„Für Trier ist der Verbund zum Albtraum geworden“

Noch steht die endgültige Entscheidung aus, doch deutet einiges auf eine drastische Verteuerung der Bus- und Bahntickets hin – um 50 Cent oder mehr als 30 Prozent sollen die Kurzzeitfahrscheine teurer werden. Allerdings in Luxemburg, wo man bislang für 1,50 Euro zwei Stunden lang mit Bussen und Bahnen durchs Land fahren darf – von Wasserbillig bis Wiltz, von Clervaux bis Grevenmacher. Wer in Trier mit dem Bus von Heiligkreuz zum Hauptbahnhof fährt, zahlt 2,55 Euro, und im Januar werden die Tickets noch einmal 6 Prozent teurer. Auf Antrag der CDU sollte der Stadtrat am Donnerstagabend den Austritt aus dem Verkehrsverbund Region Trier (VRT) beschließen, doch nach längerer Debatte wurde die Kündigung vertagt. Schiffbruch erlitten derweil die Freien Wähler mit ihrem Antrag, den beschlossenen Ausbau der maroden Bustrasse an der Treviris-Passage wieder abzumoderieren. Keine einzige Fraktion wollte dem FWG-Vorstoß folgen.

TRIER. Chronik einer angekündigten Kündigung: Im Oktober hatte die CDU die Verwaltung beauftragen wollen, zu prüfen, „ob und inwieweit ein schnellstmöglicher Austritt“ aus dem Verkehrsverbund machbar wäre. Doch zur Beratung kam es nicht, der Antrag wurde kurzfristig zurückgezogen. Am Donnerstagabend stand das Thema erneut auf der Tagesordnung, dieses Mal gingen die Christdemokraten noch einen Schritt weiter: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Mitgliedschaft im Verkehrsverbund der Region Trier gemäß Paragraph 20 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags zum Ablauf des Jahres 2014 zu kündigen“, hieß es nun. Doch auch gestern sollte es bei einer Kündigungs-Ankündigung bleiben. Nun soll sich der Steuerungsausschuss noch einmal des Themas annehmen, beschloss der Stadtrat einstimmig, im Dezember werde dann entschieden.

Folgt man dem Tenor der Debattenbeiträge, dann kann am Ende nur eine Kündigung der Mitgliedschaft im Verkehrsverbund stehen. „Es war ein Traum gewesen, als sich der Verbund bildete. Der Traum ist inzwischen aus Sicht von uns Trierern zu einem Albtraum geworden“, erklärte Thomas Albrecht. Der Unionsmann hat sich umgehört in der Republik und stellte fest: „Busfahren ist in Trier mit am teuersten“. Der VRT sei zudem der einzige Verbund in Rheinland-Pfalz, der keine Kundenzuwächse verzeichne. Hierfür trügen aber nicht die Mitarbeiter des VRT schuld, im Gegenteil: „Die haben eine ganz hervorragende Arbeit geleistet“. Offenbar sei es aber so, dass beim Thema Nahverkehr Trier als Großstadt und die Region nicht zusammenpassten.

Nun soll der Steuerungsausschuss beraten

Fakt ist: Weil im ländlichen Raum die Schülerzahlen zurückgehen, lässt sich das Angebot in der Fläche kaum noch aufrechterhalten. Weil die Landkreise sich weigern, die Verkehrsunternehmen zu bezuschussen, müssen die Verluste durch höhere Fahrpreise kompensiert werden.  „Preiserhöhungen waren zwangsläufige Folge des Konstrukts des Verbunds“, so Albrecht, und dass die Stadt von den Kreisen regelmäßig überstimmt wurde, führe zu Verdruss. „Schweren Herzens haben wir uns dazu entschlossen, die Kündigung auszusprechen“, erklärte der CDU-Mann,  „es hilft nichts, wir müssen diesen Schritt jetzt einmal machen“.

