„Es muss zu einer Einigung kommen!“

In zwei Wochen soll der Stadtrat über das Schulentwicklungskonzept entscheiden. Nachdem die Stellungnahmen der meisten Fraktionen vorliegen, scheint bislang kaum vorstellbar, wie die unterschiedlichen Positionen unter einen Hut gebracht werden sollen. Von einer „schwierigen Situation“ sprechen OB Klaus Jensen (SPD) und Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Die Grünen) gegenüber 16vor, betonen aber zugleich, dass sie am Fahrplan festhalten wollen: „Es muss zu einer Einigung kommen“. Das sagen auch die Grünen, die allerdings alle Entscheider so lange an einen Tisch setzen wollen, „bis weißer Rauch aufsteigt“. Unterdessen üben die Schulelternbeiräte von Egbert und Kürenz einen ungewöhnlichen Schulterschluss, um beide Standorte zu retten, und in Heiligkreuz sorgt man sich um die Zukunft des seit 37 Jahren funktionieren Hortangebots.

TRIER. Soweit ist es schon – ausgerechnet die Grünen nehmen Anleihen im Vatikan, bemühen das anstehende Konklave, um metaphorisch den Ernst der Lage zu beschreiben: „Alle Fraktionen sowie die Schul- und Bauverwaltung müssen sich jetzt an einem Tisch zusammensetzten und ihn erst wieder verlassen, wenn weißer Rauch aufsteigt“, verlangte Fraktionschefin Petra Kewes am Dienstag kategorisch und ergänzte: „Aus pädagogischer und finanzieller Sicht und auch in Hinsicht auf unsere Verantwortung den Schülern und Eltern gegenüber müssen jetzt tragfähige Entscheidungen getroffen werden.“ Kein Schulkonzept sei auch keine Lösung. Fraktionskollege Gerd Dahm gibt zu bedenken: „Wir brauchen für ein Schulentwicklungskonzept eine breite Mehrheit, damit es auch bei veränderter Zusammensetzung des Rates in Zukunft Bestand haben wird“. Es sei „schade, dass die anderen Fraktionen erst so spät in die Debatte eingestiegen sind“, so Dahm, der an die eigene Stellungnahme vom August letzten Jahres erinnerte. Dennoch seien die Grünen nun bereit, „einen offenen Dialog zu führen, damit die Knackpunkte wie zum Beispiel die Grundschulen in Trier-Nord, die Zukunft der Realschulen Plus und die Kosten für die Schulentwicklung gelöst werden können“.

Das sind indes nicht die einzigen Knackpunkte, die es momentan unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass sich am Ende die von Dahm geforderte breite Mehrheit finden lässt. Denn sowohl SPD als auch CDU weichen in ihren Positionspapieren zum Teil deutlich von dem ab, was der Stadtvorstand fordert; und kleine Fraktionen wie FWG und Linke haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie die Schließung von Grundschulen generell ablehnten. Diesen Standpunkt behalte man auch weiter bei, versicherte FWG-Fraktionschefin Christiane Probst.

Im Rathaus macht man sich keine Illusionen, spricht von einer „schwierigen Situation“. Doch verweisen der Oberbürgermeister und die Bildungsdezernentin auch darauf, dass CDU, SPD und Grüne Gesprächsbereitschaft signalisiert hätten: „Es muss zu einer Einigung kommen“, betonten Klaus Jensen (SPD) und Angelika Birk (B90/Die Grünen) am Dienstag gegenüber 16vor. Die Frage, ob sie daran festhielten, den Stadtrat am 14. März über das Schulentwicklungskonzept abstimmen zu lassen, beantworteten die Beiden kurz und knapp mit einem „Ja“. Zu einzelnen Vorschlägen, etwa vonseiten der Christ- und der Sozialdemokraten, wollen Jensen und Birk während der laufenden Diskussionen in den Gremien keine Stellung beziehen. Nur so viel: „Es liegt in der Natur der Sache und ist nicht verwunderlich, dass es bei einer so komplexen Thematik im Einzelnen Alternativen gibt.“

