Der Masse mangelt es am Interesse

Unter dem Titel „Tufa durchleuchtet“ starteten angehende Kommunikationsdesigner der Fachhochschule Trier im Seminar „Werbe- und Konsumentenpsychologie“ eine Umfrage zur Tufa. Es sollte dabei vor allem um die Frage des Bekanntheits- und Nutzungsgrades der Einrichtung bei jungen Erwachsenen gehen. Die Ergebnisse wurden am Dienstagabend in der Tufa vorgestellt. Christian Jöricke nahm dies zum Anlass zu einer polemischen Betrachtung über das Kulturinteresse von Studenten und den Wahn, etablierte Kultureinrichtungen ausgerechnet für Studenten noch reizvoller machen zu müssen.

TRIER. Ziel des Seminars, das von der Diplom-Psychologin und dem Tufa-Vorstandsmitglied Dr. Monika Wagener-Wender geleitet wurde, war es, herauszufinden, warum nur wenig jüngere Menschen die Tufa besuchen. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es sich schon bei dieser Fragestellung lediglich um eine Annahme handelte, die auf „Beobachtungen“ basiere. Zudem wurden bei der Befragung auch keine Konzerte und Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen berücksichtigt, die stets einen relativ hohen Studentenanteil bei den Besuchern haben. Und schließlich wurden an Universität und FH auch nur 164 Personen befragt – das sind weniger als ein Prozent der insgesamt dort Eingeschriebenen. Aussagekräftige Ergebnisse waren hier also nicht unbedingt zu erwarten.

Aufschlussreicher war da schon die anschließende Diskussion, bei der beispielsweise über einen Studenten berichtet wurde, der seit drei Jahren in Trier lebt und noch nie etwas von der Tufa gehört hatte. Es würde einen auch nicht überraschen, wenn es jemanden von der Uni oder FH gäbe, der schon seit sechs Jahren hier wohnte und sie nicht kennte. 74 Prozent der 164 Befragten waren noch nie in der Tufa. Die entscheidende Frage, die man ihnen hätte stellen sollen, ist: Interessieren Sie sich (überhaupt) für Kultur?

Einige gaben an, nicht zu wissen, wo die Einrichtung liege oder dass sie schwer zu finden sei. „Man muss auch erstmal zur Tufa wollen“, warf Professor Dr. Jörg Wallmeier, Präsident der FH, ein, der sich auch darüber wunderte, dass sich die Studenten laut Umfrage mehr Informationen über deren Veranstaltungen wünschten. Beispielsweise gebe es doch auch Hinweise auf das Tufa-Programm im Kulturkalender der FH-Homepage (den man mit drei Klicks erreicht). Es stellte sich heraus, dass den Seminarteilnehmern diese Recherchemöglichkeit fremd war.

Dann gaben manche der anwesenden Studenten an, Schwierigkeiten gehabt zu haben, den Haupteingang zu finden. Das verleitete den Verfasser dieses Beitrages, einen älteren Nachbarn zu fragen, wie die Betreffenden sich auf der FH zurechtfinden konnten. „Dort waren beim ersten Mal die Eltern mit dabei“, bekam er zur Antwort.

Für Klaus Reeh, Vorstandsmitglied der Tufa, steht bei der Umfrage die Auseinandersetzung mit dem Thema im Vordergrund. „Ich finde es gut, dass es ein Projekt war zwischen FH und Tufa. Außerdem lernen die Studenten dabei, Fragen zu stellen. Und drittens haben sie so ein Gefühl bekommen, was die Institution ausmacht.“ Man habe in einer der gewünschten Besuchergruppen nun 10, 15 Multiplikatoren mehr.

Immer wieder bekommen die etablierten Trierer Kultureinrichtungen zum Vorwurf gemacht oder beklagen selbst, dass sie „die Studenten“ nicht erreichten. So, als handele es sich dabei um die wertvollste, bedeutendste Publikumsschicht. Die Gäste, die im Gegensatz zu Schülern oder Studenten den vollen Eintrittspreis bezahlen, müssen sich ziemlich minderwertig vorkommen, wenn man sich so sehr mehr Hochschüler im Publikum wünscht.

