Keine Mehrheit für Juncker in „Trierer Runde“

Für Triers Ehrenbürger Jean-Claude Juncker war 2013 ein politisches „Annus horribilis“: Erst zerbrach seine Koalition, weshalb es in Luxemburg Neuwahlen gab. Dann sorgte das neu formierte Gambia-Bündnis dafür, dass Xavier Bettel den mehr als 18 Jahre regierenden Premier ablöste. 2014 könnte für Juncker wieder besser laufen, der Luxemburger wird erneut als Kandidat für höchste Brüsseler Ämter gehandelt, etwa das des EU-Kommissionschefs. Kanzlerin Angela Merkel will dies angeblich verhindern. Auch auf Triers Bundestagsabgeordnete kann Juncker kaum zählen. Allein Bernhard Kaster hält den Luxemburger für eine „absolute Idealbesetzung“, Katarina Barley und Katrin Werner haben andere Favoriten, Corinna Rüffer hält sich bedeckt.

TRIER. Im Juni 2007 hatte Jean-Claude Juncker einen seiner unterhaltsameren Auftritte. Als Festredner zur Eröffnung der großen Konstantin-Ausstellung trat der Luxemburger auf, in der nach dem römischen Imperator benannten Basilika erheiterte er seine Zuhörer. „Eigentlich war er ein höchst unsympathischer Kerl“, befand Juncker mit Blick auf den Kaiser, der Trier zu seiner Residenz erkor; man müsse „viel getan haben, damit die Trierer einem eine solche Ausstellung widmen“, spielte er auf Konstantins Brutalität an, die bekanntlich auch vor Mitgliedern der eigenen Familie nicht halt machte. Es dauerte nicht lange, da war Juncker bei sich angekommen: Er sei „froh, dass man Ehrenbürger dieser Stadt werden kann, ohne kriminelle Energie“.

Seit 2003 ist Juncker Ehrenbürger der Moselstadt, diesen Titel wird dem 59-Jährigen wohl auch niemand mehr nehmen; anders etwa als das Amt, das der Konservative mehr als 18 Jahre ausübte – so lange, dass sich in- und außerhalb seiner Partei und seines Landes fast niemand mehr vorstellen konnte, es könne mal jemand anderes die Geschicke Luxemburgs vom Krautmarkt, wo sich der Amtssitz des Premiers findet, lenken. Doch dann geriet Juncker in den Strudel einer Geheimdienstaffäre, die er – gelinde gesagt – sehr suboptimal gemanagt hatte. Seine Koalition zerbrach, es gab Neuwahlen und nun gibt es ein Gambia-Bündnis mit dem Liberalen Xavier Bettel an der Spitze. Der Ex-Premier wechselte ins Parlament und gibt nun den Oppositionsführer. Dass aber einer von Junckers Format an dieser Rolle Gefallen finden wird, scheint in etwa so wahrscheinlich wie ein Wechsel Merkels vom Berliner Kanzler- ins Landratsamt der Uckermark in Prenzlau.

Deshalb schickt sich Juncker nun an, nach Brüssel zu wechseln. Es ist nicht das erste Mal, dass der Luxemburger für einen hohen EU-Posten gehandelt wird. Einmal sollte er und wollte nicht. Dann wollte er ständiger Präsident des Europäischen Rats werden, durfte aber nicht – Merkel und dem damaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy war der große Europäer aus dem kleinen Mitgliedsland schlicht zu selbstbewusst, weshalb Herman van Rompuy das Amt bekam und nicht wirklich ausfüllte. Vor wenigen Wochen nun erklärte Juncker gegenüber der Pariser Le Monde, er stehe für die Spitzenkandidatur der Europäischen Volksparteien (EVP) zur Verfügung, wenn man ihn denn frage. Es gilt als ausgemacht, dass der Spitzenkandidat der nach den Wahlen stärksten Kraft die Führung der Kommission übernimmt. Merkel jedoch soll wieder nicht erbaut sein von den Ambitionen des Luxemburgers und angeblich versuchen, dessen Comeback auf europäischer Bühne zu vereiteln; schreibt der Spiegel, der vor wenigen Wochen allerdings auch gewusst haben will, dass ein gewisser Frank-Walter Steinmeier nicht wieder Außenminister wird.

