„Es ist so schön, Neues zu entdecken“

Alanis Morissette, Moby und Phil Collins tun es. Demi Moore, Pamela Anderson und Woody Harrelson gehören auch dazu. Und Carl Lewis, Mike Tyson und Ironman Brendan Brazier haben sich ebenfalls dafür entschieden: All diese Sänger, Schauspieler und Sportler verzichten auf tierische Produkte in jeder Form – sie sind Veganer. Die Gruppe derer, die sich zum Schutz der Umwelt, von Tieren oder ihrer eigenen Gesundheit nicht nur für ein vegetarisches, sondern für ein veganes Leben entscheiden, wird immer größer. Die Triererin Regina Jobelius ist seit Jahren eine von ihnen. Mit Erfolg überzeugt sie auch andere in ihrem privaten und beruflichen Umfeld von dieser positiven Lebensweise. Zum Beispiel mit veganen Kochkursen.

TRIER. Insgesamt werden laut dem Vegetarierbund Deutschland rund 90 Prozent der Zerstörung des tropischen Regenwaldes durch Massentierhaltung verursacht. Die Nutztierhaltung ist zu rund einem Fünftel für den Treibhauseffekt verantwortlich. Und etwa 50 Prozent der weltweiten Getreideernte jährlich und 90 Prozent der Sojabohnenernte werden an sogenannte Nutztiere verfüttert – gleichzeitig hungern zig Millionen Menschen. Zudem kann ein hoher Verzehr tierischer Nahrungsmittel schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben wie Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gicht, Arthritis, Diabetes und sogar Krebs. „Die Ernährungsgewohnheiten der Industrienationen haben dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit, auf den Klimawandel, auf die Umwelt insgesamt, auf das Schicksal der Tiere, auf das Schicksal von Millionen hungernder Menschen und auf den Hungertod von Millionen Kindern“, fasst Dr. med Ernst Walter Henrich von „ProVegan“ die Folgen des derzeitigen Fleischkonsums zusammen.

Auch hierzulande ist sich die Mehrheit der Menschen dessen offenbar nicht bewusst oder verdrängt es, wenn sie beim wöchentlichen Großeinkauf im Discounter die Familienpackung Hackfleisch oder das Industrie-Hähnchen für 3,49 Euro das Kilo in den Einkaufswagen legt oder regelmäßig beim 99-Cent-Hamburger in der Fast-Food-Braterei zuschlägt. Es gibt jedoch immer mehr Ausnahmen. „Als ich mir diese Fakten bewusst gemacht habe, wurde ich innerhalb kürzester Zeit vegan“, erzählt Regina Jobelius, die seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu den inzwischen 600.000 Menschen in Deutschland gehört, die neben Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern auch auf Honig, Leder und Wolle sowie Kosmetika und Medikamente mit tierischen Anteilen verzichten.

Neben dem Umwelt- und dem Tierschutz, wo sich die Triererin sehr engagiert, spielte auch ihre Gesundheit eine wichtige Rolle, zur Gänze tierischen Produkten zu entsagen. Jobelius litt unter zahlreichen Lebensmittelallergien. Anstatt weiter dagegen Kortison zu nehmen, stellte sie ihre Ernährung um. „Ich kann jetzt wieder alles essen. Die Verträglichkeit von manchen Gemüsesorten hat sich erhöht und ich kann sogar wieder Gluten zu mir nehmen.“