Egbert und Kürenz Hand in Hand

Mehrere Alternativen sind inzwischen für die Egbert-Schule im Gespräch – von deren Verlagerung nach Olewig oder in die Kaiserstraße bis hin zum Ausbau am bestehenden Standort. Im benachbarten Kürenz schienen die Tage für die Grundschule schon gezählt, doch jetzt schalteten sich die Fördervereine und Elternbeiräte beider Schulen mit einer gemeinsamen Stellungnahme ein. Kern ihres Kompromissvorschlags: Das Egbert-Gebäude soll so ausgebaut und saniert werden, dass es für eine Zweizügigkeit taugt. Ein dreizügiger Neubau wird abgelehnt, stattdessen soll das erst kürzlich sanierte Schulgebäude in Kürenz erhalten und weitergenutzt werden, und zwar einzügig. Beide Schulen sollen zusammenarbeiten und so beispielsweise bei den Verwaltungskosten sparen, heißt es weiter in dem Vorschlag. Dann, so die Autoren des Papiers, könnten die „etablierten und verwurzelten pädagogischen Konzepte weitergeführt“ werden. Die Schülerzahlen ließen sich zudem durch neue Schulbezirksgrenzen ausgleichen.

Eine Verlagerung der Egbert-Schule nach Olewig, wie von CDU und SPD ins Gespräch gebracht, lehne man ebenso ab wie eine vierzügige Ambrosius-Grundschule. Überhaupt sei der Baubeschluss für die Sanierung der Ambrosius-Grundschule seinerzeit vor dem Hintergrund gefallen, dass man in Trier-Nord eine weitere Realschule Plus ansiedeln wollte. Als diese Pläne vom Tisch waren, seien die vorgesehenen Mittel dann einfach in den Ausbau der Grundschule geflossen. Von einer „eklatanten Fehlplanung seitens der Stadtverwaltung“ ist in dem gemeinsamen Papier der Elternbeiräte und Fördervereine die Rede.

Eine Fehlplanung fürchten Eltern und Pädagogen auch für Heiligkreuz. Dort existiert seit mittlerweile 37 Jahren ein Hortangebot in dem mehr als 100 Jahre alten Schulgebäude. 45 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, vor allem von alleinerziehenden und berufstätigen Eltern, sind dort untergebracht. Das kostenpflichtige Angebot bietet eine Betreuung, die abends bis 17.30 oder sogar 18 Uhr reicht, zudem hat der Hort während des Sommers nur drei Wochen geschlossen. Der Stadtvorstand hegt Pläne, die betreuende Grundschule mit einem Ganztagsangebot auszubauen, doch müsste hierfür der Hort weichen. „Warum werden Einrichtungen, die sich etabliert haben und über Jahre gut funktionieren, abgeschafft zugunsten einer Ganztagsschule, die dem individuellen Bedarf von Eltern und vor allem dem von Kindern nicht gerecht wird?“, fragt Hortleiterin Marion Heintz in einem Brandbrief die Ratsmitglieder.

Nachfrage im Rathaus: Welche Bedeutung für die Ganztagsbetreuung von Schülern denn künftig die Bereitstellung von Hortplätzen haben solle? Die beitragsfreie Ganztagsschule in Angebotsform, die das Bildungsministerium auf Antrag des Schulträgers genehmige, konzeptionell verantworte und finanziere, und der für Eltern kostenpflichtige Hort, den das Jugendamt genehmige und pädagogisch verantworte, seien „zwei verschiedene pädagogische Angebote, die sich sowohl in Betreuungsumfang als auch in der Qualität und Zielsetzung unterscheiden“, so Birk. Wie in anderen Städten auch reichten in Trier bisher aber weder die Ganztagsschulangebote noch die Hortplätze aus, räumte sie ein.

