„Manchmal hat man so ein Gefühl“

Die Erfolgsserie geht weiter: In den letzten 18 Minuten der Partie hat Eintracht Trier ein 0:2 gegen den SSV Ulm gedreht. Dank eines sauberen Hattricks von Chhunly Pagenburg siegte der SVE heute Nachmittag verdient mit 3:2 und ist damit seit fünf Spielen ungeschlagen. „Der Fan von Eintracht Trier hat wieder so ein Spiel gebraucht“, spielte Trainer Roland Seitz auf so manches nicht sonderlich sehenswerte Heimspiel in dieser Saison an. Im Rahmen dieses Spieltages warb der Verein mit verschiedenen Aktionen für mehr Toleranz im Stadion. Am Haupteingang war zum letzten Mal die Wanderausstellung „Tatort Stadion 2“ zu sehen, Kinder trugen ein Banner mit dem Aufdruck „Fußball für ein buntes Miteinander“ durch das Rund und die Vorstandsmitglieder Ernst Wilhelmi und Roman Gottschalk sprachen sich in der Halbzeitpause über die Lautsprecher gegen Diskriminierungen aller Art im Fußball aus.

TRIER. Trier war in den ersten 25 Minuten die aktivere Mannschaft, tat sich aber schwer gegen die früh angreifenden Ulmer. Zu ernsthaften Chancen kam der SVE nur über Standardsituationen. So erwischte Fabian Zittlau eine Ecke von Steven Lewerenz gut mit dem Kopf. Holger Betz im Tor der Gäste konnte den Ball nur zur Seite lenken – vor die Füße von Baldo di Gregorio, doch der Winkel war zu spitz (17.). Eine gute Kontermöglichkeit endete vorzeitig, als Chhunly Pagenburg bei einem Doppelpassversuch mit Lewerenz auf dem nassen Rasen ausrutschte. Der SSV Ulm verzeichnete bis dahin nur zwei eher harmlose Fernschüsse (9., 22.).

Umso überraschender war der Führungstreffer der Gäste. Pagenburg verliert 25 Meter vor dem eigenen Tor den Ball, der Ex-Trierer Max Bachl-Staudinger flankt butterweich auf Fabio Kaufmann, der unhaltbar für Stephan Loboué ins linke Eck köpft (24.). Für die ab da in der Vorwärtsbewegung verunsicherte Mannschaft von Roland Seitz sollte es noch dicker kommen: Ein Schuss von Elyes Seddiki aus 18 Metern wird im Strafraum ins linke Toreck abgefälscht – 2:0 für Ulm (32.). Wieder war Loboué, der sich in die andere Ecke bewegte, machtlos. Beide Tore fielen – auch wenn es meteorologisch widersprüchlich ist – aus heiterem Himmel.

„Hier regiert der SSV“, sangen plötzlich die 30 mitgereisten Ulmer Fans unter den insgesamt 1425 Besuchern im Moselstadion. Diese Behauptung war angesichts des Spielverlaufs übertrieben, da Trier mehr vom Spiel hatte. Darum konnte sich auch Pagenburg den 0:2-Rückstand nicht erklären: „Du gehst in die Kabine und weißt nicht, was los ist.“ Von seinem Vorsatz wollte er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abrücken: „Wir haben uns vorgenommen, dieses Jahr kein Spiel mehr zu verlieren.“

Der immer noch nicht gänzlich genesene Baldo Di Gregorio lief nach der Pause nicht mehr auf. Für ihn kam Torge Hollmann, der auch dieselbe Position spielte. Schnell deutete sich an, dass die Eintracht sich mit dem Ergebnis nicht zufrieden gibt. Ulm gelang es kaum noch, sich aus der eigenen Hälfte zu befreien. Ab der 53. Minute erspielte sich Trier Chancen im Minuten-, nein, im Sekundentakt. Zuerst köpfte Maximilian Watzka nach einer Flanke von Zittlau in die Arme des SSV-Keepers. Dieser ließ kurz darauf einen Schuss von Lewerenz nach vorne klatschten, wo Alon Abelski stand. Triers Mittelfeldmotor, der in dieser Partie nicht ganz rund lief, reagierte zu überhastet und schoss über das Tor. Schließlich traf ein Schuss von Steven Kröner nur die Latte (56.).

