„Ich verwahre mich gegen diesen Vorwurf“

Ein Jahr nach seiner Verabschiedung sind weite Teile des Schulentwicklungsplans Makulatur. Diesen Schluss legen die Antworten auf zwei Anfragen von SPD und Linken nahe. Auf Wunsch der Fraktionen nahm Bürgermeisterin Angelika Birk am Donnerstagabend im Stadtrat ausführlich Stellung zum Stand der Umsetzung des Konzepts, und hierbei präsentierte die Grüne so manche Überraschung. So erteilt die ADD einer Fusion der Grundschulen Ehrang und Quint ebenso eine Absage, wie einem Neubau außerhalb des Ortskerns. Der mögliche Neubau von Grundschulen im Osten und Westen der Stadt hat laut Birk womöglich wenig Aussicht auf Landesförderung, auch lehne die ADD die vom Stadtrat beschlossene Aufgabe des Robert-Schuman-Gebäudes ab. Birk wies Darstellungen der SPD zurück, sie missachte Stadtratsbeschlüsse: „Ich verwahre mich gegen diesen Vorwurf“. Einstimmig beauftragte der Stadtrat die Verwaltung, zu prüfen, wie der akute Raummangel an den Gymnasien behoben werden könnte.

TRIER. „Mit Windhundprinzip oder Windhundverfahren bezeichnet man ein Verfahren, bei dem der Zugang zu einer nur begrenzt vorhandenen Ressource von der ressourcenverwaltenden Stelle nur nach der zeitlichen Reihenfolge der Bedarfsanmeldungen, nicht jedoch nach anderen Kriterien freigegeben wird“, heißt es im Online-Lexikon Wikipedia. Es dürfe nicht sein, dass „auch weiterhin nach dem Windhundprinzip durch das Schuldezernat Maßnahmen zur Umsetzung beauftragt werden oder ein reines Abarbeiten überfälliger Baustellen erfolgt“, hieß es in der Anfrage der SPD für die gestrige Sitzung des Stadtrats. Die Adressatin war nicht amüsiert über den Ton, den die Genossen anschlugen, und so verschärfte sie auch ihrerseits die Tonlage und wies vor der Beantwortung der zahlreichen Fragen den Vorwurf zurück. Die Aufgaben würden „entlang der vor einem Jahr gefassten Beschlüsse bearbeitet“, erklärte Birk. Und was Arbeiten angehe, die nicht durch den Schulentwicklungsplan abgedeckt waren, habe man „angesichts sehr knapper Ressourcen beim Dezernat IV (dem Baudezernat; Anm. d. Red.) um Unterstützung für diejenigen Vorhaben gebeten, die mit guten Gründen nach Auffassung von Stadtvorstand und Stadtrat eine besondere Dringlichkeit haben“. Birk weiter: „Ich verwahre mich gegen den Vorwurf, dass das Dezernat II Beschlüsse des Stadtrats missachtet“.

Birk ist es erkennbar leid, für sämtliche Entscheidungen in Sachen Schulpolitik und deren Umsetzung verantwortlich gemacht zu werden. Auch deshalb nutzte sie die letzte Ratssitzung vor der Wahl, um sich auf Anfrage von SPD und Linken ausführlich zu erklären. Hierbei verwies sie zunächst auf zwei Großbaustellen, die schon vor dem Beschluss vom März letzten Jahres auf den Weg gebracht wurden: den Ausbau und die Sanierung von AVG und IGS. In diese beiden Vorhaben flössen die personellen und finanziellen Ressourcen für den Schulbau „derzeit an erster Stelle“ – und an zweiter Stelle „ebenfalls mit Millionenbeträgen in unaufschiebbare Brandschutzmaßnahmen, die aufgrund verschärfter Vorschriften nach den Sicherheitsbegehungen fast an jeder Schule mit engen Umsetzungsfristen erforderlich werden“. Auf rund 63 Millionen Euro wurden die Sanierungs- und Entwicklungskosten an Schulgebäuden veranschlagt, die Maßnahmen für den Brandschutz kommen noch hinzu. Zusätzlich muss die Verwaltung permanent auf „gravierende akute Gebäudeschäden“ reagieren.