Auch die Sozialdemokraten sehen Handlungsbedarf und brachten einen Ergänzungsantrag ein: Unter Federführung eines externen Moderators sollten bis spätestens 2014 Lösungsvorschläge erarbeitet werden, wie eine Erneuerung des Verkehrsverbunds aussehen könnte, verlangte Rainer Lehnart für seine Fraktion. So stelle sich unter anderem die Frage, „welche künftige Organisationsform für das Oberzentrum Trier und sein Umland die richtige“ sei. Denn für die SPD-Fraktion gebe es „im Grundsatz keine Alternative zu einem Verkehrsverbund“, sei dieser doch „eine wichtige Voraussetzung für ein qualitatives Netz“. Letzten Endes profitiere auch Trier als Oberzentrum vom Verbund, „insbesondere von den Vorteilen einer einheitlichen Tarif- und Ticketstruktur“. Nun sei es jedoch an der Zeit, „über neue, auf städtische Bedürfnisse zugeschnittene Organisationsformen nachzudenken, um so mehr Gestaltungsspielräume zu erhalten“.

Reiner Marz stimmte der Analyse seiner Vorredner zu, er teile auch „in weiten Teilen“ deren Schlussfolgerungen. Allerdings mache ihn das Argument, die Interessenunterschiede zwischen ländlichem Raum und Städten seien das eigentliche Problem, „ein bisschen stutzig“. Der Grüne verwies darauf, dass es in vergleichbar strukturierten Regionen durchaus Verkehrsverbünde gebe, die funktionierten. „Es wäre ein Riesenrückschritt, wenn wir hier auf eine kleine Lösung zusteuern würden“, warnte er. Der VRT habe „einige Konstruktionsfehler, die sich jetzt rächen“, so Marz weiter. Zu diesen Konstruktionsfehlern zähle, dass die Stadt Trier, die die größte Leistung einbringe, kein angemessenes Stimmgewicht in den VRT-Gremien habe. „Das darf auf keinen Fall so weitergehen“, verlangte Marz und schlug vor, den Antrag in den Steuerungsausschuss zu verweisen. „Dann können wir, wenn wir das Ergebnis der Verhandlungen haben, einvernehmlich entscheiden, ob wir die Kündigung aussprechen. Es ist aus meiner Sicht das seriösere Verfahren“.

Hans-Alwin Schmitz erklärte für die FWG, man teile die Auffassung der CDU, die Mitgliedschaft jetzt zu kündigen. „Dann haben wir zwei Jahre Zeit, die Verhandlungen zu führen“. Es liege „auf der Hand, dass die unterschiedlichen Interessen ursächlich sind. Die Landkreise sind nicht bereit, Preissteigerungen über Zuschüsse zu decken“. Tobias Schneider (FDP) gab unterdessen zu bedenken, dass ein Austritt aus dem Verbund zur Folge haben könne, dass auch Vergünstigungen wie das Semesterticket betroffen wären. Gerade bei Studenten aus der Region sei dann zu befürchten, dass diese verstärkt wieder das eigene Auto nutzten oder aber in Trier eine Bleibe suchten, was die angespannte Wohnungssituation weiter verschärfen würde. Weil es also noch viele Fragen gebe, empfehle sich die Behandlung im Steuerungsausschuss. „Die Linksfraktion steht einem Austritt sehr kritisch gegenüber“, erklärte Linde Andersen. Bevor eine Mitgliedschaft gekündigt werde, müsse zunächst eine Alternative vorliegen, verlangte sie: „Welche Alternativen haben wir denn zu einem funktionierenden ÖPNV?“ Auch Andersen verwies auf die Bedeutung des Semestertickets und brachte erneut die Einführung eines Sozialticktes ins Spiel.

