Jeden Mittwoch Achterbahn

Wenn Henning Leidinger, Marie-Gabriela Massa und ihre Gehilfin Kathy Becker im Mutterhaus in ein Krankenzimmer kommen, geht es bunt zu. Die drei sind die Klinikclowns Lolek, Tilotamma und Ännipänni. Noch bunter wurde es gestern, weil Lolek und Tilotamma zehnten Geburtstag feierten. Seit 2002 sorgen der Diplom-Pädagoge und die Musik- und Tanzpädagogin jeden Mittwoch für Abwechslung und gute Stimmung auf der Kinderstation. Zum Jubiläum gab es darum nicht nur rote Nasen und lustige Gesänge, sondern auch eine Geburtstagstorte. Und viele glückliche Gesichter.

TRIER. Ganz zart klopft Tilotamma an die Zimmertür der beiden kleinen Patientinnen, bevor sie vorsichtig hineinschaut. Es sind allein die Kinder, die entscheiden, ob sie die Clowns in ihr kleines Reich lassen, und so bleibt Tilotamma zunächst gespannt im Türrahmen stehen. Doch die beiden Hausherrinnen Ronja und Carina sind sich schnell einig und bitten die bunte Clownin mit einem schüchternen, aber einladendem Lächeln hinein.

Marie-Gabriela Massa, Kathy Becker und Henning Leidinger, alle drei Pädagogen mit Clownausbildung, lieben genau diese Spontaneität an ihrer Arbeit. Denn im Unterschied zur Bühne ist im Krankenhaus kaum etwas planbar. Hinter jeder Zimmertür erwarten die Drei andere Patienten. Manche sind noch sehr jung, andere schon im jugendlichen Alter, manche schüchtern und andere aufgeweckt. Jedes Kind befindet sich in einer bestimmten Situation, wodurch jedes Zimmer auch eine gewisse Herausforderung mit sich bringt.

Aus diesem Grund gibt es auch kein festes Programm – gespielt wird, was den Kindern gefällt. „Wir fahren mit den Patienten jeden Mittwoch Achterbahn. Das kann in einem Zimmer leise und langsam und im nächsten laut und schnell sein“, erklärt Leidinger. „Das hängt ganz von der Stimmung und dem Gesundheitszustand der Kinder ab“, fügt Massa hinzu. „Mal spielen wir eher ein Bühnenprogramm, bei dem die Kinder zunächst beobachten können, mal binden wir sie direkt aktiv ins Geschehen mit ein.“ Dem Spaß sind dabei keine Grenzen gesetzt, und so hat das Trio von Jongliernummern über Zaubertricks bis hin zu Musikstücken alles im Repertoire. Da werden bunte Bälle schnell zu schmackhaften Eiskugeln, Gießkannen oder Möbel zu Musikinstrumenten und Infusionen zu Tankstellen.

Spätestens als Tilotamma Ronja und Carina ihre Gitarre vorführt, ist bei den drei- und vierjährigen Mädels jegliche Scheu verflogen. Ausgestattet mit Rasseln singen und wippen die Beiden in ihren Krankenhausbetten freudestrahlend auf und ab. „Diese Herzenswärme und das Strahlen der Kinder ist das Schönste, was wir zurückbekommen können. In diesen Situationen bin ich mir sicher, dass ich das Richtige mache“, sagt Becker.

Die Kinder ihre Schmerzen und Ängste für einen Moment vergessen zu lassen – das ist der Grund, warum die drei Pädagogen regelmäßig die Kinderstation des Mutterhauses besuchen. Damit das gelingt, werden auch das Krankenhauspersonal und die Eltern in die Show mit einbezogen.

Ein breites Grinsen ist in Carinas Gesicht zu sehen, als Papa von Tilotamma eine rote Clownsnase aufgesetzt bekommt und ihre Mutter aufgefordert wird, beim nächsten Lied kräftig mitzusingen. Um ganz nebenbei die Selbstheilungskräfte der Kinder zu stärken, verteilen Tilotamma, Ännipänni und Lolek auf der Station außerdem fleißig ihr traditionelles Heilmittel „Lachen“.

„Es ist immer wieder toll, den Klinikclowns auf dem Flur zu begegnen. In manchen Situationen setze auch ich mir gedanklich eine rote Nase auf, um manche Sachen einfach lockerer zu sehen“, erzählt Klinikoberin Elke Kirsch.

Egal, ob erst zwei Jahre oder schon 16, Fans hat das Trio auf der Kinderstation unzählige. Rund 60 Patienten in 20 Zimmer besuchen Lolek, Ännipänni und Tilotamma jeden Mittwoch, wobei sie den Eindruck, dass es in der heutigen Zeit schwieriger geworden ist, vor allem Jugendliche mit Clowns zu begeistern, nicht bestätigen können. „Ich glaube nicht, dass wir aufgrund von Facebook und Handys weniger attraktiv geworden sind. Wir versuchen, uns an die neue Situation anzupassen und beziehen die neuen Medien bei den älteren Jugendlichen ganz bewusst in unser Spiel mit ein“, so Massa.

Eine Sache gibt es, die sich Leidinger zu seinem zwanzigsten Dienstjubiläum als Klinikclown wünscht: „Dass wir nicht nur die Möglichkeit haben, Kindern und Jugendlichen ein Lächeln zu schenken, sondern regelmäßig auch erwachsenen Patienten.“ Derzeit spielen die Lolek und Tilotamma bereits auf Anfrage auch vor älteren Patienten.

Für heute haben die Klinikclowns ihr Ziel erreicht: Ronja und Carina sitzen mit einem breiten Grinsen auf ihren Betten und nehmen am Ende der Show mit stolzgeschwellter Brust ihre eigene rote Clownsnase entgegen.

Julia Olk

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