Graswurzelwirtschaft im Gemeinschaftsgarten

TransitionKleinJeder kennt sie: verwilderte, vergessene und zugewucherte Ecken Triers, an denen man auf dem Weg zur Arbeit vorbei läuft. Man nimmt sie erst dann wahr, sobald sich darauf etwas fundamental verändert. So ergeht es vermutlich manchen Anwohnern von Domänen- und Avelsbacher Straße im Stadtteil Kürenz, die diese Veränderungen vor ihren Haustüren beobachten können. Denn ein Teil eines verwilderten Grundstücks am Ausgang des Aveler Tals wurde gerodet, der Wildwuchs hinter der gewohnten Garagenlandschaft ist Geschichte. Beete wurden aufgestellt und Pflanzen eingepflanzt. Ab und zu sieht man dann auf diesem Gelände Menschen arbeiten – keine Bauarbeiter oder Angestellten der Stadt, denn sie kommen am Wochenende, teils mit dem Fahrrad.

KÜRENZ. Hinter dieser sichtbaren Veränderung des Stadtteils steckt die Initiative „Transition Trier e.V.“, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Moselstadt in eine sogenannte „Transition-Town“ zu verwandeln. Dabei geht es nach der Selbstdarstellung des Vereins etwas abstrakt darum, die Stadt und vor allem deren Bewohner fit zu machen für künftige Herausforderungen, die sich durch den Rückgang der fossilen Energieträger stellen werden. Dazu gehören unter anderem die Förderung der Wirtschaftskreisläufe vor Ort durch den Aufbau von Reparaturwerkstätten und Tauschringe. Ein Tauschmarkt für Pflanzen wurde bereits organisiert. Ein weiteres Ziel sei das das Wiedererlernen von Kulturtechniken, zum Beispiel handwerkliche Fähigkeiten, um Gegenstände reparieren zu können. Oder eben, ganz banal, einen Garten zu betreiben. Mit den drei Gartenprojekten des Vereins sollen vor allem Städter angesprochen werden, die zuhause keinen Möglichkeiten haben, Gemüse anzubauen oder Obstbäume zu ernten. Mitmachen kann prinzipiell jeder, Mitglied im Verein muss man nicht werden.

Umweltwissenschaftlerin Maja Nägle, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat, ist eine der Ansprechpartnerinnen des Kürenzer Gemeinschaftsgartens und erklärt die Offenheit der Gruppe: „Grundsätzlich kann jeder mit uns reden und uns erklären, was man machen möchte, und wenn jemand Pflanzen hat, dann gucken wir, dass wir Platz dafür finden.“ Das Gelände an der Ecke Domänenstraße und Avelsbacher Straße eignet sich dafür hervorragend, da es mit rund 1.700 Quadratmetern alles andere als klein ist; es reicht bis zu den Bahnanlagen. Die reichlich vorhandene Fläche lässt somit zu, dass neben einer Sitzgelegenheit und einer Hütte auch Wildsträucher und Bienenweiden angelegt werden können. „Das Ziel ist es, einen Platz zu haben, wo man mithelfen, zuschauen und lernen kann. Einen Ort, an dem man sich wohlfühlt“, fasst Nägle das Konzept des Gemeinschaftsgartens zusammen.

Vom Wohlfühlplatz ist die Gruppe allerdings noch ein Stück weit entfernt, und durch das schlechte Wetter im Frühjahr gehe es auch nicht ganz so schnell voran, wie geplant. Mit den 10 bis 20 Personen, die an vorher festgelegten Wochenenden zum Helfen anrücken, hat man aber zumindest eine respektable Besetzung für die ersten Schritte. Die Transition-Mitglieder legen Wert auf die Feststellung, dass die Gruppe aus sehr verschiedenen Menschen besteht. Jedes Alter und jeder Hintergrund – von Handwerkern bis zu Studierenden – seien vertreten. „Es sind schon einige Leute dabei, die entweder sehr viel Erfahrung haben oder in der Richtung arbeiten – die zum Beispiel wissen, wie man einen Baum schneidet. Aber zum größten Teil sind wir Menschen, die sich einlesen und dann einfach ausprobieren.“

