Der neue Stolz der Basilika

TRIER. Neun Jahre Planung, unzählige Arbeitsstunden für alle Beteiligten, große Unterstützung durch Paten und Sponsoren – ein ganz besonderes Projekt nähert sich seinem Abschluss und Höhepunkt: Am 1. Advent wird die neue Hauptorgel der Konstantin-Basilika eingeweiht.

Martin Bambauer vor der neuen Orgel in der Konstantin-Basilika, die 6006 Orgelpfeifen - verteilt auf 87 Register und sechs Werke - umfasst. Foto: privat„Wir sind dem Land dankbar für die finanzielle Unterstützung. Aber das allein hätte noch nicht gereicht – wir sind auch dankbar für die Unterstützung von Orgelpfeifenpaten, Spendern und Sponsoren – insbesondere der Evangelischen Kirche im Rheinland, dem Sparkassen-Verbund und der SWT“, betonte Pfarrer Reinhard Müller von der Evangelischen Kirchengemeinde Trier. „Jetzt freuen wir uns auf den Festgottesdienst am ersten Advent.“

3,42 Millionen Euro Gesamtkosten galt es für die neue Hauptorgel aufzubringen – 633.000 Euro hat die Evangelische Kirchengemeinde Trier übernommen, wohlgemerkt nicht aus Kirchensteuermitteln, sondern allein durch Spenden, Patenschaften und Sponsoren. Mehr als 600 Orgelpfeifenpaten haben so zum Beispiel mit ihrer Orgelpfeifenpatenschaft ein Stück Trierer Kulturgeschichte geschrieben und dazu beigetragen, dass die neue Hauptorgel in ihrem ganzen Umfang realisiert werden konnte. Das Land Rheinland-Pfalz als Eigentümer der Basilika hat den Bau der neuen Orgel mit rund 2,8 Millionen Euro maßgeblich finanziert.

Dass die Planung und Umsetzung der neuen Hauptorgel nicht immer einfach war, weiß Brigitte Coen, vom Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), aus eigener Erfahrung: „Es ist ein besonderes Projekt, weil es besonders heikel ist, Änderungen durchzuführen, da die Basilika Unesco-Weltkulturerbestatus hat.“

Der LBB war vom Finanzministerium des Landes Rheinland-Pfalz beauftragt worden, gemeinsam mit dem Ministerium das Projekt „Neue Hauptorgel“ durchzuführen, 2005 begannen die ersten Planungen und Überlegungen. Die äußere Gestaltung der Orgel wurde durch das Architekturbüro Auer Weber in Stuttgart umgesetzt, nachdem dieses einen Architektenwettbewerb für sich entschieden hatten. Vieles galt es bei den Planungen zu bedenken, so eben auch bauliche und denkmalpflegerische Aspekte der Basilika: Die Wand, an der die neue Hauptorgel nun ihren Platz gefunden hat, ist keine original römische Wand mehr, „nur deshalb war der Bau möglich“, so Brigitte Coen. Aber auch andere Herausforderungen erforderten Einfallsreichtum und Flexibilität: „Aufgrund der Größe der Orgel und der Höhe der Basilika mit über 30 Metern hat es ganz besondere Herausforderungen baulicherseits gegeben: Wir konnten nicht mit einem Kran arbeiten“, erläutert Coen. Ein Konstruktionsgerüst half – dieses musste jedoch mehrfach umgebaut werden, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Firma Hermann Eule Orgelbau aus Bautzen hat 2011 den Auftrag für den Bau der Orgel erhalten – nach einer europaweiten Ausschreibung für den Orgelbau. Ganz bestimmte Kriterien mussten erfüllt sein, um diesen Auftrag übernehmen zu können – und die Firma Eule unter der Leitung von Dirk und Anne-Christin Eule bringt vor allem ein wichtiges Kriterium mit: Erfahrung. Seit rund 140 Jahren schon werden in Bautzen Orgeln hergestellt, darunter unter anderem die Orgel der Nikolaikirche in Leipzig.

Und so hängt sie nun endlich, die neue Eule-Orgel – an genau dem Platz, an dem es bis zum Zweiten Weltkrieg noch die erste Hauptorgel der Konstantin-Basilika gab. Mit der neuen Orgel ist nun auch der Wiederaufbau der Basilika nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg vollendet. Dabei ist die eigentliche Funktion der Basilika von entscheidender Bedeutung gewesen: „Die Orgel ist genehmigt worden, weil die Basilika eine Kirche ist und die Orgel ein liturgisches Instrument“, betonte Brigitte Coen.

Im April hatte die Montage des Instruments begonnen, die ersten Lkw aus Bautzen fuhren vor der Basilika vor. Seit Anfang Juli ist die Basilika für Besucher geschlossen gewesen – aus gutem Grund: die neue Orgel wurde intoniert. Pünktlich zum 1. Advent jedoch werden die Register ihren ganz eigenen Charakter und ihre klangliche Balance zum sie umgebenden Raum bekommen haben – und die Eule-Orgel in ihrer ganzen Klangfülle erklingen.

