Geheimtipp Trier-Nord

Trier-Nord soll ein besseres Image bekommen. Dies ist zumindest die Aufgabe, die der Ortsbeirat zusammen mit dem Quartiersmanagement Trier-Nord zwei Fächern der Universität Trier gestellt hat. 50 Studierende der Geschichte und Kunstgeschichte haben sich im zurückliegenden Wintersemester des Themas angenommen. Im Juni wollen sie das Ergebnis in Form einer Broschüre über den Stadtteil präsentieren und hierbei den Blick auf die zahlreichen Sehenswürdigkeiten nördlich der Porta Nigra lenken. Die Imagekampagne richtet sich indes nicht nur an Touristen, sondern auch an die Alteingessenen im Stadtteil: Diese sollten wieder mit Stolz sagen können, dass sie in Trier-Nord leben, gibt der Kunsthistoriker Professor Andreas Tacke eines der Ziele aus.

TRIER-NORD. Vor einem Jahr stellten Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Die Grünen) und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) das knapp 70-seitige Werk „Integriertes Entwicklungskonzept. Programmgebiet Soziale Stadt Trier-Nord 2009-2015“ vor, in dem der Stadtteil „mit besonderem Entwicklungsbedarf“ beschrieben wird. An der Entwicklung von Trier Nord arbeitet bereits seit 1991 die Wohnungsgenossenschaft Am Beutelweg (Wogebe), welche die Probleme des Stadtteils kennt und die Situation wirkungsvoll verbessert. Die Kombination aus vernachlässigter Baustruktur und einem beträchtlichen Anteil von Menschen mit unmittelbarer oder drohender Armut dürfen keine Abwärtsspirale für den Stadtteil bilden, so der Vorstand der Wogebe.

Mehr als 20 Prozent der Trier-Norder erhalten derzeit Arbeitslosengeld II. Zum Vergleich: In der Gesamtstadt liegt die Quote bei sieben Prozent. 40 Prozent der im besonders kinderreichen Stadtteil lebenden Kinder wachsen unter schwierigen materiellen Bedingungen auf – und damit meist auch bildungsfern, wie die detailliert aufgeführten Zahlen im Entwicklungskonzept deutlich machen. Trotzdem oder gerade darum lohnt es sich, den Stadtteil mit seiner heterogenen Bau- und Sozialstruktur einmal näher zu betrachten. Denn abseits des sozialen Gefüges findet sich hier, historisch und kunsthistorisch betrachtet, eine Vielfalt an Interessantem, was es zu entdecken gilt.

An einem Samstag im November letzten Jahres erkundete eine Gruppe von 50 Studierenden und zwei Hochschullehrern Trier-Nord. Die Teilnehmer machten sich ein erstes Bild von dem Stadtteil, den viele bis dahin gar nicht kannten. „Bei unserem Rundgang habe ich einen Stadtteil kennen gelernt, der viel Unterschiedliches bietet. Das Nell’s Ländchen und die Schwarzwaldhäuser sind richtig nett, die Kirchen beeindruckend“, berichtet Michaela Betzold-Cuglietta. Die Studentin der Kunstgeschichte stammt aus Saarlouis und pendelt jeden Tag nach Trier. „Mir war das Image des Stadtteils nicht bekannt, und so bin ich ganz unbefangen an das Thema herangegangen.“

Geführt wurde die Gruppe unter anderem von Markus Nöhl, Mitglied des Ortsbeirates Trier-Nord. Als Historiker kennt er die Vorzüge seines Stadtteils und verband mit der Idee das Nützliche mit dem Schönen. Lehramtsstudierende der Uni Trier müssen im Rahmen ihres Hauptstudiums Geschichte ein Projektseminar absolvieren, in dem Forschung und Praxis Hand in Hand gehen und auch pädagogisches Know-how gefragt ist. Was liegt da näher, als den Stadtteil historisch zu erforschen und damit Wert zu schätzen, auf dass das Image ein besseres werde?