Dass die Umsetzung des Schulkonzepts vor diesem Hintergrund auf der Stelle trete, sei aber nicht der Fall, so Birk. Im Gegenteil: Die vom Stadtrat beschlossenen „dringlichsten Maßnahmen“ wie etwa die Erweiterung der Grundschule in Tarforst sowie den Ausbau und die Sanierung der Grundschule Feyen seien in der Mache. Doch beschloss der Stadtrat im vergangenen Jahr auch mit großer Mehrheit, dass die Grundschulen Ehrang und Quint „schnellstmöglich“ zusammengelegt werden sollten – entweder am Standort des Schulzentrums Mäusheckerweg oder aber in einem Neubau im Bereich des Marienkrankenhauses. Die Verwaltung sollte beide Optionen prüfen, bis zum Ende des vergangenen Jahres wollte der Stadtrat dann entscheiden, welchen Standort eine fusionierte Grundschule bekommen sollte. Doch dazu kam es nicht und wird es auf absehbare Zeit wohl auch nicht kommen. Denn Birk teilte am Donnerstagabend mit, dass die ADD „aus verschiedenen Gründen weder eine Genehmigungsgrundlage für eine Zusammenlegung der beiden Grundschulen Ehrang und Quint am Standort Mäusheckerweg, noch für einen Neubau außerhalb des bisherigen Ortskernes“ sehe. Allenfalls sei die Kommunalaufsicht bereit, „bei möglichen zukünftigen abnehmenden Schülerzahlen in Quint und einem wahrnehmbaren schulischen Bedürfnis“ zu prüfen, die Grundschule Quint in der Grundschule Ehrang „an deren jetzigem Standort auslaufen zu lassen“.

Ein weiterer Baustein des Ratsbeschlusses steht offenbar auch auf der Kippe: „Die ADD zieht in Zweifel, dass sowohl der Ausbau der Kurfürst Balduin Realschule plus als auch der Neubau der neuen Grundschule auf dem vorhandenen Gelände (…) räumlich umsetzbar ist“. Der Stadtrat hatte mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP beschlossen, an diesem Standort die Grundschulen Pallien und Reichertsberg zu fusionieren, bis zum Schuljahr 2018/2019 sollte der Erweiterungsbau stehen.  Generell steht die Kommunalaufsicht möglichen Schulneubauten kritisch bis ablehnend gegenüber, wie aus mehreren Antworten Birks auf die Anfragen von SPD und Linken deutlich wird. So lehne die ADD auch die vom Stadtrat beschlossene Aufgabe des Gebäudes der ehemaligen Robert-Schuman-Realschule in der Kaiserstraße ab. Diese hatte der von der Verwaltung beauftragte Gutachter Wolf Krämer-Mandeau als neuen Standort für eine Fusion aus den Grundschulen Barbara und Egbert vorgeschlagen. Weil aber die zwischenzeitlich wegen Schimmelschäden in die im vergangenen Jahr geschlossene Kürenzer Grundschule verlagerte Egbert-Schule erhalten bleiben soll, gibt es für das Schuman-Gebäude aktuell keine Verwendung. Doch rasch veräußern dürfe die Stadt die Immobilie nicht, berichtete die Bürgermeisterin am Donnerstagabend. Denn das werde die ADD nicht akzeptieren, wenn „neue Baumaßnahmen mit Landeszuschüssen aus der Aufgabe abgeleitet werden“. Würde das Schuman-Gebäude für eine schulische Nutzung aufgegeben und in Trier-West ein Anbau für die Kurfürst-Balduin-Schule erforderlich, sei mit Geld aus Mainz kaum mehr zu rechnen. Und das gelte auch für die Geschwister-Scholl-Schule, welche die Stadt mittelfristig verkaufen wollte, um Platz für eine Wohnbebauung zu schaffen. Für die ADD gelte die Immobilie jedoch nach wie vor als „vorhandenes sanierungsbedürftiges Schulgebäude“.

„Extrem sanierungsbedürftig“, so Birk, ist auch die Grundschule Martin, deren Erhalt wie der von Egbert ebenfalls Teil des Vier-Fraktionen-Ergänzungsantrags vom vergangenen Jahr war. Bestanden die Grünen auf einer Garantie der Ost-Grundschule, wollten die Christdemokraten die von St. Martin nicht preisgeben. Doch für diese sei bislang noch keine Sanierung in Vorbereitung – „mangels Personal- und Finanzkapazitäten“, so Birk. Im Klartext: Eine ganze Reihe von Beschlüssen, welche auf den fraktionsübergreifenden Kompromiss von Union, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen zurückgeht, ist offenbar schon jetzt Makulatur oder steht zumindest auf der Kippe. „Die Bedenken und Anregungen der ADD laufen dem Beschluss des Stadtrats diametral entgegen“, kommentierte Grünen-Ratsmitglied Gerd Dahm die Ausführungen Birks. Das dies so kommen würde, hatten manche indes prognostiziert. Unter anderem OB Klaus Jensen und auch Birk, die bereits vor der Entscheidung des Rats für das Kompromiss-Konzept deutlich gemacht hatten, dass manche der Einzelbeschlüsse kaum umsetzbar seien.

Druck wollen nun sämtliche Fraktionen auch in punkto Raummangel in den Gymnasien machen. Deren Situation war im Zuge der Schuldiskussion stark in den Hintergrund gerückt, die Debatte drehte sich fast ausschließlich um Grundschulen, deren Schließung drohte, und die künftige Entwicklung der Realschulen plus. Nun beschloss der Stadtrat einstimmig, dass die Verwaltung prüfen muss, wie der Mangel behoben und „mit welchem Planungskonzept der Raumbedarf ab dem Schuljahr 2015/2016 gedeckt werden kann“.  Allein dem HGT fehlen 14 Klassen.

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