Greenpeace-Aktivisten protestieren in der Mosel

GreenpeaceBannerMoselKleinGreenpeace-Aktivisten aus drei Ländern haben am Freitag auf der Mosel in Trier für eine sofortige Abschaltung der grenznahen französischen Atomkraftwerke Fessenheim und Cattenom protestiert. Zehn Mitglieder der Umweltschutzorganisation schwammen mit einem mehrere Quadratmeter großen Banner durch den Fluss. Auf der Römerbrücke startete Greenpeace eine Unterschriftensammlung für eine Petition. Mit der Länder übergreifenden Aktion soll der Druck auf Frankreichs Staatschef François Hollande erhöht werden. Der hat zwar angekündigt, Fessenheim stilllegen zu wollen, doch in Sachen Cattenom scheint noch alles offen. Dabei hat die 50 Kilometer moselaufwärts gelegene Anlage erst am Freitag wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Bereits im Juli flossen insgesamt rund 58.000 Liter Salzsäure in den Fluss, bestätigte die französische Atomaufsicht.

TRIER/LUXEMBURG/PARIS. François Hollande sieht sich als ein Schüler François Mitterrands. Als letzterer am 24. April 1986 nach Trier kam, um sich in der selbst ernannten „Moselmetropole“ mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zu deutsch-französischen Konsultationen zu treffen, gab es in der Innenstadt lautstarke Proteste gegen die im selben Jahr erfolgte Inbetriebnahme des ersten Blocks von Cattenom. Mitterrand ließ diese wie auch vorangegangene Demonstrationen gegen das AKW an sich abperlen, der Sozialist war – wie seinerzeit die überwältigende Mehrheit seiner Landsleute und vor allem der politischen Klasse Frankreichs – ein absoluter Befürworter der Kernkraft. Mit Greenpeace hatte Mitterrand bekanntlich weniger am Hut. Während seiner Regentschaft versenkte der französische Geheimdienst im neuseeländischen Auckland das Kampagnenschiff „Rainbow Warrior“. Ob Mitterrand über die Aktion vorab informiert war, ist bis heute unklar. Erst viele Jahre nach dem Tod des Staatschefs behauptete dies aber der damalige Geheimdienstchef gegenüber dem Pariser Blatt Le Monde.

GreenpeacePetitionKleinGemessen an den Aufsehen erregenden und entsprechend medienwirksamen Hochsee-Kampagnen nahm sich die Aktion am Samstagmittag zwar eher bescheiden aus, doch mit ihrem schwimmenden Protest setzten die Greenpeace-Aktivisten ein deutliches Zeichen. Vom Barbara-Ufer aus machten sich zwei Boote auf, gemeinsam eskortierten sie zehn schwimmende Aktivisten, die ein mehrere Quadratmeter großes Banner in Richtung Römerbrücke zogen. „Radioaktivität kennt keine Grenzen“, lautete die altbekannte Botschaft darauf. Nur etwa 50 Kilometer flussaufwärts, und man ist im Dreiländereck Deutschland, Frankreich und Luxemburg. Hier steht mit Cattenom eine der größten nuklearen Anlagen der Électricité de France, kurz EDF. Der staatlich dominierte Energiekonzern betreibt etliche Meiler, doch nur wenige sind derart störanfällig wie Cattenom, dessen vier Reaktoren zwischen 1986 und 1990 ans Netz gingen. „Seit der Inbetriebnahme hat es 750 Störfälle gegeben“, berichtet Alexander Schmidt, Antiatom-Aktivist von Greenpeace Trier.

Da wird der Störfall beinahe schon zum Regelfall, auch wenn manche Vorkommnisse selbst nüchterne Beobachter fassungslos machen müssen. So wurde an diesem Freitag erst mit mehrwöchiger Verzögerung bekannt, dass bereits im Juli aufgrund eines unerkannten Lecks in einer Leitung über Tage insgesamt rund 58.000 Liter Salzsäure auslaufen konnten, ein Teil hiervon in die Mosel. „Wenn so etwas in einem kleinen Unternehmen passieren würde, würden die Behörden es sofort dicht machen“, ist Roger Spautz von Greenpeace Luxemburg überzeugt. Im Fall von Cattenom habe der Betreiber hingegen nichts zu befürchten, beklagte er am Samstag gegenüber 16vor. Spautz zählte zu den gut zwei Dutzend Aktivisten aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg, die mit ihrem schwimmenden Protest den Druck auf Holland verschärfen möchten.

GreenpeaceBooteKleinDer Salzsäure-Vorfall vom Juli hat die Diskussion zusätzlich angefeuert. So erklärte die Grünen-Landtagsabgeordnete Stephanie Nabinger: „Es ist skandalös, dass die EDF gravierende Vorkommnisse im Atomkraftwerk offensichtlich bewusst verschweigt. Es ist zu fragen, ob wenigstens die zuständigen Behörden auf deutscher Seite rechtzeitig von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt wurden. Schließlich hätten sie die notwendigen Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung weiter gehender Umweltschäden in die Wege leiten müssen.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster wandte sich dieser Tage in einem Brief an seine französischen Parlamentskollegen aus Triers Partnerstadt Metz und die weiteren Abgeordneten aus der Region Lothringen. „Die Kernkraft hat in der Bürgerschaft die gesellschaftspolitische Akzeptanz verloren. Cattenom stellt zudem sowohl für die französischen, als auch für die deutschen und luxemburgischen Bürgerinnen und Bürger ein ernst zu nehmendes Sicherheitsrisiko dar“, so Kaster, der eine „Abschaltperspektive für Cattenom“ verlangt. Kasters saarländischer Parteifreund, Bundesumweltminister Peter Altmaier, will sich die Forderung nach einem raschen Aus für Cattenom indes nicht zu eigen machen. Es gebe keinen Grund, die sofortige Abschaltung von Cattenom zu verlangen, erklärte Altmaier am Freitag im Interview mit dem Saarländischen Rundfunk, er freue sich grundsätzlich über jedes AKW, das vom Netz gehe. Die ganze Diskussion um Cattenom bezeichnete der Minister als ein „Wahlkampfmanöver“.

Greenpeace steht am 22. September nicht zur Wahl, und ein neuer französischer Präsident wird erst 2017 wieder gewählt. Hollande hat angekündigt, den Anteil der Kernkraft an der Energieversorgung seines Landes von 75 auf 50 Prozent senken zu wollen, als erstes will er die Anlage in Fessenheim stilllegen. Alexander Schmidt traut den Ankündigungen nicht, sie seien zu unverbindlich. Obendrein habe Hollande vor seiner Wahl zum Präsidenten der Republik erklärt, Fessenheim sofort abschalten zu wollen, so Schmidt. „Ohne eine gesetzliche Festschreibung bleibt das Wahlversprechen Hollandes ein reines Lippenbekenntnis. Der Präsident muss handeln und die Reaktoren schnellstmöglich stilllegen“, so Schmidt. Cattenom und Fessenheim seien „ein nicht hinnehmbares Risiko – auch für Deutschland. Frankreich muss endlich zeigen, dass es mit der Energiewende Ernst macht“.

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