„Bei der Führung gab es so manche Ecken, bei denen uns die Einheimischen gesagt haben, dass sie uns im Sommer hier eher nicht vorbeigeführt hätten“, erinnert sich Andreas Tacke, Architekt und Professor für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit. „Bei unserem Rundgang fiel sogar der Ausdruck Bronx. Doch gerade die Nähe dieser Stadtteile mit den Luftlinie nur 400 Meter entfernen Upperclass-Villen am Nell‘s Park machen den Norden der Stadt so vielfältig und interessant. Wahrscheinlich zeigen sich die sozialen Spannungen wohl eher im Sommer.“ Das Uni-Projekt mit dem Titel „Image-Kampagne für Trier Nord: Erstellung einer kulturhistorischen Touristen-Broschüre“ nimmt das Ergebnis vorweg: Ziel ist eine hochwertige 36- oder 40-seitige Broschüre, deren Finanzierung der Ortsbeirat sicherstellt. Hinzu kommt eine Homepage, welche die gesammelten Ergebnisse auch online vermitteln soll und im besten Fall auch weiter gepflegt wird. In einer Auflage von 3.000 Stück wird das Heft kostenlos an interessierte Bürger des Stadtteils verteilt und im Bürgerhaus sowie der Tourist-Information ausgelegt. „Wenn das Interesse größer ist, kann die Stadt entscheiden, das Heft nachzudrucken“, so Aline Stang.

Die angehende Historikerin bildet zusammen mit Michaela Betzold-Cuglietta und drei weiteren Studierenden das Team „Öffentlichkeitsarbeit“. Eine weitere Gruppe mit einer ausgebildeten Grafikerin übernimmt das Design und die Produktion bis hin in die Druckerei. Die 50 Studierenden haben sich unter der Leitung von Andreas Tacke und der Historikerin Dr. Rita Voltmer in zehn Gruppen à fünf Personen aufgeteilt, welche neben den organisatorischen Belangen vor allem die Inhalte bearbeiten. Die acht weiteren Teams haben sich den Stadtteil nach Quartieren aufgeteilt, die nun kunsthistorisch und historisch analysiert und betrachtet werden; darunter sind die Kirchen St. Maximin, St. Paulin, St. Ambrosius, das Maarviertel, der Hauptfriedhof, die Parkstraße, das Nell‘s Ländchen und zu guter Letzt Zurlauben.

„Auch ich kannte Trier-Nord nur vom Durchfahren auf die Autobahn“, räumt Tacke ein. „Aber bei der näheren Betrachtung wird deutlich, wie viel Potenzial hier steckt! Wir wollen keinen Lokalpatriotismus schüren, sondern wir liefern gute objektive Gründe, den Stadtteil zu besuchen oder hier zu leben.“ Als Beispiele nennt er die kunsthistorisch hochrangige Barockkirche St. Paulin, die imposante Geschichte der Reichsabtei St. Maximin, oder den historisch interessanten Nell’s Park mit den weltweit berühmten Rosen des Trierer Gärtnersohns Peter Lambert. „Wir machen den Stadtteil nicht schöner als er ist, aber wir laden mit unserer Broschüre zu einem interessanten Rundgang ein, sowohl für die Trierer als auch für interessierte Touristen. Es lohnt sich, hinter der Porta Nigra weiterzulaufen, obwohl der erste Eindruck ja nicht gerade attraktiv ist.“

Auch wenn der unvoreingenommene und kulturhistorisch geprägte Blick auf den Norden der Stadt vorherrscht, so bleibt nicht unerwähnt, dass Trier-Nord gerade aus seiner sozialen Struktur heraus ein besonderer Stadtteil ist. „Viele von uns wohnen auch hier und kennen sich gut aus“, erzählt Aline Stang. „Das ist natürlich auch von Vorteil. So können wir in Zurlauben die Geschichte von dem Fährmann Jupp Seiler erzählen, der hier 49 Menschen das Leben gerettet hat, oder von dem Komponisten Georg Schmitt, der hier geboren wurde und das Mosellied komponierte.“ Tacke ergänzt: „Gerade aus der Underdog-Struktur haben sich hier eine Vielzahl an Aktivitäten rund um das Bürgerhaus, den Hochbunker und die sozialen Einrichtungen entwickelt, die es in der ‚heilen Welt‘ wie Tarforst nicht gibt. Hier ist wirklich was zu entdecken! Wir wollen, das die Bürger ihren Stadtteil richtig kennen lernen und stolz sagen, ‚ich lebe in Trier-Nord‘ – ohne die Ergänzung ‚aber im Maar-Viertel'“.

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