Um dies zu erreichen, bieten das Theater oder die Tufa auch moderne Stücke an, gehen zum Teil in bei Studenten „angesagte Locations“ wie Clubs oder Kneipen, kooperieren mit Theatergruppen und anderen Einrichtungen der Hochschulen, hängen dort Plakate auf und nutzen für die Werbung auch die Neuen Medien – und doch macht der Bildungsnachwuchs oft nur einen geringen Zuschaueranteil aus.

„Oft“, weil es auch Veranstaltungen wie die Aufführungen der English Drama Group oder Lesungen mit populären Autoren wie Heinz Strunk oder Max Goldt gibt, die fast ausschließlich von dieser Personengruppe und gut besucht werden. Allein das zeigt schon, dass das vermeintliche Fernbleiben von Studenten nicht an einer mangelnden Attraktivität der Einrichtungen oder des Angebots liegt.

Der Konzertveranstalter Ingo Popp und auch seine Vorgänger haben im Casino am Kornmarkt, der schönsten Bühne von Trier, ein sehr auf ein junges Publikum zugeschnittenes Programm angeboten. Wo war es die ganzen vergangenen Jahre? Jetzt ist das Casino dicht. Oder die Tufa-Lesereihe „Bemerkenswert“, in der der junge Trierer Autor Dorian Steinhoff deutsche Literaturtalente vorstellte – mangels Nachfrage musste die Reihe eingestellt werden. Denen, die sich über fehlende Informationen oder ein mangelndes Kulturangebot in Trier beklagen, müsste man die Veranstaltungskalender von Tufa, Theater und Casino um die Ohren hauen.

Studenten bilden aus mindestens zwei Gründen oft nur einen kleinen Besucheranteil bei Kulturveranstaltungen. Zum einen, weil sie nur unwesentlich mehr Geld als Arbeitslose zur Verfügung haben (das relativiert sich allerdings schon dadurch, dass im Gegensatz zu einem 50 Euro teuren Konzertticket ein Theaterbesuch für rund 15 Euro als teuer empfunden wird). Und zum anderen, weil die Mehrzahl schlichtweg nicht daran interessiert ist. Zum Kulturprogramm des Durchschnittsstudenten gehören Cinemaxx-Besuche („‚Broadway‘ kenne ich nicht“), Cocktails in der „Luke“ oder im „Louisiana“ und die jährliche Fahrt zu „Rock am Ring“.

Dass sich mehr Literaturwissenschaftsstudenten für „Fluch der Karibik“ in 3D im Kino als für „Maria Stuart“ in 3D im Theater interessieren, ist nicht ungewöhnlich – das war vor 20 Jahren gewiss nicht anders. Vielleicht gehen diese dann ab 30 oder 40 ins Theater. Nur sollte endlich das Gejammer von Studenten aufhören, Trier biete ihnen kulturell zu wenig. Verstummen lassen sollte sie bereits ein Blick in einen guten Veranstaltungskalender (hunderttausend.de oder kulturbeutel.de) und in vergleichbar große Hochschulstädte. Dann würden sie nämlich sehen, dass die Vielfalt des hiesigen Angebots bundesweit nahezu einmalig ist (einfach mal ein bisschen die Veranstaltungskalender von Cottbus, Hildesheim oder Siegen durchgucken).

Genauso nervt allerdings auch die Anbiederung an Studenten und das auf Unkenntnis gründende Vorurteil, dass die Tufa, in der es auch junge, interessante Mitgliedsvereine gibt, und das Theater, das nicht nur mit seinen Studioproduktionen ein junges Publikum anspricht, als Kultureinrichtungen überaltert oder nicht mehr zeitgemäß seien. Dass man versucht, auch den knapp 20.000 Studenten Besuchsanreize zu geben, ist nachvollziehbar und für subventionierte Institutionen auch nötig. Aber man muss sich damit abfinden, dass das Theater und die Tufa nicht mehr als ein paar Prozent von ihnen erreicht, weil sich der Rest nicht für ihr Angebot interessiert. Dass diese Uninteressiertheit bei Vielen sich nicht nur auf Kultur beschränkt, könnte man belegen, indem man bei einer größeren Erhebung an der FH und der Uni fragte, wer alles schon mal in der Porta Nigra oder im Amphitheater war. Oder wo das Karl-Marx-Haus liegt. Aber will man das Ergebnis wirklich wissen…

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