Der geniale Gagaist

Nach bereits zahlreichen Auftritten in der Europahalle, der Arena und dem Amphitheater sorgte Helge Schneider am Freitagabend erneut für beste Unterhaltung in Trier. Foto: Christian JörickeEs ist zwar wohl einer der anspruchsvollsten und anstrengendsten Jobs der Welt, aber bestimmt auch einer der lustigsten: Musiker bei Helge Schneider. Jemanden musikalisch zu begleiten, der oft selbst nicht weiß, was er als nächstes macht, ist eine Herausforderung, die enorme Konzentration, viel Können und eine große Improvisationsgabe verlangt. Die neue Band „Die Dorfschönheiten“, die aus Künstlern besteht, die Schneider schon lange kennt, meisterte diese Aufgabe am Freitagabend mit Bravour und trug so zu einem äußerst unterhaltsamen Konzert in der Arena bei.

TRIER. Er verspottet seine Musiker, will sie immer wieder aufs Glatteis führen und verlangt fast Unmögliches von ihnen: Auf der Bühne gibt Helge Schneider den Tyrannen. Das macht einen Teil seiner Komik aus. Zwei Stunden lang wurde die Band von Schneider schikaniert, gepiesackt und aufs Äußerste gefordert, doch mit großer Konzentration vermochte sie es, sich auf jeden abrupten Einsatz und jede spontane Änderung in einem Lied einzustellen. Nur ein einziges Mal gelang es dem schelmischen Multi-Instrumentalisten (bei „Schönheitschirurg von Banania“ spielte er sogar Klavier und Trompete gleichzeitig), seine grandiose Combo zu narren. In einer Beinah-Endlos-Version von „Feliz Navidad“, die auch fast nur aus dem Refrain bestand, wechselte Schneider plötzlich zu dem Song „I just called to say I love you“, die Band stellte sich seiner Meinung nicht schnell genug darauf ein, dann forderte er das Ganze einen Halbton höher und ehe seine Musiker reagieren konnten, sagte er: „Nee, zu spät, packt ein!“. Als das Sextett sich anschickte, der Aufforderung nachzukommen, setzte Schneider wieder mit „Feliz Navidad“ ein. Es war einer von vielen Highlights an diesem Abend.

Natürlich werden in seinem neuen Programm „Pretty Joe und die Dorfschönheiten“ nicht nur Peter Thoms (Percussion), Carlos Boes (Blasinstrumente), Sandro Giampiedro (Gitarre), Willy Ketzer (Schlagzeug), Kai Struwe (Bass) und Rainer Lipski (Orgel) gequält und verhöhnt. Als Opfer Schneiders Herablassung dienen seit Jahren schon der „Madonna-Ersatz“ und Stimmungstänzer Sergej Gleithman sowie der Sidekick und Teekoch Bodo Oesterling, der seinem Arbeitgeber übertrieben oft Theater-Tee (Wasser) bringen und ihn auch mal auf einen Hocker – Schneider spielt dann eine steife Puppe – setzen muss.

Ein weiteres, wichtiges Element der Komik sind die skurril überzeichneten Musikparodien von Schlagern und Jazz-Standards. So singt er beispielsweise „I did it my way“ in besonders schlechtem Englisch und verspielt sich oft, bei „Mr. Bojangels“ – einer von vielen Songs des neuen Albums „Sommer, Sonne, Kaktus“, die er vorstellt – gebärdet er sich an der Orgel wie Animal aus der „Muppet Show“ auf dem Schlagzeug. Hinzu kommen seine Garderobe – Schneider trägt einen mit Nieten besetzten, blauen Polyesteranzug mit gepunktetem, rotem Einstecktuch und ein psychedelisch buntes Hemd mit einem schulterbreiten Kragen –  und seine eckigen, hölzernen Tanzbewegungen. Die rühren angeblich daher, dass er gepierct gewesen sei („Ich hatte dadurch 100 Kilo Übergewicht“) und sich alle Löcher mit Holzkitt habe auffüllen lassen. „Daher wirke ich etwas hölzern.“

Damit wären wir beim dritten Bereich, der Schneiders Komik ausmacht: der wunderbare, gesprochene und gesungene Blöd- und Unsinn, der einen innerhalb kürzester Zeit selbst völlig albern werden lässt. Zum Teil aus dem Bauch, zum Teil vorbereitet schwadroniert er – nicht immer, ohne selbst darüber lachen zu müssen – über Instrumente aus purem Gold (Saxophone), Laubblasen mit dem Mund und Brustverlängerungen. „Das hört sich ein bisschen nach Fantasie an, ist es aber nicht“, will er das Publikum glauben machen. In Verbindung mit seiner nasalen, geknödelten Aussprache werden selbst Kalauer wie „Johnny Cash war ein raubeininger Typ. Er hatte sehr raue Beine“ zu einem Brüller.

Ganz selten wird Helge Schneider sogar politisch. „Ich habe mich entschlossen, Bundespräsident zu werden. Da gibt es zwar weniger Kohle als bei meinen Auftritten, aber es ist cooler – man muss nur sein.“ Für diese Vielseitigkeit liebt ihn das breitgefächerte Publikum. Selbst Nummern, die wie die „Gangnam Style“-Parodie „Nachtigall, huh“ Längen haben, werden für ihre musikalische Qualität lautstark beklatscht. Erst nach drei Zugaben lassen ihn die 2200 Zuschauer in der Arena gehen.

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