„Ein OB kann und muss Prioritäten setzen!“

Leibe-InterviewKleinNach dem Willen seiner Partei soll Wolfram Leibe in einem Jahr die Nachfolge von Klaus Jensen antreten. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Jurist und Geschäftsführer bei der Agentur für Arbeit in Stuttgart die am 28. September anstehende OB-Wahl für sich entscheiden. Leibe rechnet sich gute Chancen aus, mit ihm und Unionskandidatin Hiltrud Zock hätten die Wähler auf jeden Fall die Wahl zwischen zwei klaren Alternativen, ist er überzeugt. Im Interview mit 16vor-Redaktionsleiter Marcus Stölb nimmt der OB-Kandidat der SPD Stellung zur anhaltenden Schuldiskussion und erklärt, weshalb er die Reaktivierung der Westtrasse befürwortet, Projekte wie den Moselaufstieg aber ablehnt. Leibe sagt, was sich Trier von Freiburg abschauen könnte und dass die Umgestaltung des Porta-Nigra-Umfelds ein Ziel seiner Arbeit werden soll.

16vor: Herr Leibe, bei Ihrer Vorstellung als designierter OB-Kandidat Ihrer Partei sagten Sie wörtlich: ‚Dass man direkt geküsst und geherzt wird wie im Rheinland, das brauche ich nicht‘. Wenn man Sie in den vergangenen Wochen, insbesondere auf Veranstaltungen der SPD beobachtete, musste man den Eindruck gewinnen, dass Sie sich doch ganz gerne küssen und herzen lassen und auch selbst gerne herzen und küssen. Sind das nun erste Anzeichen einer Persönlichkeitsveränderung?

Wolfram Leibe: (lacht) Nein, ganz sicher nicht! Aber ich bin überrascht, wie viele Menschen herzlich auf mich zukommen. Und ich freue mich, dass ich in der SPD so freundlich aufgenommen wurde.

16vor: Allgemein war damit gerechnet worden, Klaus Jensen würde wieder antreten. Hand aufs Herz – hatten Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt, in die Politik zu wechseln, bevor Sven Teuber Ihnen die OB-Kandidatur antrug?

Leibe: Wenn man wie ich seit über 20 Jahren in der Nähe der Politik arbeitet, dann denkt man schon mal darüber nach: Hey, könntest du das auch machen? Politik bietet ja die Möglichkeit, zu gestalten, und das reizt mich. Es kam aber noch etwas hinzu: Ich habe hier ein sehr gutes Umfeld und Netz. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich die Arbeit von Klaus Jensen und Malu Dreyer sehr schätze, aber während meiner Zeit bei der Arbeitsagentur habe ich auch mit sämtlichen Landräten der Region und anderen Akteuren sehr gut zusammengearbeitet. Deshalb habe ich, als Sven Teuber mich anrief, gesagt: „Hier in Trier mache ich es, hier kann ich es!“

16vor: Anders als Ihr Genosse Jensen 2006 gehen Sie mit der klaren Ansage in den Wahlkampf, Kandidat der SPD zu sein – und das, obwohl Sie ja erst seit wenigen Monaten Parteimitglied sind. War Ihr Eintritt in die SPD Bedingung für die Kandidatur und was hätten Sie gemacht, wenn Ihnen eine andere Partei, sagen wir die CDU, die OB-Kandidatur angeboten hätte?

Leibe: Ich glaube nicht, dass die CDU auf mich zugekommen wäre. Aber mal abgesehen davon: Mein Parteieintritt erfolgte noch vor der Bundestagswahl, die war im September. Sven Teuber rief mich im November an. Es ist also reiner Zufall gewesen. Im Übrigen ging es mir wie Ihnen: Ich rechnete fest damit, dass Klaus Jensen noch einmal antreten würde.

16vor: Sie und Ihre Familie leben in Kürenz. Dort sind viele Eltern sauer, weil ihre Kinder in Ambrosius unterrichtet werden, derweil die ehemalige Kürenzer Grundschule seit Monaten als Ausweichquartier für die Egbert-Kinder dient. Wie erklären Sie das den Kürenzer Eltern?

Leibe: Das kann man im Moment nicht erklären, und ich bin enorm beeindruckt, dass die Kürenzer Eltern die Situation bislang so mittragen. Aber das kann nicht ewig dauern. Wichtig ist, dass die Verwaltung endlich eine Entscheidungsgrundlage liefert. Klar ist aber auch: Die Stadt hat ein limitiertes Budget, und wenn man in Egbert mehrere Millionen Euro investiert, dann fehlt dieses Geld für andere Grundschulen. Und das Geld, das in Grundschulen fließt, fehlt für weiterführende Schulen.

16vor: Aber wie wollen Sie dann die seit Jahren anhaltende Debatte über die Schulentwicklung befrieden und Ruhe in die Schullandschaft bringen?

Leibe: Mir ist bewusst, wie wichtig und identitätsstiftend Grundschulen für die Stadtteile sind. Wissen Sie, ich bin in einem Dorf aufgewachsen und in eine Klasse mit sieben Kindern gegangen. Als ich auf die weiterführende Schule ging, bekam ich einen Kulturschock. Was ich sagen will: Ich denke, wir sollten zunächst die Qualität der Grundschulen sichern, ein breites Angebot in den Schulen gewährleisten, und dazu bedarf es einer Mindestgröße. Da es für die Kinder auch nicht zumutbar ist, in sanierungsbedürftigen Gebäuden unterrichtet zu werden, muss der Stadtrat ein ausreichendes Budget beschließen. Das Versprechen, alle Grundschulen zu erhalten, ohne ausreichende Mittel für Baumaßnahmen, Gebäudeunterhalt und zum Beispiel Hausmeisterdienste bereitzustellen, wäre für mich unseriös.