Nach kurzer Debatte beschlossen die Ratsmitglieder, den Antrag an den Steuerungsausschuss zu verweisen. Albrecht erklärte sich damit einverstanden, wenn denn im Dezember entschieden werde. Das soll nun geschehen, doch steht kaum zu erwarten, dass dann eine andere Entscheidung als die einer Kündigung zur Debatte stehen dürfte – denn an den Rahmenbedingungen wird sich binnen eines Monats wohl kaum etwas ändern.

Auch am maroden Zustand der Bustrasse an der Treviris-Passage wird sich bis Dezember wenig ändern – außer dass die Buckelpiste Anfang kommenden Monats für die rund 900 Busse, die sie täglich passieren, gesperrt wird. Die FWG wollte nun erreichen, dass der schon beschlossene Ausbau auf Eis gelegt wird. Stattdessen verlangte FWG-Ratsmitglied Peter Spang eine „Sanierung im Bestand“. Spang: „Es geht uns hier nicht um eine Art Polarisierung“, der Vorwurf, seine Fraktion positioniere sich mit ihrem Antrag gegen Radfahrer, sei unzulässig. Dem Rathaus warf er vor, eine Desinformationspolitik zu betreiben: „Am 3. Dezember soll gesperrt werden, und nicht gebaut“. Es gebe schließlich die „glasklare Ansage der Verwaltung, dass erst mit dem Bau begonnen wird, wenn der Bewilligungsbescheid vorliegt“; auf diesen warte man aber nun seit Sommer 2011.

Kaes-Torchiani: Das hält von 12 bis Mittag!

„Ich habe Verständnis für Ihr Anliegen. Aber es muss ja irgendwie weitergehen in dieser Stadt“, warf Thomas Albrecht ein. Das Projekt liege der Union „sehr am Herzen“ und sei auch ein „zentrales Element im Mobilitätskonzept“. Der Unionsmann wies auch die Argumentation der FWG zurück: „Das ist kein Luxusprojekt, sondern eine pure Notwendigkeit. Die Trasse ist ja nicht mehr verkehrsicher, eine billige Wiederherstellung geht da nicht“. Lehnart warf Spang vor: „Das Erbe Maximinis wird fortgesetzt. Wenn es an konkrete Maßnahmen geht, stimmen Sie konsequent dagegen“, bescheinigte Lehnart seinem Ex-Genossen. Die Maßnahme an der Treviris-Passage sei notwendig, um die Situation für Busfahrgäste und Radfahrer endlich zu verbessern. Dominik Heinrich ging die FWG ebenfalls frontal an: „Ihr Antrag zeigt, dass Sie im Ausschuss absolut nicht zugehört haben. Sie verlangen eine verkehrssichere Situation, die wenig kostet. Ihr Provisorium würde 70.000 Euro kosten und nichts bringen“. Zudem gehe es hier auch um die Verbesserung des Radverkehrs und des ÖPNV, sowie um die Schaffung von Barrierefreiheit. „Das klammeren Sie völlig aus. Sie sind immer sofort dabei, wenn es darum geht, die Situation für Autofahrer zu verbessern, da zeigen Sie Ihre wahren Interessen“. Tobias Schneider ergänzte: „Wir sind ebenfalls davon überzeugt, dass die von der Verwaltung geplante Maßnahme absolut notwendig ist“. Der Liberale warnte zudem vor einem unerwünschten Nebeneffekt, würde das Vorhaben nun von der Stadt kassiert: Welchen Eindruck das denn mache, wenn man beim Land als absolut notwendig dargestellte Maßnahmen nun durch ein Provisorium ersetzen wolle?

„Der Zustand ist so, dass er Gefährdungen für Busfahrgäste und die illegal dort fahrenden Radfahrer darstellt“, erklärte Baudezernentin Simone Kaes-Torchini (CDU).  Zur Möglichkeit einer provisorischen Herstellung sagte sie: „Das hält von 12 bis Mittag. Eine Sanierung wäre technisch gar nicht umsetzbar“. Die soll es auch nicht geben. Während die Linke sich enthielt, stimmten alle anderen Fraktionen gegen den FWG-Antrag.

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