Für die Ulmer gab es kaum Entlastung. Erst in der 66. Minute kamen die Gäste zu ihrem ersten Eckball. Trier hatte zu diesem Zeitpunkt bereits neun. „Wenn du so spielst und immer noch kein Tor geschossen hast, kannst du normalerweise direkt heimgehen“, verwies Roland Seitz nach der Partie auf eine ungeschriebene Fußballregel. Aber manchmal gibt es eben auch Ausnahmen davon.

Trier versuchte es mit Kurzpasspiel, mit langen Bällen und war gefährlich bei Ecken – doch erst ein Fernschuss von Pagenburg läutete die Wende ein: Der Topknipser der Regionalliga Süd, der in den vergangenen Wochen verletzungsbedingt immer nur das Abschlusstraining mitmachen konnte, zeigte wieder einmal, wie wichtig er auch in angeschlagenem Zustand ist. „Chhun“ zog aus über 20 Metern ab, die Kugel traf den rechten Innenpfosten und rollte ins linke Toreck (72.).

Zehn Minuten später war es wieder Pagenburg, der die Trierer jubeln ließ. Ein Freistoß von Lewerenz erreicht ihn am linken Pfosten, wo er zum 2:2 einnicken kann. Die Mannschaft merkte, dass hier noch mehr drin war und drängte weiter zur Führung. Die besorgte, na wer wohl, Chhunly Pagenburg. Ein Freistoß von Abelski landet am Pfosten, wo der Ball dem 25-Jährigen an Brust springt. Kurz vor dem Tor hat er keine Mühe, ihn über die Linie zu schieben (89.). Während die Trierer Spieler euphorisch aufeinanderspringen, die Trainer begeistert auf den Platz laufen und die Fans auf den Stehplätzen sich glücklich in den Armen liegen, reklamieren die Ulmer ein Handspiel. Die Kugel hatte beim Abpraller auch noch Pagenburgs angelegten Arm berührt.

Das Spiel war jedoch noch nicht gelaufen. Bei einem der wenigen Konter der Gäste rutscht ein Ulmer im gegnerischen Strafraum am Ball vorbei (93.). Dann hätte im Gegenzug der kurz zuvor für Pagenburg eingewechselte Narciso Lubasa den Sack zumachen können. Er lief alleine auf den Ulmer Torwart zu und schoss ihm durch die Beine, wodurch die Kugel ins Toraus abgefälscht wurde. So blieb es beim verdienten 3:2-Erfolg für die Eintracht, der Ulm in der zweiten Hälfte nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

„So ist das im Fußball“, bilanzierte der SSV-Trainer Stephan Baierl , dessen Mannschaft nun vier Spiele in Folge verloren hat. Zwar sei das 3:2 ein klares Handspiel gewesen, doch habe sein eigenes Team auch nicht mehr konsequent nach vorne und die Konter nicht ausgespielt. „Es war eine klasse Leistung von Trier, muss man anerkennen“, räumte Baierl ein.

Auch Seitz lobte seine Mannschaft, „die nie aufgegeben hat“. Er habe dem Team in der Halbzeit gesagt: „Wenn wir ein Tor machen, kippt das Ding.“ Erklären konnte er sich diese Ahnung nicht. „Manchmal hat man so ein Gefühl.“

Trier: Loboué – Brighache, Kröner, Konrad, Zittlau – di Gregorio ( 46. Hollmann ), Watzka – Lewerenz (90. Spang), Abelski, Kuduzovic – Pagenburg ( 90. Lubasa).

Ulm: Betz – Ludmann, Scholz, Reith, Frank – Bachl-Staudinger (90. Beran), Griesbeck – Rodriguez Garcia (69. Gebert), Seddiki, Kaufmann – Toure (72. Agro).

Schiedsrichter: Thomas Münch (Rielasingen)

Tore: 0:1 Kaufmann (24.), 0:2 Seddiki (32.), 1:2 Pagenburg (72.), 2:2 Pagenburg (82.) 3:2 Pagenburg (89.).

Zuschauer: 1425.

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