16vor: Sie haben sich klar für die Reaktivierung der Westtrasse ausgesprochen. Nicht wenige Menschen, vor allem entlang der Strecke, fürchten mehr Lärm und zweifeln generell den Nutzen des Projekts an. Was entgegnen Sie diesen Menschen?

Leibe: Die Westtrasse ist ein erster wichtiger Baustein für einen effektiven und attraktiven Nahverkehr. Aber der Ausbau der Osttrasse mit weiteren Stationen muss als zweiter Baustein hinzukommen. Außerdem müssen beide Strecken durch einen starken Busverkehr miteinander verbunden und ergänzt werden. Wenn wir das hinbekommen, haben wir einen großen Schritt hin zu einem integrierten Nahverkehrsangebot getan!

16vor: Aber der Widerstand ist da und Kritiker wie der Trierer Politikprofessor Wolfgang H. Lorig ziehen bereits Parallelen zu ‚Stuttgart 21‘: Es mangele an Transparenz, Bürgeranliegen würden ignoriert und generell zu wenig informiert. Sie arbeiten aktuell in Stuttgart, können Sie dem Vergleich folgen?

Leibe: Bei ‚Stuttgart 21‘ war ich in der Tat nah dran. Da war vor vielen Jahren in der Bevölkerung der Eindruck entstanden: Das kommt eh nie! In Stuttgart hat eine frühzeitige Bürgerbeteiligung gefehlt. Das sehe ich bei der Weststrecke nicht so. Ich erinnere mich, dass deren Reaktivierung schon ein Thema war, als ich vor acht Jahren mit meiner Familie hierherzog. Hier wurde schon früh informiert und seither immer wieder.

16vor: Auf Betreiben der rot-grünen Landesregierung wurden die umstrittenen Projekte Moselaufstieg und Nordumfahrung abmoderiert. Was schlagen Sie konkret vor, damit es zu einer Entlastung der Talstadt vom Durchgangsverkehr kommt?

Leibe: Ich gehöre nicht zu denen die glauben, dass sich durch mehr große Straßen Verkehrsprobleme lösen ließen. Wir müssen den Durchgangsverkehr auf die Hauptachsen konzentrieren und besser trennen vom innerstädtischen Verkehr. Was wir dann brauchen sind Bypässe, um Wohngebiete zu entlasten. Nehmen Sie den geplanten Moselbahndurchbruch – der wird für viele Anwohner anderer Straßen eine deutliche Entlastung bringen.

16vor: Ein Dauerthema ist auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. OB Jensen und der Stadtrat haben in den letzten Monaten einige Weichen gestellt, damit wieder mehr geförderter Wohnraum entstehen kann. Haben Sie eigene Ideen, wie Sie die Herausforderung angehen wollen?

Leibe: Der Ansatz von Klaus Jensen ist der einzig Richtige! Sie müssen alle Akteure an einen Tisch bekommen, von den Wohnungsgesellschaften über Finanziers bis hin zu Lobbygruppen im guten Sinne und Bürgern. Klar ist doch: Wenn es ausreichend Angebot gibt, steigen die Preise nicht mehr so stark an. In Trier hatten wir in den letzten Jahren einen starken Anstieg, wenn auch das Mietpreisniveau insgesamt doch unter dem vieler Großstädte liegt. Uns würden 150 zusätzliche geförderte Wohnungen im Jahr schon sehr viel weiterhelfen, und wenn dann noch die privaten Projekte hinzukommen, halte ich es für absolut realistisch, dass wir die rund 500 benötigen Einheiten pro Jahr bekommen. Mietwohnungen wohlgemerkt, nicht teure Eigentumswohnungen.

16vor: Die FAZ titelte dieser Tage ‚Wer Rom liebt, muss nach Trier fahren‘. Sie haben in verschiedenen Städten gelebt und gearbeitet und kommen viel herum in Deutschland. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Städte wie Freiburg ein deutlich positiveres Image haben als Trier?

Leibe: Als ich 1984 zum Studium nach Freiburg kam, hatte die Stadt auch noch kein so positives Image. Was die dann gemacht haben, ist eine sehr kluge Stadtpolitik, aber auch ein sehr offensives Stadtmarketing. Das ist es, was wir von Freiburg lernen können, und unser absolutes Pfund, ja Kilo sind die Welterbestätten. Es gibt Pläne für Porta Nigra und Römerbrücke, wie man diese noch besser in Szene setzen könnte.

16vor: Wollen Sie die vorhandenen Entwürfe umsetzen?

Leibe: Was die Porta Nigra anbelangt, sage ich ganz klar ‚ja‘. Ich kann nicht das Hotel gegenüber abreißen, aber das Umfeld muss umgestaltet werden. Ein OB kann, soll und muss dem Stadtrat Prioritäten vorschlagen. Das ist weitaus besser, als alles gleichzeitig zu planen und dann in der Schublade zu lassen.

16vor: Ihre Mitbewerberin ist gebürtige Triererin und vor Ort bestens vernetzt, Sie werden vorerst lediglich an den Wochenenden in der Stadt sein. Sehen Sie sich eigentlich als Kandidat mit Außenseiterchancen und wie glauben Sie, den Heimvorteil von Hiltrud Zock kontern zu können?

Leibe: Ich bin präsent in Trier und jedes Wochenende hier unterwegs, und die letzten zweieinhalb Monate vor der Wahl werde ich komplett Wahlkampf machen. Mehr geht leider nicht, denn ich habe einen anspruchsvollen Job und muss auch noch mein Geld verdienen. Aber ich denke, die Bürger werden bei der OB-Wahl zumindest zwei ganz klare Alternativen haben.

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