„Jensen hat sich blenden lassen“

RheinGalerieLudwigshafenDass die Grünen neue Shopping-Passagen in Trier ablehnen, ist keine Überraschung. Früh schon hatten Partei und Fraktion ihren Widerstand gegen das ECE-Vorhaben erklärt – womit man sich in seltener Eintracht mit Kammern und Einzelhandelsverband weiß. Auf einer Mitgliederversammlung wurde indes nicht nur Kritik an dem eigentlichen Vorhaben laut, auch der OB geriet heftig unter Beschuss. Klaus Jensen habe sich von ECE „blenden lassen“, werde fremdgesteuert vom „Überschriftenproduzenten“ Dr. Johannes Weinand, dem Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, mutmaßte Ratsmitglied Corinna Rüffer. Ihr Kollege Richard Leuckefeld sieht Chancen, dass die für den 3. Juli geplante Entscheidung über eine Entwicklungsvereinbarung mit ECE erneut vertagt werden könnte. Derweil müssen sich die Grünen nach einer neuen Spitze umschauen – Kreisvorstandschef Rainer Landele trat nach nur fünf Monaten im Amt zurück. 

TRIER. „Mainz ringt ECE große Zugeständnisse fürs Lu-Center ab“, titelte diese Woche die in Wiesbaden erscheinende Immobilien-Zeitung. „ECE hat sich nicht nur in praktisch allen entscheidenden Punkten durchgesetzt, dem Investor wurden sogar noch Wünsche erfüllt, denen nicht nur die Leitlinien, sondern zusätzlich noch die Gutachten entgegenstehen“, konterte die „Bürgerinitiative Ludwigstraße“, die den Protest gegen das nunmehr mit 31.000 Quadratmetern Verkaufs- und Gastronomiefläche geplante Vorhaben anführt. 2017 soll die Shopping-Passage stehen, neben Koblenz, Kaiserslautern und Ludwigshafen wäre ECE dann auch in der Landeshauptstadt präsent. Fehlt unter den fünf größten Städten von Rheinland-Pfalz eigentlich nur noch Trier, doch hier haben die Hamburger Projektentwickler ihre erste große Hürde noch vor sich.

Diese Hürde wäre genommen, wenn denn die zwischen dem Stadtvorstand und ECE ausgehandelte Entwicklungsvereinbarung in ihrer derzeitigen Fassung weitgehend unverändert unterzeichnet würde. Am 3. Juli soll der Rat hierüber beraten, doch es mehren sich die Anzeichen dafür, dass eine Entscheidung nicht mehr vor der Sommerpause fallen wird. So hat die FWG bereits deutlich gemacht, dass sie eine Vorfestlegung auf nur einen Investor für bedenklich hält (wir berichteten). Nach Informationen von 16vor hält sich auch in der CDU bei vielen die Begeisterung in Grenzen, von zwei Lagern ist dort die Rede. CDU-Kreischef Bernhard Kaster will derartige Darstellungen nicht kommentieren, kündigt aber an, dass Fraktion und Vorstand seiner Partei in einer Sondersitzung in der kommenden Woche das Thema ECE beraten werden. Dass, anders als seinerzeit bei der Trier-Galerie, Kammern und Akteure wie die City-Initiative oder der Einzelhandelsverband Sturm gegen das ECE-Projekt laufen, dürfte die Kommunalpolitiker nicht unbeeindruckt lassen. Schließlich stehen Ende Mai kommenden Jahres Stadtratswahlen an, und auch ein neuer OB wird 2014 gewählt.

Ob der amtierende Stadtchef dann wieder antreten wird, hat er bislang noch offen gelassen. Sollte Klaus Jensen aber wieder kandidieren, dürften ihm große Teile der Grünen wohl die Unterstützung versagen. Darauf deuteten zumindest zahlreiche Wortmeldungen hin. Zwar gab es aus den Reihen der Umweltpartei schon in der Vergangenheit immer wieder Kritik am Stadtchef, doch selten trat sie derart geballt auf, wie am Dienstagabend. Jensen habe die Entwicklungsvereinbarung mit ECE „hoppla hopp“ durchsetzen wollen, erklärte Richard Leuckefeld, „die Stadtratsfraktionen sollten das einfach so schlucken“. Das Ratsmitglied nahm sodann den Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik ins Visier: „Weinand hat das so vorgebracht, als wäre er ein Angestellter von ECE“, schilderte Leuckefeld seine Eindrücke von einer Sitzung im April, in der Vertreter der Fraktionen erstmals über die Gespräche zwischen dem potenziellen Investor und der Stadt informiert wurden.

