„Habt ihr nach Gewicht abgestimmt?“

"Und wir sind die Terroristen?" Der Deutsch-Afghane Faisal Kawusi setzt sich in seinem Programm mit Vorurteilen auseinander. Foto: Christian JörickeSie haben alle in den vergangenen Monaten einen Trierer „Comedy Slam“ gewonnen oder wurden mindestens Zweiter. Am Samstagabend galt es, beim „Master Comedy Slam“ in der Mensa der Fachhochschule den besten der acht Teilnehmer zu bestimmen. Die 600 Besucher durften für ihre Favoriten Münzen abgeben, die anschließend gewogen wurden. Für David Kebe, Tano Bokämper, Paco Erhard und David Anschütz war nach den beiden Vorrunden Schluss. Am Ende waren die Münzbecher von Faisal Kawusi am schwersten. Mit eigenständiger Ethno-Comedy und viel Selbstironie setzte sich der Frankfurter mit großem Vorsprung gegen den philosophierenden Kölner Komik-Anarchisten Friedemann Weise durch. Das charmante Schlitzohr Andreas Weber (Stuttgart) wurde Dritter, die einzige Frau im Wettbewerb, Jacqueline Feldmann, belegte den vierten Platz.

TRIER. Am Ende gewinnt der Künstler mit der massentauglicheren Komik. Einen schlechten Geschmack beweist das Publikum, das sich überwiegend aus Studenten zusammensetzt, damit nicht. Faisal Kawusi hat ein großes Improvisationstalent und ein gutes Gespür für Pointen. Ähnlich wie Kaya Yanar setzt der Deutsch-Afghane verstärkt auf Figurenkomik. Selbstironie ist ein Markenzeichen des schwergewichtigen Hünen. Mit die meisten Lacher kann er mit einem Hinternwackeln in Richtung Zuschauer verbuchen.

Hauptthemen seiner zwei Mal zehnminütigen, rundum gelungenen Auftritte sind Probleme mit seinem Migrationshintergrund und seinem Übergewicht. „Ich weiß schon, was ihr jetzt denkt“, spricht er das Publikum an. „Was will der dicke Kanake da vorne? Aber ich bin nicht dick. Ich habe ein Hohlkreuz.“ Schließlich erklärt er auch noch seine Herkunft. Obwohl der – nach eigenen Angaben – gelernte Bankkaufmann in Frankfurt geboren wurde, bereite ihm sein Äußeres Identitätsprobleme: „Wenn ich nach Afghanistan gehe, bin ich Deutscher, in Deutschland bin ich Türke.“

"Ehrlichkeit hat nichts in einer Beziehung und auf der Bühne zu suchen." Friedemann Weise belegte mit Sarkasmus und gesprochenem und gesungenem Wortwitz den zweiten Platz. Foto: Christian JörickeDie erste Vorrunde entscheidet Kawusi für sich – vor Friedemann Weise, der auch im Finale Zweiter werden sollte. „Habt ihr nach Gewicht abgestimmt?“, wundert sich der Kölner über das erste Ergebnis. Weise, der unter Satirekennern einen gewissen Bekanntheitsgrad wegen seiner Bildwitze auf Facebook hat, ist der Interessantere der beiden Sieger. Obwohl er auf der Bühne wirkt, als stünde er unter Alkohol- oder sonstigem Drogeneinfluss und wäre er nicht mehr Herr seiner Sinne, sind seine schnoddrig hervorgebrachten Sätze scharf wie Rasierklingen. Sein äußeres Auftreten vermittelt den Eindruck von Schwerfälligkeit, der sich zunächst auch im umständlichen Justieren des Mikronfonständers bestätigt. „Wir haben Zeit. Ich habe eh nur zwei Minuten Material.“

Doch dann geraten die Besucher in ein zehnminütiges Pointendauerfeuer. Während man noch über den einen Gag lacht, hat er schon den nächsten gemacht. „Ich war eben noch im Hotel und habe meinen ersten Porno gesehen.“ Pause. „Gott, sah ich da noch jung aus.“ Während andere Komiker jetzt erst mal grinsend den Applaus abwarten würden, macht Weise, ohne eine Miene zu verziehen, weiter, als ginge es darum, so viele Witze wie möglich herauszuhauen. „Wie lange habe ich noch?“, spielt er auf sein vermeintlich zu knappes Programm an. Angeblich mangelnder Stoff ist der Running Gag, der sich auch durch seinen zweiten Auftritt zieht. „Ich habe den falschen Zettel, den aus der ersten Hälfte. Aber die habt ihr eh schon wieder vergessen.“

Die Veranstalter Peter Stablo und Kerstin Rubas (Mitte) erhalten für ihre Verdienste um die Kleinkunst eine Auszeichnung von Kulturkollegen aus Thüringen und Düsseldorf. Foto: Christian JörickeSelten hat man sich so genüsslich für dumm verkaufen und beleidigen lassen, und man würde gerne wissen, ob Weise das hohe Niveau auch über 90 Minuten halten kann. „Jogi Löw hat mir neulich erzählt, ach ne, darf ich gar nicht sagen.“ Rücksicht kennt das selbsternannte „Leitmedium der deutschen Satiropopszene“ weder bei sich noch bei Minderheiten. „Sind hier Epileptiker im Raum? Niemand? Jetzt habe ich schon wieder extra mein Stroboskop-Feuerwerk weggelassen.“ Das hohe Tempo, der kluge Wortwitz, das gute Timing, die eigenständige Figur, die enorme Schlagfertigkeit und die anarchische Respektlosigkeit kommen bei erstaunlich vielen Zuschauern erstaunlich gut an. „Danke, nicht mehr klatschen. Wir sind hier doch nicht beim Jazz.“

Der politisch inkorrekteste Gag des Abends gelingt dennoch Faisal Kawusi. Nachdem zum gefühlt 200. Mal leere Flaschen im Saal umgeworfen wurden, mutmaßt der spätere Constantin-Comedy-Preis-Gewinner, dass dahinter eine absichtliche Störung des in der Vorrunde ausgeschiedenen jüdischen Comedians Tano Bokämper steckt. „Das war der Jude!“ Bokämper stürzt daraufhin gespielt entsetzt zur Bühne und bedroht ihn zum Spaß mit einer Flasche, woraufhin Kawusi entgegnet: „Und wir sind die Terroristen?“

Faisal Kawusi lässt sich nach dem Gewinn des zehnten "Master Comedy Slams" feiern. Foto: Christian JörickeBevor der 22-jährige Frankfurter seinen Preis aus den Händen von Thomas-Egger-Vertreter Markus Nöhl entgegennimmt, werden Peter Stablo und Kerstin Rubas vom „Kultur Raum Trier“ von Kollegen aus Düsseldorf und Thüringen für ihre langjährige Arbeit in der Kleinkunst geehrt. Mit dem „Comedy Slam“ schufen sie vor zehn Jahren ein Format, das inzwischen bundesweit viele Nachahmer gefunden hat.

Nach unterhaltsamen, aber anstrengenden vier Stunden wird Kawusi zum Gewinner des zehnten „Master Comedy Slams“ gekürt. Neben einer kleinen Trophäe erhält er ein Preisgeld von 500 Euro. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich freue mich. Gibt’s noch was zu essen?“

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