„Es ist für alle Beteiligten unfassbar“

Nach dem tragischen Unglück in der Altstadt, bei dem am Donnerstagmittag eine ältere Frau durch einen umstürzenden Baum getötet wurde, herrscht im Rathaus weiterhin Rätselraten über die Ursache. Wie Oberbürgermeister Klaus Jensen und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani am Freitagmittag in einer Pressekonferenz erklärten, wurde die Kastanie im Rahmen der jährlichen Baumkontrollen erst vor wenigen Wochen einer Sichtprüfung unterzogen. Hierbei hätten sich keinerlei Anzeichen dafür ergeben, dass eine sofortige Fällung des Baumes notwendig gewesen wäre; auch sonst habe der Mitarbeiter des Grünflächenamts keinen Anlass zum Handeln gesehen. Die Staatsanwaltschaft Trier hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dem Mann, der bei dem Unglück verletzt wurde, geht es laut Jensen inzwischen wieder besser.

TRIER. Am Tag danach suchen zahlreiche Menschen den Unglücksort in der Wilhelm-Rautenstrauch-Straße auf. Auf der Mauer, welche die Straße vom gleichnamigen Park trennt, steht ein Grablicht, daneben liegt eine Rose. Fassungslosigkeit steht vielen Passanten ins Gesicht geschrieben. Manche stellen laut Fragen: Wie denn so etwas habe passieren können? Am hellichten Tag, mitten in der Altstadt, noch dazu in einem windstillen Moment? Es sind Fragen, die sich wohl auch der Mann und die Tochter der Frau stellen, die hier, nur wenige Fußminuten von ihrer Wohnung entfernt, am Donnerstagmittag zu Tode kam. Unter denen, die sich den Tag über am Ort des Geschehens einfinden, sind auch vermeintlich gut informierte Bescheidwisser. Der Mann, der gestern verletzt wurde, sei inzwischen auch gestorben, erzählt ein älterer Herr – eher beiläufig denn betroffen – mehreren Passanten.

Wenig später im Rathaus: Die Verwaltung hat zu einer Pressekonferenz eingeladen, fast der komplette Stadtvorstand ist erschienen. An der Spitze der Oberbürgermeister, der alle auswärtigen Termine abgesagt hatte und wenige Stunden zuvor der Familie der Toten kondolierte. Auch Jensen treibt die Frage um, wie es zu diesem „Baumversagen“ kommen konnte. „Es ist für alle Beteiligten unfassbar, dass ein solches tragisches Unglück passieren konnte“. Damit macht Jensen auch klar, dass an diesem Mittag noch keine Antworten zu erwarten sind, zumindest keine irgendwie befriedigenden: „Wir können nicht sagen, wie es zu diesem Baumversagen kommen konnte“. Was der OB indes sagen kann: Erst am 1. Oktober hatte ein Mitarbeiter des städtischen Grünflächenamts den Baum in Augenschein genommen. Dies sei im Rahmen der jährlich durchgeführten Baumkontrollen geschehen, also nicht etwa aufgrund eines konkreten Hinweises aus der Bevölkerung.

Nach Auswertung der Unterlagen und Befragung des Mitarbeiters, der die Kontrolle durchführte und am Donnerstag ebenfalls am Unglücksort war, hatte die Prüfung „keinen Hinweis auf die Notwendigkeit der sofortigen Fällung des Baumes“ ergeben. Und auch sonst habe der Baum äußerlich keine Veränderungen gezeigt, die Anlass zum Handeln gegeben hätten, ergänzte Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani.  Ihr weiteres Vorgehen bei der Baumkontrolle werde die Stadt nun an einem von der Staatsanwaltschaft Trier veranlassten Gutachten ausrichten, dessen Ergebnisse allerdings erst in einigen Wochen erwartet werden. An Spekulationen über mögliche Ursachen werde man sich nicht beteiligen, so Jensen. Auch nicht an solchen, die Parallelen zu Städten wie Krefeld sehen: Dort hatte die Stadt kürzlich Dutzende Bäume fällen müssen, weil diese vom sogenannten Kastanienbluten, einer Pilzerkrankung befallen waren.

Simone Kaes-Torchiani erklärte, dass die mehr als 30.000 Bäume im öffentlichen Raum der Stadt jährlich einer Sichtprüfung unterzogen würden. Hierbei orientiere man sich an den Richtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V., kurz FLL. „Jeder Baum ist in einem elektronischen Kataster mit einer Nummer und dem jeweiligen Zustand verzeichnet“, so die Baudezernentin. Die Überprüfungsphase für dieses Jahr habe am 16. Juli begonnen und dauere noch bis zum 14. Dezember. Bäume, die auf lange Sicht nicht mehr standsicher seien, würden in die Baumfällliste aufgenommen und zu Beginn des folgenden Jahres gefällt. Werde eine unmittelbare Gefahr erkannt, werde der Baum sofort gefällt. „Unsere geschulten Mitarbeiter haben ihre Kontrollen stets nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt“, versicherte Kaes-Torchiani, doch sei ein Restrisiko nicht auszuschließen. Grundsätzlich könne sie aber sagen, „dass wir scheckheftgeprüfte Bäume haben“. Dass bei der Pressekonferenz der zuständige Amtsleiter nicht vor Ort war, habe sie persönlich „angeordnet“: Für ihn und auch den Mitarbeiter, der am 1. Oktober den nun umgestürzten Baum kontrollierte, sei das Unglück ebenfalls ein „immenser Schock“.

Ordnungsdezernent Thomas Egger (FDP) widersprach derweil Gerüchten, die Rettungskräfte seien nicht schnell genug an der Unglücksstelle eingetroffen. „Die Berufsfeuerwehr war drei Minuten nach Eingang des Notrufs vor Ort und versorgte die verletzte Person“. Von einer Bergung der unter der Kastanie begrabenen Frau habe die Einsatzleitung im ersten Moment abgesehen, da sie erkennbar bereits tot gewesen sei und der Baum unter gefährlicher Spannung gestanden habe. Laut Jensen geht es dem Mann, der bei dem Unglück verletzt wurde, inzwischen wieder besser. Er werde ihn am Samstag im Krankenhaus besuchen, kündigte der OB an.

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