Mühe scheint ihr die Veränderung der Essgewohnheiten nicht gemacht zu haben. „Mir ist die Umstellung wirklich leicht gefallen“, versichert die begeisterte Facebook-Nutzerin, die sich über das soziale Netzwerk mit Gleichgesinnten in aller Welt austauscht. „Ich habe zuerst viel gelesen und alle Zutatenlisten gecheckt. Ich war entsetzt über die ganzen E-Nummern und tierischen Inhaltsstoffe.“ Zum Beispiel Gelatine auf Obstkuchen. „Mir wird heute noch schlecht, wenn ich daran denke, dass ich das früher einmal gegessen habe.“ Aber selbst auf Dinge, die sie einst gerne mochte wie Milcheis oder Käse, muss sie als Veganerin nicht verzichten. Eis kann man auch mit Lupineneiweiß oder Soja herstellen und Käse zum Beispiel aus Cashewkernen. Es gibt Rouladen aus Seitan (Produkt aus Weizeneiweiß) und Veggie-Hühnchen auf Sojabasis. Selbst „Rührei“ ist kein Problem: Räucher-, Seiden- und normaler Tofu und als Gewürze Kurkuma (auch für die Farbe) und Kala-Namak-Salz, das den Geschmack von Ei hat – fertig! Oder „Eiersalat“ aus Sellerie, Zucchini, Zwiebel, Paprika, Kokosfleisch, Cashews, Knoblauch und Salz – einfach köstlich.

„Es gibt heute genug Alternativen“, schwärmt Jobelius über die vielen Möglichkeiten, Fleisch und Fisch in der Nahrung zu ersetzen. Fast alle Zutaten sind im Bio-Supermarkt erhältlich, ganz ausgefallene Produkte kann man bei Fachhändlern wie „Radix“ bestellen. Allerdings stellen sich auch immer mehr normale Supermärkte auf die größer werdende vegetarische und vegane Kundschaft ein.

Wenn Regina Jobelius kocht – Brot, Käse und vieles andere bereitet sie selbst zu – oder davon spricht, wird deutlich, dass Veganismus keine Einschränkung bedeutet, sondern eine Bereicherung. „Das sind ganz andere Geschmackserlebnisse. Es ist so schön, Neues zu entdecken.“ Davon versucht sie auch möglichst viele andere Menschen zu überzeugen. Zum Beispiel auf der Arbeit. Jobelius ist Marketingleiterin in einem großen Autohaus in der Karl-Marx-Straße. Bei Präsentationsveranstaltungen neuer Modelle sorgt sie inzwischen dafür, dass auch vegane Imbisse angeboten werden.

Zudem leitet sie ab sofort eigene Kochkurse. „Vegan für Anfänger“ heißt die erste Veranstaltung, die am Samstag in der Familienbildungsstätte Trier stattfindet. Der Termin war schnell ausgebucht. Für den nächsten am 30. November sind noch Plätze frei (Anmeldung im Haus Franziskus unter 0651/45058 oder fj.euteneuer@haus-franziskus.de). Die Vegan-Expertin möchte zeigen, wie genussvoll, gesund und leicht man vegan kochen kann – tierleidfrei und klimafreundlich. „Ich bin so davon überzeugt, dass es auch andere begeistern kann.“ Bei ihren Eltern und einigen Freunden und Kollegen ist dies bereits gelungen. Und obwohl ihre Kochkurse gerade erst starten, bekommt sie schon Anfragen aus anderen Städten, diese auch dort anzubieten.

Nichtsdestoweniger wundert sich die Tier- und Umweltschützerin darüber, dass so viele Menschen auch noch nach den zahlreichen Lebensmittelskandalen in den vergangenen Jahren so wenig Wert darauf legen, womit sie sich ernähren. „Ein Motoröl oder eine Faltencreme wird genauer ausgesucht, als das, was wir in uns stecken.“ Der Preis vieler vegetarischen oder veganen Lebensmittel spiele ihrer Meinung nach dabei keine entscheidende Rolle. „Auch ein Hartz-4-Empfänger kann vegan leben – und dabei satt werden.“

Veganismus beschränkt sich aber nicht nur auf die Ernährung. Auch bei Kosmetik und der Kleidung achtet Jobelius darauf, dass dafür keine tierischen Produkte verwendet wurden und kein Tier dafür leiden musste. Auch hier gibt es attraktive Alternativen. „Man kann tolle Schuhe aus Mikrofaser kaufen.“

Mit ihrer Lebensweise tut Regina Jobelius sich und anderen Menschen etwas Gutes und schützt Tiere und die Umwelt. Nachteile, vermittelt sie glaubhaft, empfindet sie keine durch den Veganismus. „Das einzig Negative ist, dass ich nicht früher damit angefangen habe.“

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