Facebook-Fahndung mit Folgen

Seine Unzufriedenheit über eine vor Monaten erhaltene Dienstleistung im „Haus Michelle“ brachte ein Kunde dadurch zum Ausdruck, dass er im Januar zweimal Stinkbomben auf dem Flur des Bordells zündete. Der Betreiber erstattete beim ersten Mal Anzeige, doch das Verfahren wurde eingestellt, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte. Als dieser knapp zwei Wochen später erneut erschien, erwischte ihn eine der dort arbeitenden Frauen und trieb ihn in die Flucht. Wieder wurde die Polizei informiert, doch weil sie nach Ansicht des Hausherrn zu wenig für dessen Ergreifung unternahm, wurde er selbst tätig und suchte auf Facebook mit Fotos der Überwachungskamera nach dem Täter – mit Erfolg. Er machte ihn ausfindig und versuchte, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Doch jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Bordellbesitzer wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz.

TRIER. Am 12. Januar betritt ein Mann das „Haus Michelle“ am Hauptbahnhof – allerdings nicht als Kunde. Er wirft dort mehrere Stinkbomben und entfernt sich unerkannt. Der Betreiber, der nicht genannt werden will, muss sein Bordell für vier Tage schließen. In dieser Zeit haben acht Prostituierte keine Einnahmen und der Hauseigentümer Mietausfall. „Es hat gestunken wie die Sau“, sagt der Besitzer, der, da viele andere Mittel nicht helfen, Bakterien einsetzen muss, um den Geruch zu vertreiben. Schließlich erstattet er Anzeige bei der Polizei.

Nach wenigen Tagen erhält er die Mitteilung, dass man den Täter nicht habe ausfindig machen können und das Verfahren eingestellt worden sei. Doch der Mann kehrt am 25. Januar zurück. Wieder schmeißt er eine Stinkbombe in den Flur, wird dabei diesmal jedoch von einer Prostituierten gesehen, was ihn zur Flucht veranlasst. Der Bordellinhaber verständigt erneut die Polizei, schließlich kann der Tatverdächtige noch nicht weit entfernt sein. „Sie sind lustlos erschienen“, beschreibt der Hausherr seinen Eindruck von den Beamten. Sie hätten auch keine Zeit gehabt, sich die Bilder auf der Überwachungskamera anzusehen. „Darum habe ich mich selbst um die Angelegenheit gekümmert.“

Am folgenden Tag stellt er auf seine private Facebook-Seite mehrere Fotos des mutmaßlichen Täters mit der Frage, wer Angaben zu dessen Namen und Adresse machen könne. Zur Belohnung setzt er 500 Euro aus. Ein Freund schreibt „Ruf mich mal an“. Wenig später hat der Betreiber die gewünschten Informationen.

Tags darauf meldet er sich telefonisch bei der gesuchten Person und konfrontiert ihn mit einem Schadensersatzanspruch. Der Mann streitet die Taten ab und legt auf. Wenige Minuten später klingelt das Telefon erneut bei ihm. „Ich habe ihn gefragt, wie wir weiterkämen“, sagt der Bordellbesitzer. Wenn der Schaden ersetzt sei, sei die Sache für ihn erledigt, teilt er dem Beschuldigten mit. Daraufhin habe dieser mit Anzeige wegen Erpressung und mit der Polizei gedroht. „‚Rufen Sie die Polizei, ich komme dazu‘, habe ich zu ihm gesagt.“ Mit einer Sicherheitskraft des Etablissements fährt der Inhaber zu dem Verdächtigen nach Hause. Als sie ihn dort nicht antreffen und wieder gehen wollten, erscheint die Polizei. Der Gesuchte befindet sich gerade auf der Wache.

Einen Tag später meldet sich der mutmaßliche Stinkbombenwerfer bei dem Betroffenen. Man verabredet sich, einigt sich auf eine Schadensersatzzahlung, und der Mann gibt bei einem Notar ein Schuldeingeständnis ab. Im Gegenzug entfernt der Bordellbetreiber dessen Fotos von der Facebook-Seite und bietet an, die Anzeige bei Zahlungseingang zurückzuziehen. Auf die Frage, was ihn zu dem biologischen Angriff veranlasst habe, erzählt ihm der ehemalige Gast, dass er mit dem Service einer der Prostituierten nicht zufrieden gewesen sei. Der Besuch lag neun Monate zurück.

Die Zahlungsfrist von einer Woche lässt der Mann verstreichen. Er erscheint nicht wie vereinbart beim Notar. Während der Geschädigte Vollstreckungsmaßnahmen einleitet, erreicht ihn ein Schreiben von dessen Anwalt. Sein Mandant möchte das Schuldeingeständnis widerrufen.

Für den Besitzer des „Haus Michelle“ geht die Angelegenheit auch rechtlich weiter. Wegen der Veröffentlichung der Bilder ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. „Verdacht eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz“ lautet der Vorwurf. Der Beschuldigte kann dies nicht nachvollziehen. „Es kam doch niemand zu Schaden.“ Im Falle einer Verurteilung drohen ihm eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Ob es so weit kommt, ist allerdings fraglich, da unter anderem eine solche Tat normalerweise nur auf Strafantrag verfolgt wird. Dieser wurde nicht gestellt, sondern die Polizei hat von sich aus ermittelt. Wegen des laufenden Verfahrens möchte sie sich nicht zu den Vorfällen äußern.

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