Kantor Martin Bambauer weiß, was die Besucherinnen und Besucher des Festgottesdienstes am 30. November um 9.50 Uhr erwartet: „Wir können uns auf ein leuchtendes, gut zeichnendes Klangbild freuen!“ Mit der neuen Orgel sei es nun endlich möglich, den großen Bereich der Orgelliteratur ab der Mitte des 19. Jahrhunderts angemessen dazustellen, erläuterte Bambauer weiter, der bereits seit 1999 Kantor und Organist der Evangelischen Kirchengemeinde Trier ist. Aber eine neue Orgel in diesem Format – das ist auch für Bambauer etwas ganz Besonderes: „Die neue Orgel zu spielen macht sehr viel Freude, ist aber auch eine Herausforderung. Besonders das Registrieren, also das genaue Festlegen der einzelnen Klangfarben für eine bestimmte Komposition, braucht viel Zeit“. Und das sei ähnlich wie beim Kochen eine Frage der exakten Feinheiten: „Da nehmen sie ja auch eine Prise hiervon und eine davon, um richtig abzuschmecken“, beschrieb der Kantor die Faszination orgelmusikalischer Klanggestaltung. Es ginge jedoch nicht darum, „möglichst viele Klangfarben anzuhäufen mit dem Ziel möglichst großer Lautstärke“, erläutert Bambauer weiter. „Vielmehr geht es darum, sehr differenziert auswählen zu können, so wie ein Maler seine Farbschattierungen variiert.“ Aber nicht nur die 6006 Orgelpfeifen, verteilt auf 87 Register und sechs Werke der neuen Eule-Orgel sind Grund für die große Freude, auch die beiden Spieltische spielen eine wichtige Rolle. Besonders der zweite mobile ebenerdige Spieltisch ermöglicht zum einen das genaue Registrieren, da der Spieler die Orgel dann wie die Zuhörenden aus dem Raum heraus wahrnehmen kann. Darüberhinaus erleichtert er liturgische Abläufe im Gottesdienst – der Wechsel zwischen Orgel und Chor erforderte bisher aufgrund der Entfernungen mitunter sportliche Höchstleistungen.

Am Sonntag, 30. November, im Festgottesdienst um 9.50 Uhr, der live im Deutschlandfunk übertragen wird, wird die neue Eule-Orgel zum ersten Mal öffentlich in ihrer ganze Fülle erklingen. Die Predigt hält der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, Liturg ist Pfarrer Guido Hepke. Die musikalische Leitung des Festgottesdienstes liegt bei Kantor Martin Bambauer – und die Besucherinnen und Besucher können sich auf Orgelimprovisationen, das Zusammenspiel von Chor, Bläsern und neuer Orgel und natürlich Gemeindelieder mit Orgelbegleitung freuen. Im Anschluss an den Gottesdienst stehen Grußworte der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, von Präses Manfred Rekowski, der Geschäftsführerin der Firma Eule, Anne-Christin Eule, sowie des Trierer Oberbürgermeisters Klaus Jensen.

Und um 17 Uhr gibt es gleich noch einmal Gelegenheit, in den Hörgenuss der neuen Eule-Orgel zu kommen: Dann spielt Kantor Martin Bambauer ein Orgelkonzert mit Werken von Sir William Walton, Edwin H. Lemare, Marcel Dupré, Johann Sebastian Bach sowie Charles-Marie Widor, der Eintritt ist frei. Den ganzen Dezember über gibt es darüber hinaus zahlreiche weitere Gelegenheiten, die Klangfülle und die auf den Raum der Basilika perfekt abgestimmte Klangschönheit der Eule-Orgel selbst zu erleben.

Das Festprogramm zur neuen Hauptorgel kann unter www.basilika-orgel.de heruntergeladen oder im Gemeindebüro der Evangelischen Kirchengemeinde abgeholt werden. Höhepunkte sind das Konzert „Orgel-Trias“ am 7. Dezember mit Bernhard Haas, Daniel Roth und Thomas Trotter und das Konzert für Orgel und Orchester mit dem US-amerikanischen Star-Organisten Stephen Tharp am 21. Dezember. Aber auch der „Ökumenische Orgeltag“ mit den konzertierenden Organisten Triers am 28. Dezember sowie „Das Geheimnis der singenden Steine“, ein Live-Hörspiel für Kinder ab acht Jahre, versprechen beste Orgelfreude.

Und die Schuke-Orgel, die bisherige Orgel der Basilika? „Die Schuke-Orgel wird natürlich nicht in den Dornröschen-Schlaf fallen“, betont Martin Bambauer. Zunächst stünde natürlich die neue Eule-Orgel im Vordergrund, aber beispielsweise im Gottesdienst werde die Schuke-Orgel auch weiterhin zu hören sein. „Die bauliche Lösung mit der Schuke-Orgel finde ich genial“, so Bambauer. „Aber irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man über die konkreten Anforderungen sprechen muss, die ein bestimmtes Orgelwerk ans Instrument stellt. Hier beginnt dann die Differenzierung: Die Schuke-Orgel zur Darstellung früher Orgelmusik bis Ende des 18. Jahrhunderts, die neue Eule-Orgel ab dem 19. Jahrhundert.“ So verfügt der evangelische Kirchenraum ab jetzt über zwei ganz unterschiedliche Orgeln, die sich gegenseitig perfekt ergänzen – und letztlich eine gegenseitige Bereicherung für Gottesdienst und Konzerte in der Konstantin-Basilika Trier sind.

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