„Soziale Netzwerke allein sind nicht alles“

Wenn in Trier bei einer Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent Adjektive wie „sehr beachtlich“ und „schön“ fallen, dann handelt es sich wahrscheinlich um ein jugendpolitisches Feld. Denn zumindest im Vergleich zu anderen Städten oder gar den Hochschulwahlen an der Uni hat das Trierer Jugendparlament (JuPa) damit noch ein vergleichsweise starkes Votum im Rücken. Dessen Vorstand zog jetzt eine Bilanz der ersten Legislaturperiode. Die Jungparlamentarier zeigen sich insgesamt zufrieden mit dem Erreichten, wenn auch durchaus einige selbstkritische Töne zu vernehmen waren. Für die nächste Legislaturperiode, für die im November ein neues Parlament gewählt wird, wünscht man sich mehr Unterstützung – vor allem von Seiten der lokalen Medien, welche die Arbeit des JuPas immer stärker vernachlässigt hätten.

TRIER. Die Vertretung der Trierer Jugend kommt in der politischen Welt der Erwachsenen an – das ist die zentrale Botschaft, die man auf der eigens anberaumten Pressekonferenz vor den Neuwahlen im November zu vermitteln versucht. So zeigt sich Jugenddezernentin Angelika Birk (B90/Die Grünen) begeistert über die „sehr konstruktive Zusammenarbeit“ mit den Vertretern des Jugendparlaments. Das JuPa setzte sich unter anderem durch Plakataktionen für die Verbreitung von Fahrradhelmen unter Jugendlichen ein und organisierte neben einem Open-Air Kino auch alkoholfreie Partys für unter 16-Jährige. Auch harter Politikalltag scheint den Jungpolitikern nicht fremd: Von den 22 gewählten Jugendlichen sei über deren Mitarbeit in Ausschüssen und Auftritten im Stadtrat viel Wichtiges beigetragen worden, so Angelika Birk. Beispielsweise erarbeitete das JuPa eigene Konzepte zu umstrittenen Themen wie der Trierer Weiberfastnacht oder zur Schulentwicklung. Dabei fühlt man sich offensichtlich von der Stadt durchaus ernst genommen, von Enttäuschung ist zumindest auf der Pressekonferenz nichts zu spüren.

In anderen Fällen ist der tatsächliche Einfluss jedoch eher marginal. So sitzen die Jugendlichen mit je einem Parlamentsmitglied im Jugendhilfe- und im Schulträgerausschuss des Stadtrats. Ein Rederecht haben die Mitglieder zwar, aber ein konkretes Stimmrecht verwehrt die Stadt den Jugendlichen dann doch lieber. Dass der Spaß an der Politik in Anbetracht vieler ernster Themen und damit verbunden auch viel Arbeit nicht zu kurz kommt, zeigen die Resümees der Jungpolitiker. So berichtet Nina Regenhardt, 15 Jahre alt und stellvertretende Vorsitzende des JuPas, dass es „eine schöne Arbeit“ sei, „weil man mit Leuten zusammen ist, die auch was verändern wollen.“ Auch Vorstandsmitglied René Mannola pflichtet dem bei, denn „das macht meiner Meinung nach die Arbeit im JuPa aus: Dass man diesen Mix aus Spaß und Arbeit hat.“

Die jungen Abgeordneten sind allerdings auch zu selbstkritischen Tönen fähig. So konstatiert Louis-Philipp Lang, 18 Jahre alt und Vorsitzender des JuPas, dass das Parlament eigentlich als vollkommen offene Einrichtung konzipiert sei, die zu jedem Treffen und zu jeder Sitzung andere Jugendliche eingeladen hätte. Jeder sollte hier – unabhängig von Mandat und Mitgliedschaft – Vorschläge und Idee einbringen können. „Das ist ein bisschen untergegangen und schade“, gesteht er ein. Von den 22 gewählten Parlamentariern kamen so auch nur um die 15 bis 18 Mandatsträger zu den öffentlichen Sitzungen – was allerdings in Anbetracht mancher Anwesenheitsraten in der großen Politik eine recht gute Quote sei, wie Angelika Birk betont. Laut Vorstand soll das Prinzip der Offenheit für Jedermann für die nächste Legislaturperiode wieder besser umgesetzt werden. Lang sieht hier auch die Presse am Zug, die der einhelligen Meinung nach die Berichterstattung über das JuPa vernachlässigt und somit nicht zu dessen Reichweite beigetragen habe: „Es ist immer schwer, die Aufmerksamkeit der Presse zu bekommen – gerade in einer Stadt, in der politisch so viel los ist wie in Trier. Und soziale Netzwerke allein sind nicht alles, damit erreicht man vielleicht 100, 120 Leute, nicht die breite Masse.“

Viel gelernt haben die engagierten Jugendlichen dennoch, auch und gerade im Umgang mit finanzieller Verantwortung. So mussten die gewählten Mitglieder mit einem festgelegten Budget von 5.000 Euro umgehen – nur die Hälfte gaben sie tatsächlich aus. Auch fordert die politische Arbeit nicht zuletzt die eigenen Ansichten und Überzeugungen heraus: „Über manche Themen denkt man anders als noch vor 2 Jahren“, gibt Nina Degenhardt unumwunden zu. Überhaupt scheint das JuPa bei einigen Akteuren zu einer stärkeren Politisierung zu führen, obwohl Parteizugehörigkeiten für die Wahl keinerlei Rolle spielen sollen. Im Gegensatz zum Beginn der Legislatur engagieren sich mittlerweile sieben der Jungparlamentarierer auch in Parteijugendorganisationen. „Daran sieht man, wie dieses Projekt junge Menschen dauerhaft an den politischen Meinungsbildungsprozess bindet“, konstatiert Lang, der selber in der Jungen Union aktiv ist. Von einer „Parteischmiede“ sieht Geschäftstellenleiter Christoph Löw das JuPa jedoch weit entfernt, und auch Lang gibt sich distanziert: „Die Parteien haben sich da immer raus gehalten. Im JuPa gibt es keine politische Werbung. Und wir streben hier nicht nach Ämtern.“

Schließlich lässt auch die Konzeption als Personenwahl keine klare Zuordnung zu Parteien zu. Bei der nächsten Abstimmung im November werden 6450 Trierer Jugendliche im Alter zwischen 10 und 17 Jahren über ihre Favoriten abstimmen können. Jeder der Wahlberechtigten hat drei Stimmen, die verteilt oder auf einen Kandidaten gebündelt werden können. Wahlvorschläge können bis zum 23. Oktober eingereicht werden, wählen dürfen die Jugendlichen dann am 20., 21., 26. und 29. November in den weiterführenden Schulen sowie einem Wahllokal. Viele der jetzigen Mitglieder wollen wieder antreten, auch Nina Regenhardt und René Mannola wollen sich noch einmal zur Wahl stellen. Louis-Philipp Lang dagegen wird nicht mehr auf den Wahlzetteln stehen, mit 18 Jahren ist er schlicht zu alt geworden.

Weitere Informationen zur Wahl sind unter http://www.jugendwahl-trier.de zu finden.

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