Endlich in Sicherheit

AfAkleinRund 40 Menschen leben bereits in der Einrichtung, bis zu 150 werden es bald sein – die Mainzer Integrationsministerin Irene Alt (B90/Die Grünen) hat am Mittwoch die neue Außenstelle der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) besucht. Das Gebäude der ehemaligen General-von-Seidel-Kaserne soll als Provisorium dienen, bis das Land die Kapazitäten der AfA-Außenstelle in Ingelheim erweitert hat. Laut Alt stiegen die Flüchtlingszahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat im Januar 2014 um 77 Prozent an. Nicht ausgeschlossen also, dass die Räumlichkeiten dereinst noch etwas länger gebraucht werden könnten. Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) erklärte, er sei „stolz auf die Trierer“, weil – „abgesehen von ein paar Verrückten“-  niemand ernsthaft gegen die Unterstützung von Flüchtlingen sei. Trier habe über die Jahrhunderte immer wieder unter Krieg, Elend und Vertreibung gelitten, so Jensen, da habe die Stadt eine Pflicht zu helfen, jetzt, wo es ihr gut gehe.

TRIER. Er kommt aus Syrien, seit vier Wochen lebt der junge Mann in Deutschland. Vor ein paar Tagen wurde er in der neuen AfA-Außenstelle in Euren untergebracht. Gemeinsam mit rund 40 weiteren Männern wohnt er nun hier und ist vor allem froh, dass er sich in Sicherheit wähnen darf. Ob er vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland geflüchtet sei? „Yes“, antwortet er freundlich, um dann rasch hinzuzufügen: „not only“. Er habe in Syrien studiert, bis man von ihm verlangt habe, einer regimefreundlichen Studentenvereinigung beizutreten. Das aber habe er abgelehnt, schließlich lehne er auch die Diktatur des Assad-Clans ab. So blieb ihm nur noch die Wahl, in ein sicheres Land zu fliehen, oder aber sich Schikanen und Folter auszusetzen und womöglich sogar sein Leben zu riskieren.

„Kein Mensch geht freiwillig aus seinem Land weg und verlässt Familie und Freunde“, sagt Irene Alt am Mittwochmorgen bei ihrem Besuch in der AfA. Die Ministerin ruft damit in Erinnerung, was eigentlich jedem halbwegs empathischen Menschen bewusst sein sollte – aus freien Stücken flieht niemand, weshalb schon die Formulierung widersinnig ist. Wer auf der Flucht ist, hat Angst oder leidet Not – meistens kommt beides zusammen. Endlich in Sicherheit sein – dieses Gefühl herrscht auch bei anderen Flüchtlingen vor. „Nun hoffe ich, dass diese Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung geflohen sind, bei uns zur Ruhe kommen können und von den Rheinland-Pfälzern mit offenen Armen aufgenommen werden“, erklärt die Ministerin und berichtet von einer Begegnung mit Flüchtlingen, die auf der Mittelmeerinsel Lampedusa erstmals europäischen Boden betraten. Zwei ihrer Kinder, darunter ein Säugling, überlebten die Flucht übers Wasser nicht. Wenn man Menschen begegne, die derartiges durchgemacht hätten, dann fehlten einem die Worte, sagt Alt.

Binnen weniger Wochen wurde das Gebäude der General-von-Seidel-Kaserne für rund 150 Flüchtlinge hergerichtet. „Männer aus aller Welt“, wie Alt scherzhaft an die Adresse einiger Bewohner gerichtet sagt.  Die Präsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Dagmar Barzen, dankt derweil der bundeseigenen BImA, dass sie die Räumlichkeiten an das Land vermietet hat. Innerhalb kurzer Zeit sei es möglich gewesen, das Vorhaben zu verwirklichen, so Barzen, die insbesondere die „konstruktive und uneingeschränkte Unterstützung“ der Stadt hervorhebt. Die war zwar anfangs nicht erbaut von dem Standort am Rande des Gewerbegebiets „Eurener Flur“, doch nachdem das Land zugesagt hatte, in der AfA-Außenstelle ausschließlich männliche Einzelflüchtlinge unterzubringen, gaben die Verantwortlichen im Rathaus grünes Licht. Geräuschlos ging die Umgestaltung des seit längerer Zeit verwaisten Kasernengebäudes über die Bühne, allerdings dauerten die Arbeiten einige Monate länger als zunächst erwartet. Bislang leben 40 Flüchtlinge in der Unterkunft, ab der kommenden Woche sollen es 60 sein. Insgesamt bietet die Einrichtung Platz für rund 150 Menschen. Die Kosten für die Umgestaltung beliefen sich auf rund 174.000 Euro. Geplant ist, die neue Außenstelle in Trier für die Dauer der Erweiterungsarbeiten in der AfA-Außenstelle Ingelheim zu betreiben. Dort werden derzeit nicht genutzte Gebäude renoviert, um ab Anfang des nächsten Jahres insgesamt 500 Plätze vorzuhalten.

„Ich bin stolz auf die Trierer, dass es – bis auf einige wenige Verrückte – keine Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen gibt“, erklärt OB Klaus Jensen. Schon in der Vergangenheit hätten viele Menschen aus „christlicher oder humanitärer Solidarität“ heraus die Bewohner der AfA in der Dasbachstraße unterstützt. Trier habe in den vergangenen Jahrhunderten selbst immer wieder Not und Elend erlebt und sei in Kriegen zerstört worden, erinnerte der OB und ergänzte: „So eine Stadt hat dann auch eine Verpflichtung! Nämlich die, zu helfen, wenn es ihr gut geht“. Für eine Kommune dieser Größenordnung – Trier zählt aktuell etwa 106.000 Einwohner – sei es zudem auch leistbar, rund 1000 Flüchtlinge aufzunehmen, ist Jensen überzeugt. Zugleich warnt er davor, die Bedrohung durch den Rechtsextremismus zu unterschätzen. Durch das Schüren von Ängsten und den Einsatz von Vorurteilen lasse sich womöglich ein latent bei nicht wenigen Menschen vorhandener Alltagsrassismus eventuell doch noch mobilisieren. „Hier gilt es, immer wachsam zu sein!“, appelliert der OB an die Trierer.

Caritasdirektor Dr. Bernd Kettern, dessen Verband unter anderem mit Sozialarbeitern vor Ort im Einsatz ist, die selbst einst aus Iran und Irak flohen, erhofft sich derweil Unterstützung durch die Kirche und die anderen Wohlfahrtsverbände, die in den Kommunen landesweit die Integration der Flüchtlinge und Asylbegehrenden begleiten: „Ich denke hier zum Beispiel an die Umsetzung eines Patenschaftsprojektes für Flüchtlinge, das wir gegenwärtig mit dem Bistum Trier besprechen.“ Schon heute erreichten die Caritas immer wieder Anfragen, „wie man nach der Phase der Erstunterbringung hier auf dem Gelände den weiteren Weg dieser Menschen vor Ort in den Kommunen besser begleiten kann, als dies bisher geschieht“. So könnten Paten beispielsweise bei Behördengängen oder dem Erlernen der deutschen Sprachen helfen. Er sehe hier „ein großes Potenzial an freiwilligen Ressourcen unserer Bevölkerung. So lassen sich positive Lebens- und Hoffnungszeichen setzen“, ist Kettern überzeugt.

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