„Wir werden keine Wahlgeschenke verteilen“

FDPRund 30 Liberale trafen sich am vergangenen Samstag, um die Kandidaten für die im Mai anstehende Stadtratswahl zu wählen. Kreischef Tobias Schneider sprach von der „stärksten jemals für Trier aufgestellten Liste“ seiner Partei und gab sich überzeugt, dass die Freidemokraten bei der Kommunalwahl gut abschneiden werden. Die Liste ist mit 56 Kandidaten tatsächlich gut gefüllt. Dass nur gut halb so viele Liberale zur Abstimmung erschienen, spielte im Bürgerhaus Trier-Nord keine weitere Rolle. Die FDP plagen ohnehin andere Sorgen: Nach einer schwierigen Wahlperiode und dem Rauswurf aus Landtag und Bundestag ist inzwischen fast die gesamte Spitze, mit der man 2009 in die Kommunalwahl zog, nicht mehr vertreten. Mit einem neuen Programm, neuen Gesichtern und teilweise markigen Worten wollen Triers Liberale wieder Boden gut machen.

TRIER. Dauerregen prasselt gegen die Fenster des Bürgerhauses in Trier-Nord. Es ist ein stürmischer Samstagnachmittag, an dem sich die Liberalen zum Parteitag treffen. Fast metaphorisch steht die Kulisse draußen für das schwierige Jahr, das die Trierer FDP hinter sich gebracht hat. Vom „9/11 des deutschen Liberalismus“ sprach gar Martin Neuffer in Anlehnung an die verlorene Bundestagswahl. Von schlechten Zeiten will aber allen voran der Vorsitzende Tobias Schneider nichts mehr wissen. Es soll vorwärts gehen, sein Optimismus ist unüberhörbar: Zwar werde es „ein harter Weg“, aber „ich glaube, dass die FDP am 25. Mai ein wesentlich besseres Ergebnis bekommen wird, als es heute alle erwarten.“ Dafür bekommt er tosenden Applaus. Auch die Konkurrenz durch neue Parteien wie die Piraten sieht der Vorsitzende im Gespräch am Rande des Treffens gelassen: „Wenn ich mir ansehe, wie die FDP hier auftritt, denke ich, dass wir gute Chancen haben, uns durchzusetzen. Weil wir die einzigen sind, die ganz klar keine Wahlgeschenke verteilen und eine pragmatische Politik wollen. Das honorieren die Menschen.“

Sichtbar bemüht sich Schneider in seiner Rede, die FDP als Vertreterin einer realistischen Politik zu positionieren – denn in Trier gebe es zwar „viel Wünschenswertes. Wir sind aber in der FDP – wir sind nicht diejenigen, die das Wünschenswerte tun, sondern das Notwendige.“ Konkret spielt er auf die Idee des fahrscheinlosen Nahverkehrs der Piraten an, aber auch Unionsspitzenkandidat Dr. Ulrich Dempfle dürfte sich aufgrund seiner 1-Euro-pro-Fahrschein-Offerte angesprochen fühlen: „Ich wünsche mir zwar einen kostenlosen ÖPNV in Trier, aber auch, dass unsere Kinder in Schulen gehen, die nicht verschimmelt sind.“

Es lohne sich nicht für die FDP, nicht finanzierbare Wahlversprechen zu machen. Stattdessen sieht Schneider seine Partei als einzige Vertreterin eines „klaren Konsolidierungskurses“; als politische Kraft, die auch vor Einsparungen nicht zurückschrecke. Im Klartext bedeutet dies, dass sich die Liberalen gerade in puncto Schulpolitik von Forderungen aus einzelnen Stadtteilen absetzen wollen: „Es ist mir lieber, eine gut ausgestattete Schule zu haben, in die Kinder aus verschiedenen Stadtteilen gehen, als viele schlecht ausgestattete Schulen für jeden einzelnen Stadtteil.“

Zudem macht Schneider in der kommunalen Wirtschaftspolitik ein Betätigungsfeld der Liberalen aus, „Investorenfreundlichkeit und kurze Wege“ seien schließlich immer klare FDP-Kompetenzen gewesen. Dabei spielt er auf die viel diskutierte und vorerst gescheiterte Ansiedlung eines ECE-Einkaufszentrums an: „Wir haben auch kritisiert, wie sich eine Hamburger Firma hier ansiedeln wollte“, erinnert Schneider, „aber wir sagen auch ganz klar: Wenn hier Investoren etwas einbringen wollen, dann sollten wir uns darüber intensiv unterhalten, anstatt von Anfang an den Stab über diese Leute zu brechen. Konkurrenz und Wettbewerb gehört für uns als Liberale zu einem vernünftigen und attraktiven Wirtschaftsleben dazu.“ Wieder folgt lauter Applaus – Schneider begeistert die Trierer FDP, seine eher nüchterne Art steht im dabei nicht im Weg. Mit 22 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme bestätigen ihn die Liberalen anschließend auf dem ersten Platz. Von der momentanen FDP-Fraktion im Stadtrat tritt außer ihm lediglich Dr. Karl-Josef Gilles an, allerdings eher symbolisch auf Listenplatz 56. Die für den Stadtrat potenziell neuen Gesichter nutzen daher die Gelegenheit, sich bis Listenplatz 10 allesamt persönlich vorzustellen.

Martin Neuffer: Quoten-Frauen spielen im Ausschuss Sudoku!