Inzwischen ist die Debatte voll im Gange und die Grünen wähnen sich an einem ersten Etappenziel: Jensen entschied sich dafür, die Entwicklungsvereinbarung vom Stadtrat öffentlich diskutieren zu lassen. Das sollte Ende Mai geschehen, doch weil der Entwurf der Vereinbarung den Fraktionen erst kurz zuvor zur Verfügung gestellt worden war, plädierten diese für eine Vertagung auf Juli. Dem kam Jensen nach, doch nun könnte auch dieser Termin auf der Kippe stehen. „Die Chancen sind nicht allzu schlecht, dass die Entwicklungsvereinbarung vorerst nicht verabschiedet wird“, deutet Leuckefeld die Signale aus anderen Fraktionen. Die Grünen jedenfalls verlangen, „jetzt keine Verträge mit einem einzelnen Investor“ abzuschließen. Eine Erweiterung der Verkaufsfläche um 25.000 Quadratmeter lehne man grundsätzlich ab, eine Shopping-Mall habe „immer zur Folge, dass gewachsene Einkaufsstraßen austrocknen“. Weil der Trierer Einzelhandel aber auch ohne ein oder gar zwei neue Center bereits „mit dem Rücken zur Wand steht“ (O-Ton Leuckefeld), solle ein unabhängiges und von der Stadt finanziertes Gutachten Wege aufzeigen, den Standort zu stärken. „Unsere Kommunalpolitik ist davon geprägt, den bestehenden Handel zu schützen und Neugründern eine Chance zu geben“, so Leuckefeld. „Wir sind nicht ganz ergebnisoffen“, brachte Vorstandsmitglied Wolf Buchmann die Position auf den Punkt; „wir brauchen nicht so ein Monster“, ECE sei „kein Investor, der Interesse an einer Entwicklung der Stadt hat“.

Sodann trugen die Grünen Eulen nach Athen. Denn dass sich im Saal jemand gefunden hätte, der dem ECE-Engagement in Trier etwas Positives abgewinnen könnte, stand nicht zu erwarten. So bestätigte man sich stattdessen vielmehr gegenseitig in den Argumenten gegen das Projekt und verwies auf Beispiele aus Koblenz, Kaiserslautern und Mainz. Bemerkenswerter war deshalb die Verve, mit der man die Stadtspitze und allen voran Jensen attackierte. Der habe versucht, „absolut in Schröer-Manier“ zu handeln, befand etwa Rainer Landele, der dieser Feststellung sogleich hinterher schickte: „Aber Schröer konnte es besser, und er hatte die Mehrheit“. Landele, der noch am selben Abend wegen „Konflikten innerhalb des Vorstands“ seinen Rücktritt als Kurzzeit-Kreisvorstandssprecher ankündigte, drohte den Sozialdemokraten: Wenn diese weiterhin „so stillschweigend“ blieben, „wird der große Hammer rausgeholt“.

Corinna Rüffer warf derweil die Frage auf, ob der OB möglicherweise fremdgesteuert sein könnte: „Wer hat den Hut auf?“ Diese Bemerkung bezog sich weniger auf ECE denn auf Johannes Weinand. Der „Überschriftenproduzent“habe den OB überzeugt, mutmaßte Rüffer, und „Jensen hat sich blenden lassen“. Zudem sei auffällig, dass es „eigentlich immer“ SPD-Oberbürgermeister gewesen seien, in deren Städten sich ECE angesiedelt habe. Die Sozialdemokraten seien wohl „ein wenig konsumorientiert“, so Rüffer.

Mögen führende Vertreter der Grünen auch etwas anderes behaupten – für die drittstärkste kommunalpolitische Kraft der Stadt ist das Thema ECE eine Steilvorlage für die anstehenden Wahlkämpfe. Während man mit Bürgermeisterin Angelika Birk im Stadtvorstand bislang nicht zu glänzen vermochte und fürchten muss, für diese Personalie bei der Kommunalwahl die Quittung zu bekommen, lässt sich mit dem Widerstand gegen ein Shopping-Center die eigene Anhängerschaft bestens mobilisieren; zumal die Gefechtslage eine völlig andere ist als seinerzeit bei der von den Grünen ebenfalls abgelehnten Trier-Galerie oder dem Alleencenter.

Allerdings hat die Partei derzeit auch hausgemachte Probleme, und so einträchtig man sich beim Tagesordnungspunkt „ECE“ zeigte – beim TOP „Nachwahlen“ war es damit vorbei. Nach nur fünf Monaten im Amt hatte Kreisvorstandssprecher Rainer Landele seinen Rücktritt erklärt – wegen „Konflikten innerhalb des Vorstands“, so Landele. Die Doppelspitze mit der wesentlich jüngeren Sarah Jakobs ist damit passé. Statt Landele sollte es nun Wolf Buchmann richten. Doch weil dieser bislang Schatzmeister war, er dieses Amt aber nicht in Personalunion mit der Funktion des Sprechers ausüben darf, musste er vorher von seinem Amt als zurücktreten, um überhaupt zur Wahl antreten zu können. Die Satzung der Grünen sieht vor, dass wenn die Hälfte des Vorstandes oder zwei Personen aus dem geschäftsführenden Vorstand zurücktreten, auf der darauffolgenden Mitgliederversammlung das gesamte Gremium neu zu wählen ist. Von einem „rein satzungsgemäßen Vorgang“ ist nun die Rede, doch am Ergebnis ändert das erst einmal wenig:Binnen eines halben Jahres müssen die Grünen erneut eine Spitze wählen, nur wenige Monate vor der Bundestagswahl und kein Jahr vor den wichtigen Stadtratswahlen präsentiert sich die Partei zerstritten.

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