Fürs Erste auf die Matratze

Am kommenden Montag beginnen an der Universität die Vorlesungen des Wintersemesters. An der Fachhochschule der Moselstadt ist der Lehrbetrieb bereits seit zwei Wochen in vollem Gange. Mit dem neuen Semester sind Tausende Erstsemester in die Stadt gekommen, und noch nicht alle sind auf der Suche nach einer Bleibe fündig geworden. Zwar ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt im Vergleich zu den Vorjahren nicht außergewöhnlich angespannt, doch viele Hochschüler müssen sich noch mit Notlösungen behelfen und vorübergehend auf Matratzenplätze ausweichen. 16vor sprach mit zwei Erstsemestern, für die sich die Suche nach einer Studibude bislang einigermaßen kompliziert gestaltete. 

TRIER. So hatte sich Sabine Schöndorf ihre neue Wohnung in Trier nicht vorgestellt: Kein Bett, nur eine Matratze auf dem Fußboden, und dann auch noch das Zimmer mit zwei Fremden teilen. Ihre Möbel und Kartons stehen noch bei den Eltern. Doch die müssen warten, denn Sabine Schöndorf hatte bis vorgestern noch keine Wohnung gefunden. Sie musste deswegen in einer Notlösung Zuflucht suchen und auf einem Matratzenplatz kampieren.

Das klingt nach Jugendherberge und Couchsurfen, bietet aber für verzweifelte Erstsemester eine gute Übergangslösung. Im Internet bieten AStA und Privatpersonen Schlafgelegenheiten an, sogenannte Matratzenplätze. Das kann ein eigenes Zimmer mit Bett und Fernseher oder aber nur ein Platz auf dem Sofa in der Küche sein. Der AStA nimmt für den Schlafplatz pro Nacht 3 Euro, Privatpersonen können schon mal ein wenig mehr verlangen.

Sabine Schöndorf hatte ihren Schlafplatz auf hunderttausend.de gefunden. Den Tipp bekam sie von einer Freundin, nachdem sie wochenlang immer wieder von Darmstadt nach Trier gefahren war, um vor Ort nach einer Wohnung zu suchen. „Ich war irgendwann so verzweifelt, dass ich jedes Angebot angenommen hätte“, sagt die 25-Jährige. Der Matratzenplatz sei eine gute Idee, denn ein Hotel oder eine Jugendherberge habe sie sich nicht leisten können. Dort konnte sie schlafen, bis sie am Mittwochabend endlich eine Wohnung fand. Die Vorlesungen und Seminare der Fachhochschule, an der die 25-Jährige studiert, hatten da schon längst begonnen.

Als sie vor zwei Monaten die Zulassung von der FH bekam, hätte die Erstsemesterin nie gedacht, dass die Wohnungssuche ein derart großes Problem werden würde. Doch jetzt saß sie tagsüber in Seminaren und klapperte abends Wohnungen in Trier ab – und bekam erst einmal eine Absage nach der anderen. Das zerrt an den Nerven: „Wenn man dann etliche WGs durch hat“, sagt sie ein wenig resigniert „fängt man irgendwann an, an sich selbst zu zweifeln und sich zu fragen: Wie wirke ich denn auf andere, dass ich immer wieder zurückgewiesen werde?“

Auch Geologie-Student Octavio Tasch kennt das Gefühl. Mehr als 30 Wohnungen hat er sich in den letzten Wochen angeschaut, war immer wieder freundlich und hat versucht, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Nun logiert auch er auf einer Matratze. Es sei schwer, sich gegen 80 Mitbewerber durchzusetzen, sagt er. Bisher hat er nur eine Zusage bekommen. Die Wohnung ist jedoch komplett unmöbliert und mehr als renovierungsbedürftig. „Da fällt die Tapete von den Wänden, das Dach müsste renoviert werden, und überall pfeift der Wind. Deshalb würde ich da nicht gerne einziehen“, sagt der 20-Jährige. Doch wenn er bis zum Start der Vorlesungen keine Alternative finden sollte, bliebe ihm nichts anderes übrig.

Das Wohnungsproblem ist kein neues: Jedes Jahr, kurz vor Beginn des Wintersemesters, strömen Tausende Studenten nach Trier und überschwemmen in kürzester Zeit den Wohnungsmarkt. Nach ersten Schätzungen haben sich allein in diesem Jahr rund 4.500 neue Studenten an FH und Universität eingeschrieben – knapp 500 mehr als im Vorjahr.
„Die wollen dann natürlich alle so schnell wie möglich eine Wohnung haben“, sagt Andreas Wagner vom Studierendenwerk Trier. Das Problem sei nur, dass alle auf einmal kämen und ähnliche Ansprüche hätten: Eine Wohnung am liebsten in der Innenstadt, mit Balkon und nicht zu teuer. Doch das ginge natürlich nicht, darum müssten die Studenten ein paar Abstriche machen und sich auf Trier und die Umgebung verteilen.

Weil das aber meist nicht so schnell klappt, hat sich das Studierendenwerk schon vor Monaten auf den Studentenzustrom eingestellt. Es wurden Notunterkünfte eingerichtet, beispielsweise im Martinskloster an der Kaiser-Wilhelm-Brücke. Privatpersonen wurden öffentlich dazu aufgerufen, Zimmer zu vermieten. Natürlich gibt es auch die normalen Wohnheimplätze, doch die sind schon seit Monaten ausgebucht. „Darum sind wir froh, wenn sich noch einige Privatpersonen melden, die Zimmer vermieten wollen“, sagt Bettina Schappo von der Wohnheimverwaltung. Wenige Tage vor Vorlesungsbeginn an der Universität ist die Lage noch immer angespannt. Die Erfahrung zeige zwar, dass sich die Wohnungsnot „in den ersten Wochen nach Semesterbeginn entspanne. Doch für den Übergang muss für alle Studenten gesorgt werden“, gibt Wagner zu bedenken.

Simin Sadeghi

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