Keime nur durch Räumung zu bekämpfen

Schwester Nadine Mühlen bei dem Säugling, der wohl der Auslöser für die Keimbesiedlung sechs weiterer Babys war. Foto: Christian JörickeAn sieben Frühgeborenen wurde im Mutterhaus in den vergangenen Wochen der Keim Serratia marcescens festgestellt. Auslöser war ein infiziertes Baby, das inzwischen erfolgreich dagegen behandelt wurde. Weil mit den bisherigen Desinfektions- und Vorsichtsmaßnahmen der Keim nicht beseitigt werden konnte, werden die Kinder-Intensiv- und die Frühgeborenenstation vorübergehend für Neuaufnahmen geschlossen. Über die Folgen und den aktuellen Stand informierten am Montagnachmittag Vertreter des Krankenhauses und des Gesundheitsamtes.

TRIER. Keime sind überall – im Boden, in der Luft, in Lebensmitteln sowie auf und im Menschen. Für gesunde Menschen sind sie in der Regel unschädlich. Selbst ein Großteil der Keime, die Krankheiten verursachen können, kann oft sogar nützlich sein. Viele Bakterien helfen, ein funktionierendes Immunsystem zu entwickeln und gesund zu bleiben.

Bei einer geschwächten oder noch nicht entwickelten Körperabwehr können Keime im Extremfall jedoch lebensgefährlich werden. Für Aufsehen sorgte der Tod eines Säuglings in der Berliner Charité im vergangenen Jahr. Es starb an einer Infektion mit Serratia marcescens, der nun auch bei frühgeborenen Babys im Mutterhaus festgestellt wurde. Der Keim kann Harnwegs- und Atemwegsinfekte, Wundinfektionen und Sepsis (Blutvergiftung) auslösen, lässt sich aber gut mit Antibiotika bekämpfen.

Erreger der Gattung Serratia sind immer wieder ein Problem auf Intensivstationen oder in Kinderkliniken, weil es dort schwierig ist, eine hundertprozentige Keimfreiheit zu gewährleisten. Wenn einem Kind schnell geholfen werden muss, wird beispielsweise nicht immer die Einwirkzeit des Desinfektionsmittels eingehalten.

Im Mutterhaus ist man laut medizinischem Geschäftsführer Dr. Oliver Kunitz zum ersten Mal von einem solchen Fall betroffen. Weil es daher noch nicht viel Erfahrung damit gibt, wurde Dr. Harald Michels vom Trierer Gesundheitsamt hinzugezogen. „Serratia ist ein weitverbreiteter Keim“, erklärt Michels. „Er kann über Monate auf Flächen überleben.“ Das Klinikum habe bisher alles getan, um eine Weiterverbreitung zu verhindern. „Der Keim ist nun aber nur durch einen Aufnahmestopp in den Griff zu bekommen.“

Mitte August wurde bei einem extrem frühgeborenen Baby, das gerade einmal gut 700 Gramm wog, eine Serratia-Infektion festgestellt. Daraufhin wurde eine strenge Handschuh- und Kittelpflege angeordnet. Ende August bemerkte man bei zwei weiteren Frühchen eine Besiedlung mit diesen Mikroben. Die drei Babys wurden infolgedessen räumlich isoliert. Nach fast einem Monat ohne neuen Fall konnten bei einem vierten Kind Keime nachgewiesen werden. Nachdem es in den vergangenen Wochen trotz verschärfter Hygienemaßnahmen zu drei weiteren Neubesiedlungen kam, entschied das Klinikum, die Kinder-Intensiv- und die Frühgeborenenstation für Neuaufnahmen zu schließen.

Dr. Harald Michels vom Trierer Gesundheitsamt sowie Dr. Oliver Kunitz und Dr. Wolfgang Thomas vom Mutterhaus informierten auf einer Pressekonferenz über das Keimproblem auf der Kinder-Intensiv- und der Frühgeborenenstation. Foto: Christian Jöricke„Es wird zwei bis drei Monate dauern, bis die Stationen leer sind“, sagt Dr. Wolfgang Thomas, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin im Mutterhaus. Derzeit befinden sich noch 13 Kinder auf der Intensiv- und 15 auf der Frühgeborenenstation. Wenn sie entlassen sind, sollen die Räume mit einer Spezialdesinfektion (Formaldehydverdampfung) keimfrei gemacht werden.

Da das Mutterhaus als einziges Krankenhaus im Großraum eine hochspezialisierte Versorgung für Mutter und Kind anbietet – ein sogenanntes Perinatalzentrum Level 1 (höchste Versorgungsstufe) -, stellt die Schließung der Stationen einen vorübergehenden Engpass für die Betreuung und Behandlung von Früh- und Risikoneugeborenen dar. Jährlich kommen dort 50 Babys mit einem Gewicht unter 1500 Gramm zur Welt. Betroffene müssen daher falls möglich in entsprechend ausgestattete Krankenhäuser nach Kaiserslautern, Saarbrücken oder Koblenz ausweichen, Frauen ab der 32. Schwangerschaftswoche können im Verbundkrankenhaus Wittlich betreut werden, das einen perinatalen Schwerpunkt hat.

„Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern“, so Thomas. In Notfallsituationen – in denen ein längerer Transport gefährlich sei – werde man jedoch weiter Kinder entbinden und versorgen. Dazu wird gerade eine Ausweichstation in der ehemaligen Kinder-Intensiv-Station eingerichtet, die bis Ende nächster Woche in Betrieb genommen werden soll. Diese liegt in einem anderem Gebäudeteil und wird von Personal betreut werden, das nicht mit den besiedelten Kindern in Kontakt kommt.

„Für Normalgebärende gibt es keinen Grund, nicht zu uns zu kommen“, versichert Dr. Oliver Kunitz. Das Neugeborenenzimmer und die Wöchnerinnenstation sind nicht von dem Keimproblem betroffen.

Die derzeit sechs besiedelten Frühchen – ein Kind konnte bereits gesund entlassen werden – liegen isoliert in einem Zimmer. Infiziert ist keines (mehr). Wegen ihrer körperlich schwachen Verfassung rechnet Kunitz damit, dass sie zu den Letzten gehören werden, die das Krankenhaus verlassen dürfen.

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