Feuer unterm Solardach

Global denken, lokal handeln – getreu diesem Motto brachte der Lokale Agenda 21 Trier e.V. schon zahlreiche Projekte auf den Weg. So initiierte der Verein auch den Bau von Bürgersolarkraftwerken, unter anderem auf dem Schulzentrum Mäusheckerweg. Dort wurden vor zwei Jahren die Anlagen Speesolar I, II und III eingeweiht, die den jährlichen Strombedarf von 45 Vier-Personen-Haushalten decken sollen. Vom Stolz auf das Projekt ist nicht mehr viel geblieben, stattdessen gibt es heftige Auseinandersetzungen: Die Module seien falsch ausgerichtet, behaupten die Gesellschafter. Die Anlage sei wie vereinbart errichtet worden, kontert der Ingenieur. Von „Skandal“ und „Pfusch“ ist die Rede. Einiges lief schief in Ehrang, offenbar wollte man um jeden Preis in den Genuss einer höheren Einspeisevergütung kommen.

EHRANG. Der Oberbürgermeister war gekommen und auch die Baudezernentin ließ es sich nicht nehmen, bei der offiziellen Einweihung dabei zu sein. Schließlich war es der Projektgruppe Energie des Agenda-Vereins gelungen, erneut mehrere Dutzend Trierer für die gemeinschaftliche Finanzierung von Solarkraftwerken zu gewinnen. So wurden auf dem Dach des Friedrich-Spee-Gymnasiums drei Anlagen installiert, die allesamt den hübschen Namen „Speesolar“ tragen. Mehr als 40 private Gesellschafter steuerten 535.000 Euro bei. Die Investoren lockte nicht nur das gute Gefühl, einen Beitrag zur regionalen Energiewende zu leisten, auch die in Aussicht gestellte Rendite klang verlockend: diese sollte sich zwischen 6,89 und  7,56 Prozent bewegen. Dass diese Werte erreicht werden, glaubt heute niemand mehr.

Die Erkenntnis, dass zumindest zwei der drei Anlagen auf dem Spee-Gymnasium nicht so viel abwerfen werden wie ursprünglich kalkuliert, zählt jedenfalls zu den ganz wenigen Punkten, bei denen unter den Beteiligten noch Einigkeit herrscht. Bei nahezu allen anderen Fragen widersprechen sich die Akteure. Was die Angelegenheit nicht leichter macht – auch auf Fragen, die sich eigentlich klar beantworten lassen müssten, gibt es unterschiedliche Antworten und Darstellungen.

Beispiel Inbetriebnahme: Ob denn alle drei Bürgersolarkraftwerke am Standort Spee-Gymnasium pünktlich ans Netz gingen, wollte 16vor wissen. „Ja, seit 1. Juli 2010“ antwortete der frühere Geschäftsführer des Agenda-Vereins, Zeljko Brkic. „Die Inbetriebnahme erfolgte am 1. Juli 2010, die Stromerzeugung erfolgte aber erst ab 15. Juli 2010“, ergänzte sodann der Geschäftsführer der Speesolar 1 GbR, Volker Raach. Dieter Buch, der beauftragte Ingenieur, erklärte, dass die Anlagen pünktlich in Betrieb gingen, aber „der Netzanschluss (…) erst nach Lieferung der individuell erstellten und durch die Stadtwerke zu genehmigenden Wandlerschränke Mitte Juli getätigt werden“ konnte.

Die Frage, wann der Strom ins Netz floss, ist nicht unbedeutend. Denn offenbar war es allen Beteiligten wichtig, dass die Anlagen vor dem 1. Juli 2010 betriebsbereit waren. An diesem Stichtag wurde die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) gesenkt, eine Verzögerung der Fertigstellung hätte die ursprüngliche Kalkulation zur Makulatur gemacht. Würde der Zeitplan jedoch eingehalten, wäre damit auch garantiert, dass die eigens gegründeten Gesellschaften bis Ende 2010 und für die folgenden 20 Jahre exakt 0,3914 Euro (für die ersten 30 kWp) beziehungsweise 0,3723 Euro für den Rest der installierten Leistung pro Kilowatt des eingespeisten Stroms vergütet bekämen, hieß es seinerzeit. Laut Agenda-Verein wurde der Zeitplan bei allen drei Anlagen eingehalten. Doch Eile und Zeitdruck hatten ihren Preis, auch wenn dieser sich bis heute noch nicht beziffern lässt.

Wettlauf mit der Zeit

Es sei ein „Wettlauf mit der Zeit“ gewesen, berichtete Brkic im September 2010. Das klang noch stolz, man hatte den Wettlauf ja gewonnen. Doch nachdem Speesolar I und II anfangs störungsfrei liefen, kam es im Mai 2011 zu Problemen, die eine längere Betriebsunterbrechung nach sich zogen. Buch macht hierfür das „unsachgemäße Abschalten des Zentralwechselrichters durch eine Fremdfirma“ verantwortlich. Nach dem Austausch einer Sicherung, der erst Wochen später erfolgte, laufe die Anlage  seither problemlos. Raach macht Buch verantwortlich und sagt: „Wir hatten einen Einnahmeausfall, den die Versicherung nicht erstattet hat“. Und Raach geht noch weiter: Die Anlage sei „nicht gemäß Vertrag ausgerichtet“ worden. Vielmehr habe sich der Planer allein an der Dachkante ausgerichtet und dann auch noch „die falsche Himmelsrichtung bei der Dachkantung gewählt“. Obendrein seien zu viele Module aufgestellt worden, behauptet Raach. Das habe zur Folge, dass es zu einer „Verschattung der Module untereinander“ komme, weshalb die Stromerträge nun geringer als kalkuliert ausfielen.

