Im Westen viel Neues

In der Halle 8 auf dem Bobinet-Gelände, wo schon bald helle Lofts als Wohn- und Arbeitsstätte für die Trierer Bourgeoisie entstehen sollen, präsentierten die Absolventinnen des Bachelor-Studiengangs Modedesign der Fachhochschule Trier am vergangenen Samstag ihre Abschlusskollektionen. Unter dem Titel „Show one, Show on“ zeigte der Nachwuchs, was in ihm steckt – und welche Trends aus gutem Grund schon längst in Vergessenheit geraten sind.

TRIER-WEST. Der Weg zum Erfolg ist steinig, uneben und voller Hindernisse. Das gilt nicht nur für die elf Absolventinnen, die ihre Arbeiten auf dem Bobinet-Gelände bei zwei Vorstellungen von „Show one, Show on“ präsentierten, sondern im wortwörtlichen Sinne auch für die Zuschauer, die diesem Event beiwohnten. Der Grund: Bisher ist vom selbsternannten In-Viertel der Stadt, dem „Quartier zum Wohnen und Arbeiten“, noch wenig zu erahnen. Hinter dem roten Eingangstor konnten die Besucher nur einen Blick auf große Absperrgitter werfen. Noch dienlicher war es jedoch, sich den eigenen Füßen zu widmen, denn der Untergrund barg vor allem für Damen in High Heels eine große Gefahr.

Ähnlich holprig wie der Weg in die Halle 8, wo in den vergangenen Monaten bereits das Theater Trier und Partyveranstalter Andy B. Jones gastierten, gestaltete sich auch die Ansprache von Professorin Bettina Maiburg und Dekan Dirk Wolfes, den offiziellen Vertretern der Fachhochschule. Sie gaben mit wenig erhellenden Worten den Startschuss für eine Modenschau, die in diesem Jahr erstmals nur von Absolventen – in diesem Fall Absolventinnen – des Bachelor-Studiengangs gestaltet wurde. Vorbei die Zeiten der Diplomabschlüsse, die Zukunft gehört den Bachelor- und Master-Studenten aller Semester, die wie gewohnt auch vor und hinter den Kulissen als fleißige Helfer das Geschehen mitbestimmten. Daneben als Zuschauer eine bunte Mischung aus Familie und Freunden, ergänzt durch Vertreter der Sponsoren, etwa der Museen aus Trier und Luxemburg, sowie einige bekannte Gesichter der Stadt, darunter die designierte Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihr Gatte Klaus Jensen.

Kinder und Krieg

Um einen sanften Einstieg in die Welt der Mode bemühte sich Sana Madjzoub, die eine Kollektion für Kinder mit dem Namen „nurani“ (persisch: leuchtend, erstrahlend) auf den Laufsteg brachte. Sieben Outfits in Creme, Orange und Gelb bereiteten Gästen und Models, in diesem Fall natürlich Kindermodels, großen Spaß. Freuen dürfen sich auch fürsorgliche Eltern: Für die Herstellung verwendete die junge Designerin nachhaltige Bio-Stoffe – ein Trend, der seit einigen Jahren verstärkt auch im Mainstream-Bereich Einzug hält.

Weniger gute Aussichten auf Massenproduktion haben die Outfits von Rafaela Kacunic, die ihre Models in weiße, geisterhafte Kleider hüllte. Ihre Vision von Mode trägt den Namen „Insomnia“. Wie der Titel bereits verrät, sollen die teils transparenten, teils verhüllenden Outfits das Thema „Schlaflosigkeit“ visualisieren. Dies ist zum Teil auch geglückt: Einige Zuschauer konnten in der darauffolgenden Nacht nach dem Anblick des gespenstischen Jumpsuits mit großem Tarnschleier garantiert nur wenig Schlaf finden.

Josephine Gwinner, die Dritte im Bunde, ließ sich für ihre Kollektion „ Suburban Soldiers“ vom Kurzfilm „Scenes from the Suburbs“ der kanadischen Indie-Band Arcade Fire inspirieren, der einen Bürgerkrieg in der Vorstadt thematisiert. Übersetzt wurde dies von ihr in eine düstere Streetwear-Kollektion. Selbst bei kriegerischen Auseinandersetzungen möchte der stilbewusste Speckgürtel-Bewohner, so zumindest die Vorstellung der Designerin, nicht auf bedruckte T-Shirts, Kopfhörer und Strickmützen verzichten. Der Stilbruch gelingt durch Shirts und Jacken mit Oversize-Ärmeln sowie bequemer Fußbekleidung aus Leder, die sicher so manchen unserer steinzeitlichen Vorfahren bereits in Ekstase versetzt hätte.