Die Vorlage des Stadtvorstands sehe deshalb mehrere Beschlussvorschläge vor, die das Angebot an Ganztagsschulplätzen „deutlich erhöhen“ sollen. „Gleichzeitig sieht der Kindertagesstättenbedarfsplan von 2012 für die kommenden Jahre den Ausbau von Hortplätzen vor, wenn auch in geringerem Maße als früher, da der Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige und der Ausbau der Ganztagsschulangebote Vorrang haben“, erläutert die Bildungsdezernentin. Was nun den Standort Heiligkreuz anbelangt: Hier sei damit zu rechnen, dass die Grundschule in den nächsten Schuljahren ein zusätzliches Klassenraumangebot benötige – „und zwar völlig unabhängig davon, ob für diese Schule in den nächsten Jahren eine schulische Ganztagsbetreuung beim Ministerium beantragt und genehmigt wird.“ Ob deshalb die Räume des Hortes wieder in Klassenräume umgewandelt oder als „Mobilteile“ vom Schulträger zur Verfügung gestellt würden, müsse zunächst noch im Rahmen des Schulentwicklungsplanes entschieden werden, tritt Birk dem Eindruck entgegen, die Sache sei schon gelaufen.

Heiligkreuzer Hort vor dem Aus?

Dann jedoch ergänzt sie: „Mindestens solange es kein schulisches Ganztagsangebot an der Grundschule Heiligkreuz gibt, werden Hortplätze am Ort gebraucht“. Ob aber über die Ganztagsschule hinaus der Hort in der Schule verbleibe, sei im Rahmen des Schulentwicklungsplanes zu entscheiden. „Derzeit wird von der Verwaltung für das kommende Schuljahr 2013/14 eine Übergangslösung für den zusätzlichen Raumbedarf des Schulbetriebs erarbeitet“, bestätigt sie. Laut Rathaus gibt es derzeit 511 Plätze für Schüler in 19 verschiedenen Kindertagesstätten. Ab dem kommenden Schuljahr werde es zudem eine Hortgruppe mit 20 Plätzen im Montessori-Kinderhaus Petrisberg geben, sodass sich das Angebot für Kinder im Schulalter in Kindertagesstätten dann auf 531 Plätze erhöhe.

Aus Sicht der Stadt bergen Ganztagsschulen einige Vorzüge gegenüber Hortplätzen: Erstere seien für die Nutzer und den Schulträger, sprich die Stadt, von montags bis donnerstags von 8 bis 16 und freitags bis 13 Uhr kostenlos. Zudem seien die Räume, die zur Verfügung gestellt und bewirtschaftet werden müssten, „in ihrer Zahl geringer als die des Hortangebotes“. In den Schulen, in denen es gelinge, dass alle Schüler einer Klasse das Ganztagsangebot nutzten, sei „ein großzügiger Ganztagsrhythmus, in dem sich eine besonders große Vielfalt von Unterrichtsformen realisieren lässt, möglich.“ Der Hort wiederum könne den Kindern „mehr persönlichen Freiraum lassen“ und lege „mehr Wert auf Erziehung und Beziehung der Kinder untereinander und zu den Erziehungskräften. Dies drückt sich auch in seinem Personalschlüssel aus“, erklärt die Stadt. Insbesondere in Familien, in denen Eltern sich nachmittags ihren Kindern „nicht hinreichend widmen können, hat der Hort einen zentralen pädagogischen Auftrag“, weiß auch die Verwaltung und bedauert: „Es gibt bisher landesweit keine gesetzliche Grundlage für Regelangebote, die die Vorzüge der freiwilligen Ganztagsschule und der Horte miteinander verzahnen“.

Marion Heintz und ihre sieben pädagogischen Fachkräfte sowie die Eltern verlangen derweil eine klare Ansage: „Ich vermisse eine gewisse Wertschätzung und Achtung gegenüber unserer Einrichtung, welche die Stadt über so viele Jahre benötigt hat. Und ich vermisse eine deutliche Aussage: Wir wollen den Hort erhalten und finden für ihn Räume“.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.