Eine Darstellung, der Buch widerspricht: „Die Anlagen wurden durch mein Unternehmen in genau der Form errichtet, wie sie den Gesellschaftern in den Informationsveranstaltungen der LA 21 Trier durch mich und Herrn Kronenberg aufgestellt wurden“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Weiter schreibt Buch: „Die Ausrichtung der Module aller drei Anlagen entspricht exakt der Aufstellung, wie sie den späteren Gesellschaftern vor Gründung der drei Gesellschaften dargestellt wurde“. Auf die Frage, was denn die fachlichen Gründe gewesen seien, die Module so und nicht anders auszurichten, antwortet er: „Zeitdruck mit einfachster Aufstellung wie möglich. Bedenken Sie, dass unter anderem die letzten 400 Module erst 2 Tage vor Ablauf der Frist eingetroffen sind“. Nachfrage: „Wären aus Ihrer Sicht bei einer anderen Ausrichtung höhere Stromerträge zu erzielen gewesen, und wenn ja, was sprach gegen diese Ausrichtung?“ Antwort Buch: „Die Frage stellt sich nicht, weil die Anlage so den Gesellschaftern/Investoren vorgestellt wurde“.

All das wirft eine weitere Frage auf: Wann fiel den Gesellschaftern auf, wie die Anlage ausgerichtet war? Nachfrage bei Raach: Wer denn die Anlage abgenommen habe? Antwort: „Die Anlage wurde nicht abgenommen“, einzelne Gesellschafter hätten vielmehr erst im Oktober oder November 2010 die „falsche Ausrichtung“ moniert. Nun kommt auch der Geschäftsführer von Speesolar II und III ins Spiel. Herbert Kronenberg ließ mehrere schriftliche Anfragen, die auch an ihn gerichtet waren, unbeantwortet. Raach sagt, Kronenberg hätte „diesen Missstand der falschen Ausrichtung eigentlich schon vorher bemerkt haben“ müssen, weil er eine Blitzschutzanlage auf dem Dach aufgebaut habe. „Er hat aber weder mich noch sonst jemanden wohl darüber informiert“. Sonst, so Raach weiter, „wäre sicherlich nicht die Schlussrechnung von mir bezahlt worden“. Er habe den Fachleuten Kronenberg und Buch vertraut – „da gab es keine großen Diskussionen“. Buch behauptet derweil, Kronenberg sei selbst Mitplaner und Errichter gewesen und habe „keine Beanstandungen an der Anlage“ gehabt. Was Raach anbelangt – der habe die Anlage persönlich abgenommen und ebenfalls keine Beanstandungen geäußert. Und der Agenda-Verein habe die „angeblichen Mängel“ erst rund neun Monate nach der Fertigstellung angezeigt, schreibt Buch.

Kritik an Agenda-Verein

Fakt ist – der Frust sitzt bei allen Beteiligten tief. Wie hoch die Rendite für die Investoren ausfällt, vermochte auch auf mehrfache Bitte niemand mehr zu sagen. Die Verärgerung ist bei einigen Anteilseignern erheblich, doch bislang ist nur ein Bürger aus dem Projekt ausgestiegen. Dass bislang niemand den Verantwortlichen wirklich aufs Dach stieg, dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Investoren von dem Projekt als solches nach wie vor überzeugt sind und man dem Agenda-Verein Negativ-Schlagzeilen ersparen wollte. Formal liegt die Verantwortung für die drei Bürgersolarkraftwerke mit der Gründung der drei Gesellschaften nicht mehr in der Hand der Lokalen Agenda, doch richtet sich die Kritik auch an deren Adresse – wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand. Der Verein sei „völlig überfordert“ gewesen, „fürchterlich unprofessionell“ sei das Ganze gelaufen, sagt ein Investor, von „Pfusch“ und „Skandal“ spricht ein anderer.

Brkic hat den Verein vor wenigen Wochen verlassen und eine neue Stelle angetreten. Ein Zusammenhang mit dem Ärger um Speesolar bestehe aber nicht, wird versichert. Auch gebe es mit den anderen Bürgersolarkraftwerken „Unisol“ und „Waldorf“ keinerlei Probleme. Die Projektgruppe Energie des Agenda-Vereins ging inzwischen in der Trierer Energiegenossenschaft TRENEG eG. auf. Bei der sind mit Stadtwerken und Volksbank nun professionelle Partner an Bord. Heute in einer Woche wird die Genossenschaft ihr erstes großes Projekt einweihen – die rund 1,7 Millionen Euro Photovoltaikanlage auf dem Petrisberg (wir berichteten). Zur Feierstunde wird die Mainzer Energieministerin Eveline Lemke (Die Grünen) erwartet.

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