Neben neuen Leuten, die an den bestehenden Projekten mitarbeiten wollen, seien prinzipiell auch all jene willkommen, die eine eigene Idee haben, die man unter dem Banner der Transition-Gruppe voranbringen kann. Der noch junge Verein zählt seit seiner Gründung im November 2012 bereits 38 feste Mitglieder und rund 70 Interessierte auf seiner Mailingliste. Allerdings scheint das Gartenprojekt in Kürenz von der unmittelbaren Nachbarschaft noch weitgehend ignoriert zu werden. „Bis jetzt kamen ein paar Leute mit Kindern, die das total spannend fanden, aber ansonsten haben sich noch nicht viele aus Kürenz dem Projekt angeschlossen. Deswegen versuchen wir jetzt über Flyer, die wir in die Briefkästen werfen, Leute darauf aufmerksam zu machen. Da es auch für den Stadtteil eine grüne Oase werden und speziell für Leute ohne eigenen Garten nützlich sein soll“, berichtet Nägle.

Aus der Politik erfährt das Kürenzer Gartenprojekt dabei bereits Unterstützung, handelt es sich doch de facto um eine kostengünstige Ortsverschönerung und obendrein um ein Bildungsangebot. So wurde in Kooperation mit Ortsvorsteher Bernd Michels (CDU) ein Wasseranschluss auf dem Grundstück angelegt. „Die Stadt und der Ort Kürenz zeigen sich da ziemlich offen. Subventioniert werden wir aber nicht“, so Nägle. Auch mache man professionellen Landschaftsgärtnern keine Konkurrenz, schließlich wandele man nur ungenutzte Flächen um.

„Es hat auch schon jemand bei uns angerufen, der fragte, ob wir auch seinen privaten Garten verschönern wollten. Darum geht es natürlich nicht“, kommentiert Volkswirt und Gemüsegärtner Robert Aßmann verschmitzt das bisherige öffentliche Interesse. Aßmann hat den Verein zusammen mit Reiner Hemmerling und anderen Interessierten Anfang November aus der Taufe gehoben. Man wollte zwar schon länger etwas verändern, aber „Transition war dann das, wo wir uns dachten: Das ist jetzt das Richtige, weil es so praktisch ist. Man kann direkt anfangen, beispielsweise mit diesen Gartenprojekten.“ Und so entstand als eines von drei Vorhaben der Gemeinschaftsgarten in Kürenz, dessen Schild mit dem Transition-Schriftzug mittlerweile prominent und kaum übersehbar zur Avelsbacher Straße hin aufgestellt wurde.

Neben den Gartenprojekten, zu denen noch ein Stadtgarten bei der Tufa und eine Obstwiese in Euren zählen, bietet der Verein auch eine Fahrrad-Reparaturwerkstatt, Töpferkurse sowie unter dem Banner der „Nachbarschaftshilfe“ auch die Planung von Tauschringen an. Die diversen Projekte sollen noch ausgebaut werden, sodass Triers Wirtschaftskreislauf nach der Vorstellung von Transition einen deutlich lokaler ausgerichteten Schwerpunkt bekäme. Dabei möchte man später auch mit der ansässigen Wirtschaft kooperieren, ohne bisher konkrete Pläne dazu zu haben. Die Zukunft Triers soll laut der Selbstbeschreibung auf der Homepage „enkeltauglich“ und „krisenfest“ gestaltet werden. Nägle selbst ist jedoch davon überzeugt, dass die Erträge des Gartens lediglich zur Ergänzung der eigenen Versorgung dienen könnten. Sie würden nicht ausreichen, um irgendjemanden komplett zu versorgen. Direkte wirtschaftliche Konsequenzen wird ein solches Projekt kurzfristig also nicht haben – aber ein Anfang ist gemacht.

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