Eine kleine Typologie des Luxemburg-Pendlers

Illustration: Teresa HabildAls Berufspendler nach Luxemburg ist man ja – ums mit der dicken Bertha des deutschen Literaturbetriebs, Sibylle Lewitscharoff, zu sagen – ein „zweifelhaftes Halbwesen“: Nicht mehr nur hier, aber auch noch nicht ganz dort. Irgendwie dazwischen halt – und das heißt, meistens irgendwo unterwegs auf der Autobahn zwischen Trier, Munsbach und Esch. Der Begriff „Berufspendler“ verrät dann auch schon, dass man nicht des Berufes wegen pendelt, sondern vielmehr das Pendeln zum eigentlichen Beruf geworden ist. Wobei „pendeln“ ja eine Bewegung impliziert. Tatsächlich steht man meist im Stau. Und genau da – im Stau – lässt sich dann sehr gut beobachten, wie die Pendel- und Leidensgenossen sich ihre tote Zeit im Auto zu vertreiben suchen.

Der Banker aus Deutschland beispielsweise (also der ehemalige Volksbankangestellte aus Wincheringen, der jetzt bei „Mediocre, Arrogant & Sons“ im „Back Office“ auf dem Kirchberg die Überweisungsformulare in eine Datenbank klimpern darf) hat typischerweise die „Best of 80s Rock“-CD voll aufgedreht, wippt nervös mit dem Gasfuß und versucht durch permanenten Spurwechsel, schneller vorwärtszukommen. Das funktioniert aber genauso wenig wie der hilflose Versuch seines Kollegen aus dem Controlling drei Autolängen weiter hinten, mit Hilfe der Lichthupe den Möbeltransporter aus Konz von der linken Spur zu flippern. Beide fahren BMW oder Audi (schwarz) und tragen bügelfreie Hemden (blau) und stehen damit in jeder Hinsicht in einem schönen Kontrast zum Franzosen (oder Belgier?) auf der Nachbarspur der seinen roten, schon etwas altersschwachen Citroën mit den Resten eines zweiten (im Fall des Belgiers: dritten) Frühstücks vollkrümelt. Der Franzose schaffts auch noch, gleichzeitig einen Kaffee zu trinken (Belgier: eine Kippe zu rauchen) und im Beifahrerfußraum nach den Grissini-Resten von gestern zu suchen (Belgier: Pommes? Waffeln? Klebrige, überteuerte Pralinen?), während er den weißen Handwerkertransporter aus der Eifel überholt. In dem lesen drei vierschrötige Dachdecker Bildzeitung und steuern dabei den leeren VW Crafter gemächlich über die Pannenspur.

Und da steht auch schon ein Luxemburger mit seinem nigelnagelneuen, scheunentorgroßen BMW X5 in der Leitplanke, in der er gelandet ist, weil er neidvoll dem nigelnagelneuen, scheunentorgroßen Mercedes GL seines vollverbeamteten Kollegen hinterhergeguckt hat. Der wiederum hats nicht besonders eilig, denn sein Job wird jetzt eigentlich (natürlich kriegt er trotzdem weiterhin die vollen Bezüge) von einem Portugiesen erledigt – und der ist schon im Büro. Seit halb sieben.

Und man selbst? Stellt fest, dass die einzige CD im Auto das „Bibi und Tina“-Hörspiel der Kinder ist, hofft, dass der Franzose, der Deutsche, der Luxemburger und der Belgier nebenan nicht die Scheiben runtergekurbelt haben und fängt laut an mitzusingen: „Das sind Bibi und Tina, auf Amadeus und Sabrina. Sie reiten im Wind, weil sie Freunde sind – weil sie Freueueueueunde siiiiiiiiind!“

Das Beste am Job im Ländchen? Die Pendelei natürlich!

Tom Lenz

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.