Von zart bis apart

Im Anschluss an die schweren Entwürfe von Josephine Gwinner durfte Anastasia Liebe ihre Mode mit dem Titel „Inbetween“ vorführen, in der die Designerin eine Brücke zwischen Rationalität und Traumwelt spannt. Ihr Baustoff dazu: luftig leichte Kleider mit floralen Applikationen in einem zarten Violett. Vor allem die Roben mit langen Schleppen scheinen nicht nur für den großen Gala-Auftritt, sondern auch für den Tag aller Tage geeignet zu sein.

Wer noch nicht ans Heiraten denkt und lieber die Clubszene unsicher macht, ist bei Desirée Slabik gut aufgehoben. Sie präsentierte ihre Abschlussarbeit – geometrische Strickkunstwerke in Farben, die bereits in den Achtzigern für Unbehagen sorgten – unter dem Titel „Geometrical Rhythm“. Orange, Pink, Türkis und Violett, dazu bedruckte Stoffe, Doc Martens und auffällige Accessoires – die zwölf Outfits mit fernöstlichen Einflüssen wären in Japan und Südkorea garantiert ein Renner. Für konservative Mitteleuropäer ist der bunte Woll-Look wohl ein wenig over the top.

Eine andere Form von „aufgesetzt“ durften die Zuschauer in der Kollektion „2nd territory“ von Sarah Schmitz entdecken. Unauffällig bis natürlich waren die Looks der jungen Designerin, die sich an „Lebenskünstler und diejenigen, die gerne welche wären“ richten. Ihre Ideen sollen zeitlos, geschlechterübergreifend und vollkommen frei sein. Glaubhaft vermittelten dies ein Cape mit unzähligen aufgesetzten Ärmeln und die Rettungsweste mit Peace-Zeichen zur Haremshose. Auch die für westliche Augen beinahe verstörende Kombination aus Rock, Mantel, Hose und Korsage – wohlgemerkt: für den Herrn – zeugten von einer Vorstellung von Mode, die unserem Denken weit voraus ist.

Mittelalter trifft auf Moderne

Natürlich kann man auch allen anderen Absolventinnen visionäre Ideen nicht absprechen. Katharina Ohmert versuchte sich beispielsweise in ihrer Arbeit „Metamorphose“ an einer Rüstung für das Hier und Jetzt. Die Entwürfe aus weichen Stoffen und asymmetrischen Schnitten richten sich an alle Frauen mit einem Hang zur modischen Extravaganz.

Andere Assoziationen weckte die Kollektion „Natural Fake“ von Diana Heimbruch, die östliche und westliche Stile vermischt und mit dem Thema Natürlichkeit und Täuschung spielt. Ergebnis dieses Gedankengangs sind sakral anmutende Outfits in Grau, Schwarz, Weiß und Grün mit strengen Formen und besonderen Highlights wie der Dekonstruktion der Krawatte in ihre ursprüngliche Form.

Noch eine Spur tragbarer, beinahe unauffällig schmeichelhaft waren die Entwürfe von Catherine Melchori, die den Namen „Auf Zack“ tragen. Die Jungdesignerin ließ sich von Kronkorken inspirieren und baute diese gekonnt in ihre Streatwear-Kollektion ein. Das Ergebnis begeisterte auch viele Zuschauer: sommerliche Kleider, Basic-Looks und Accessoires, die stilistisch an skandinavisches Design erinnern.

Glänzend und bunt

Zum Schluss hin wurde es auf dem Laufsteg wieder ein wenig lebendiger. Maren Vettelein präsentierte unter dem Titel „Polarized“ Mode vom anderen Stern, inspiriert vom Farbenspiel des Polarlichts. Die Kombinationen aus bunter Seide und Jersey mit glitzernden Hosen eignen sich hervorragend für einen starken Auftritt am Abend. Lediglich die grellen Schlauchtops können wohl selbst im Scheinwerferlicht nur wenig überzeugen.

Zu guter Letzt, wie so oft bei den Modenschauen der Trierer Designer, die wohl auffälligste oder auch verstörendste Kollektion: „Synesthesia“ von Tatiana Kanz. Die junge Designerin mischte alle nur erdenklichen Stile, etwa Military-Elemente mit orientalischen Schnitten und Streetwear mit Leder und Chiffon. Auch vor auffälligen Nieten, die wohl niemand mehr als rebellisch bezeichnen würde, machte sie nicht Halt. Krönender Schlusspunkt des Abends war ein Cape, das nahezu alle Stoffe miteinander kombinierte, jedoch das männliche Model nicht vor der Kälte zu schützen vermochte, die das Publikum in der ungeheizten Halle während der rund 90-minütigen Show erschaudern ließ. Bleibt zu hoffen, dass in den großzügigen Bobinet-Lofts zukünftig keine ähnlichen Temperaturen herrschen – und die Modedesigner für ihre nächste Show eine gemütlichere Location auswählen.

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