In der „Trierer Runde“, dem informellen Kreis der Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis, hält sich die Begeisterung für einen EU-Kommissionschef Juncker allerdings nachweislich in Grenzen, wie eine Umfrage ergab.

Bernhard Kaster (CDU): „Jean-Claude Juncker wäre für mich die absolute Idealbesetzung. Denn wir brauchen hier mehr denn je eine Persönlichkeit mit politischem Gewicht, ja auch ein Gesicht mit Glaubwürdigkeit und hoher Anerkennung, letzteres nicht nur bei Politikern, sondern vor allem bei den Menschen in Europa. Neben seiner unbestreitbaren Kompetenz und Erfahrung würde auch seine Bodenhaftung und sein Humor der EU nach innen und außen gut tun. Europa ist für ihn Herzenssache, es wäre nicht schlecht, wenn das auch wieder rüber käme. Wir Trierer wissen doch am besten, wie wertvoll gerade unsere luxemburgischen Freunde für Europa sind und immer waren.“

Dr. Katarina Barley (SPD): „Jean-Claude Juncker ist ein überzeugter Europäer und erfahrener Staatsmann. Er steht allerdings für ein Europa der Regierungschefs und nicht für ein demokratischeres Europa, wie wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten es fordern. Die Bürgerinnen und Bürger müssen mehr Einfluss auf Europa bekommen, die Macht der nationalen Regierungen muss verringert werden. Dafür steht Martin Schulz. Der jetzige Präsident des Europäischen Parlaments würde deshalb den deutlich besseren Kommissionspräsidenten abgeben und ich hoffe, dass er dazu im nächsten Jahr gewählt wird.“

Katrin Werner (Die Linke): „Man muss Jean-Claude Juncker zu Gute halten, dass er ein wahrer Europäer und sichtbar um die Einheit und Zukunft Europas bemüht ist. Seine Personalie ist unter den konservativen Kandidaten die Beste. Gerade weil Jean-Claude Juncker selbst nicht für einen so stark ausgeprägten neoliberalen Kurs steht, wie ihn José Manuel Barroso und Herrman van Rompuy durchführten. Jedoch ist für uns als Linke dieser Vorschlag nicht zufriedenstellend oder gar tragbar, weil seine Politik nicht an einem friedlichen und sozial gerechten Europa orientiert ist. Meine Partei und ich unterstützen die Kandidatur von Alexis Tsipras für die Kommissionspräsidentschaft, da er Europa auf gemeinsamen Standards der Sozial-, Friedens- und Arbeitsmarktpolitik aufbauen will und die EU nicht nur als Geldgemeinschaft versteht.“

Corinna Rüffer (B90/Die Grünen): „Jean-Claude Juncker ist einer der profiliertesten Europapolitiker. Ich teile seine Sorge, dass nach der Wahl im Mai EU-feindliche Kräfte ihren Einfluss im Parlament ausweiten könnten. Umso wichtiger ist es, das Vertrauen der Menschen in die Europäische Union zurückzugewinnen. Es ist zu hoffen, dass Juncker als ehemaliger luxemburgischer Premierminister gerade bei den bevorstehenden Aufgaben im Rahmen der Bankenkrise seinen Erfahrungsschatz zum Wohle einer solidarischen EU einbringen kann.“

Eine Mehrheit hätte der Luxemburger also nicht einmal unter den hiesigen Bundestagsabgeordneten, so weit geht der großregionale Lokalpatriotismus dann doch nicht; wobei der Stolz über einen Trierer Ehrenbürger an der EU-Spitze wohl wieder parteiübergreifend wäre, sollte es Juncker doch noch schaffen. Im Nachbarland scheint man derweil wenig amüsiert von der angeblichen Haltung Merkels. Der designierte Parteivorsitzende der Christsozialen des Großherzogtums, Marc Spautz, soll bereits erste Konsequenzen gezogen haben. Wie das Lëtzebuerger Journal berichtet, tauschte Spautz sein Titelbild auf Facebook aus. Das vorherige habe den Konservativen noch mit der Kanzlerin gezeigt, schreibt das Blatt.

(Anm. d. Red.: Da dachten wir schon, die Kanzlerin höchstselbst hätte am Silvesterabend das Theater Trier besucht und berichteten anfangs auch entsprechend, und dann war es wohl doch nur eine Doppelgängerin. Hätte uns auch gewundert.)

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