„Alle haben davon gewusst“

Uli Borowka liest am 10. September im Exhaus aus seinem Buch "Volle Pulle - Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker". Foto: HaberlandUli Borowka war 15 Jahre lang Fußballprofi. Als Abwehrspieler absolvierte er von 1981 bis 1996 insgesamt 388 Bundesligaspiele für Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen. Mit Bremen wurde er 1988 und 1993 Deutscher Meister und 1991 und 1994 DFB-Pokalsieger. Höhepunkt seiner Karriere war der Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1991/92. Vielleicht wären noch weitere sportliche Erfolge hinzugekommen, wäre „Die Axt“, wie der zweikampfstarke Spieler genannt wurde, nicht alkoholabhängig gewesen. Die Sucht ruinierte nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Privatleben. Seit einer viermonatigen, stationären Therapie im Jahr 2000 ist Borowka trocken. Im Herbst 2012 erschien seine Biografie „Volle Pulle – Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“, aus der er am kommenden Mittwoch um 19 Uhr auf Einladung des Fanprojektes Trier im Exhaus liest. 16 VOR sprach mit dem 52-Jährigen darüber, wie es zur Abhängigkeit gekommen war, wer davon wusste und zu helfen versuchte und über die Reaktionen von ehemaligen Weggefährten auf sein Buch.

16 VOR: Gehen Sie noch ab und zu als Zuschauer ins Stadion?

Uli Borowka: So gut wie gar nicht mehr, aber wenn, dann vielleicht einmal in zwei Jahren.

16 VOR: Was trinken Sie dann dort?

Borowka: Nur Cola.

16 VOR: Wie gehen einstige Weggefährten aus der Bundesliga mit der Enthüllung Ihrer Alkoholsucht vor zwei Jahren um?

Borowka: Die wenigen guten Freunde, die übriggeblieben sind, kommen damit gut klar. Der Rest hat sich einfach distanziert.

16 VOR: Gab es damals Mitspieler oder Trainer, die von ihrem Alkoholproblem wussten?

Borowka: Ja, alle haben davon gewusst. Es gab niemanden, für den das ein Geheimnis war.

16 VOR: Hat einer von denen versucht, Ihnen zu helfen?

Borowka: Ja, Günter Hermann. Ich habe damals aber keine Hilfe angenommen, auch nicht von Günter.

16 VOR: Haben Sie eine Erklärung dafür, wie Sie abhängig wurden?

Borowka: Das sind viele verschiedene Bausteine, die zusammengekommen sind. Ich konnte über meine Gefühle, meine Versagensängste als Profisportler nicht sprechen und habe immer versucht, alles mit mir selbst zu klären.

16 VOR: Was bereuen Sie nach Ihrer Alkoholsucht am meisten? Wie reagieren Sie beispielsweise, wenn Sie Bilder aus Ihrer Gladbacher Zeit sehen, auf denen Sie Schnäuzer tragen?

Borowka: Es gibt viele Dinge die ich falsch gemacht habe. Doch aus heutiger Sicht bin ich mit mir und meinen Gefühlen im Reinen.

Zu den Bildern, auf denen ich Schnäuzer getragen habe: Das war schon eine schöne Zeit und auch ich war einmal jung.

16 VOR: In den vergangenen Jahren las man viel über Spielsucht bei Fußballprofis. Für wie verbreitet halten Sie heute Alkoholismus in der Bundesliga?

Borowka: Wir reden nicht nur über Alkohol, sondern auch über Medikamente, Drogen und die Spielsucht. Laut der neusten Studie der FIFpro sind von den aktuellen Profis circa 19 Prozent und von den ehemaligen Profis sogar 36 Prozent abhängig. Das sagt eigentlich alles.

16 VOR: Sie haben einen Verein zur Suchthilfe und Suchtprävention gegründet, der unter anderem auch suchtkranke und suchtgefährdete Leistungssportler ansprechen soll. Haben sich schon Bundesligafußballer bei Ihnen gemeldet?

Borowka: Ja, aber ich wäre froh, wenn ich weniger zu tun hätte.

16 VOR: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie gegenüber ihrer damaligen Frau handgreiflich wurden und auf einem Kindergeburtstag Ihres Sohnes randalierten. Wie geht ihre erste Familie heute mit diesen Vorfällen um?

Borowka: Zu meinen Kindern ist der Kontakt wieder ganz ordentlich geworden und wir sind wieder dabei, gemeinsam über die alten Probleme zu sprechen.

16 VOR: Erinnern Sie sich noch an die Aufnahme von „Barfuß oder Lackschuh“ mit Dimple Minds? War es Zufall, dass die Band Sie für den Song ausgewählt hatte?

Borowka: Das weiß ich auch nicht genau, wie die mich ausgewählt haben. Wahrscheinlich hab ich damals als „besoffener Fußballprofi“ da gut reingepasst.

16 VOR: Sie sind knapp drei Jahre älter als Vinnie Jones. Wissen Sie, wer zuerst den Spitznamen „Die Axt“ bekam?

Borowka: Nein, aber diesen Spitznamen teile ich gerne mit ihm.

Der Eintritt zur Lesung von Uli Borowka am Mittwoch, 10. September, um 19 Uhr im Balkensaal des Exhauses ist frei.

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