So auch der mit 22 Ja-Stimmen auf den aussichtsreichen Platz 2 bestätigte Martin Neuffer. Wie Schneider lehnt er Dempfles Vorschlag eines preisgünstigeren Nahverkehrs vehement ab: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses ‚billig‘ die ganze Parteienlandschaft widerspiegelt. Wir können da nicht mithalten. Denn das Geld wächst in Trier nicht auf den Bäumen, das muss verdient werden!“ Seine Rede ist ansonsten weitgehend frei von kommunalen Themen, vielmehr dreht sich bei ihm alles um das große Thema Freiheit. Diese sieht er auch durch Frauenquoten bedroht: „Ich kann es nicht mehr hören, dass alles quotiert werden muss“, echauffiert sich der 46-Jährige und erhält flugs den begeisterten Applaus seiner liberalen Mitstreiter. Eigene Erfahrungen im Schulträgerausschuss würden seine Meinung bestätigen; die dort über eine Quote hinein gekommenen Frauen spielten während der Sitzungen Sudoku und mit dem Handy. Natürlich sei er aber nicht gegen Frauen in der Politik – denn „allein unter Männern macht’s keinen Spaß, sonst hätte ich gleich in meiner Studentenverbindung bleiben können.“

Diese Bemerkung sorgt bei den spärlich verteilten Frauen im Saal nicht für begeisterte Gesichter. Auf der neuen Liste der Trierer Liberalen finden sich immerhin drei von ihnen unter den ersten zehn Listenplätzen. Wirkliche Hoffnungen kann sich wohl nur die in der Gastronomie arbeitende Politologin Katharina Hassler machen. Ihr dritter Listenplatz gilt noch als einigermaßen aussichtsreich, sollte die Partei kein absolutes Wahldebakel einfahren. Schneider selbst bot der 30-Jährigen diesen Platz an – eine durchaus mutige Entscheidung. Denn politisch gilt sie als unbeschriebenes Blatt: Außer einem Praktikum bei der Fraktion und Mitarbeit in der Hochschulpolitik kann sie kaum Erfahrungen im aktiven Politikbetrieb vorweisen. Nichtsdestotrotz gab sie sich kämpferisch: „Nach der Bundestagswahl habe ich mir gedacht: Jetzt erst recht!“ – das kommt an im Saal. Einige Liberale befragen sie nach der kurzen Vorstellung zu ihren kommunalpolitischen Interessen: „Verkehr und Infrastruktur würden mich interessieren“, gibt sie zu Protokoll, grundsätzlich sei sie aber für vieles offen. Dabei möchte sich Hassler auch schon mal präventiv des Eindrucks erwehren, lediglich die „Quotenfrau“ zu sein: „Ich denke, dass ich in Sitzungen nicht Sudoku spielen werde.“

Für die Jungen Liberalen treten Helmut Berka (Platz 6) und Laura Marquardt (Platz 7) an. Der 24-jährige Berka, der nach einem abgebrochenen Studium zur Zeit eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann absolviert – „das Studium war mir zu wissenschaftlich“ – sieht seine Themenschwerpunkte vor allem im Bereich Stadtentwicklung „und den klassischen JuLi-Themen wie der städtischen Verbotspolitik.“ Obwohl auch er wie alle anderen Kandidaten mit 16 Ja-Stimmen eine absolute Mehrheit bekommt, verbucht die hinter ihm platzierte Psychologiestudentin Laura Marquardt mit 22 Ja-Stimmen ein deutlich besseres Ergebnis.

Fast könnte man in Anbetracht dieser Aufstellung denken, die Liberalen bestünden nur noch aus Menschen unter 50 Jahren. Den Kontrast zu der im Durchschnitt relativ jungen Aufstellung markiert der Tarforster Wolfgang Schaab auf Listenplatz 5. Der 73-jährige Architekt zählt zu den Urgesteinen der Partei und vertrat diese auch schon mehrfach im Stadtrat – seit insgesamt 39 Jahren ist er aktiv dabei. Damit sind er und Hartmut Rudat die einzigen Kandidaten unter den ersten 10 Listenplätzen, die älter als 50 Jahre sind. Tobias Schneider sieht die Altersstruktur aber nicht als Nachteil, sondern als „tolles Signal: Die FDP wird überall tot geredet und wir zeigen hier ganz deutlich, dass wir eine sehr junge Truppe sind, die es schafft, mit der stärksten jemals für Trier aufgestellten Liste aufzutreten. Das können viele andere nicht von sich behaupten.“

Der Parteitag verläuft nach der Vorstellung der ersten 10 Plätze weitgehend routiniert, weitere Vorstellungen werden nicht gewünscht. Zwischenzeitlich verlassen auch immer wieder einzelne die Veranstaltung. Dann, gegen Ende der Abstimmungen, lässt sogar der Regen nach. Auch wenn die Sonne noch nicht so recht hervorkommen möchte.

Die Ergebnisse für die Listenplätze 1 – 10 im Einzelnen:

1. Tobias Schneider: 22 von 23 gültigen Stimmen
2. Martin Neuffer: 22 von 24 gültigen Stimmen
3. Katharina Hassler 24 von 25 gültigen Stimmen
4. Jürgen Erfurth: 20 von 25 gültigen Stimmen
5. Wolfgang Schaab: 22 von 24 gültigen Stimmen
6. Helmut Berka: 16 von 23 gültigen Stimmen
7. Laura Marquardt: 22 von 24 gültigen Stimmen
8. Sven Dahmen: 19 von 24 gültigen Stimmen
9. K. Braun-Hülsmann: 20 von 24 gültigen Stimmen
10.Hartmut Rudat: 22 von 24 gültigen Stimmen

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