den Schulsport abzudecken – hieß es zumindest 2009. Allerdings war seinerzeit auch noch über eine Verlagerung der Grundschule Mariahof auf den Wolfsberg diskutiert worden – eine Idee, die binnen weniger Wochen vom Tisch war. Das Thema Sporthalle werde nun in einer gesonderten Vorlage behandelt, heißt es aus dem Rathaus. Absehbar ist: Auch hier dürfte noch einmal ein höherer siebenstelliger Betrag fällig werden.
Rathaus will auf jeden Fall sanieren
In der Verwaltung ist man bemüht, Erklärungen für die absehbare Kostenexplosion zu liefern. Etwa mit Formulierungen wie „Die Kosten (die vor vier Jahren veranschlagten; Anm. d. Red.) wurden auf der Basis der damaligen Machbarkeitsüberlegungen und ohne Bestandsuntersuchungen mit geringen Eingriffen im Bestand, ohne Klassenersatzmaßnahmen und den Kostenansätzen für 2009 geschätzt“. Im Übrigen seien die „beiden Realisierungsansätze (damals Machbarkeitsstudie, heute Haushaltsunterlage-Bau)“ so auch „nicht direkt vergleichbar, da sich zum Beispiel die Anforderungen der Energieeinsparverordnung deutlich verändert und verschärft haben“. Man habe vor vier Jahren schlicht mit einer „minimalen Sanierung des Bestandes“ kalkuliert. Nun soll es eine Generalsanierung richten, und angesichts der immensen Summe wurde auch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angestellt – um zu ermitteln, ob ein Neubau des Cusanus-Gebäudes unterm Strich nicht günstiger käme als die nunmehr geplante Generalsanierung, für die allein 9,256 Millionen Euro veranschlagt werden. Das Ergebnis laut Verwaltung: Das Verhältnis der Sanierung zu den Neubaukosten liegt auf Basis der vorliegenden Kalkulation bei etwa 78 Prozent. Das ist knapp, denn ab einem Wert von 80 Prozent empfiehlt der Landesrechnungshof einen Neubau.
Die Grünen empfahlen bereits im vergangenen August, über eine Verlagerung der IGS nach Ehrang nachzudenken (wir berichteten). Ein Vorstoß, der seinerzeit keinen Widerhall fand und ebenfalls heftig umstritten sein dürfte. Denn einen Umzug an einen rund zehn Kilometer entfernten Standort wird wohl den Protest zahlreicher Eltern nach sich ziehen. Dennoch griff vergangene Woche CDU-Fraktionschef Dr. Ulrich Dempfle den Grünen-Vorstoß bei einer Veranstaltung seiner Partei im HGT auf – und sprach von einer möglichen Option. „Ich weiß nicht, wie das gehen soll?“, kommentierte der Unionsmann die neuen Kostenschätzungen aus dem Rathaus und machte aus seiner Ratlosigkeit keinen Hehl. Während die Stadt in der Schuldiskussion fortdauernd auf den angespannten städtischen Etat verweist, muss eine Vorlage wie die zur IGS ins Kontor schlagen.
In der Verwaltung scheint man entschlossen, das Sanierungsvorhaben am Standort Wolfsberg umzusetzen: Weil eine Entscheidung des Landes über Art und Höhe einer Förderung noch nicht vorliege, habe man bereits einen „Antrag auf förderunschädlichen (sic!) Baubeginn“ gestellt. Weiter heißt es in der Vorlage: „Unabhängig von dieser Entscheidung ist die Stadt Trier gewillt, die unabweisbare Gesamtrealisierung (…) auch bei Nichtförderung sicherzustellen“.
von Marcus Stölb