Ein Hund hilft psychisch Kranken

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Aphorismus über die positiven Auswirkungen von Tieren auf den Menschen stehen. Aber im Duden-Band 12 „Zitate und Aussprüche“ fand der Verfasser dieses Beitrages keinen geeigneten Spruch. Und den Hobby-Zitate-Sammlungen im Internet ist nicht zu trauen. So soll laut einer solchen Mark Twain gesagt haben: „Tiere sind die besten Freunde. Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht.“ Eine Seite weiter heißt es, von dessen britischer Schriftstellerkollegin George Eliot stamme der Ausspruch „Tiere sind so angenehme Freunde, sie stellen keine Fragen und üben keine Kritik.“ Falls beide nicht zufällig den gleichen Gedanken hatten, dürfte jemand das Zitat falsch zugeordnet haben. Also, verzichten wir auf ein Aperçu und stellen einfach fest: Tiere können zum Wohlbefinden von Menschen beitragen. Dies belegt seit über zwei Jahren ein Holländischer Schäferhund in der psychiatrischen Abteilung des Mutterhauses.

TRIER. So etwas sieht man nicht oft in einem Krankenhaus: Eine Schwester mit einem Hund an ihrer Seite auf einer Station. Die Schwester ist Anne Bastgen, ihr Hund heißt Neo und die Station gehört zur psychiatrischen Abteilung des Mutterhauses. Neo ist dazu da, Patienten bei ihrer Genesung zu helfen. Schon früh begann die Einrichtung, auf den therapeutischen Nutzen von Tieren zu setzen. Bereits seit 2007 besuchen Patienten der Kinder- und Jugendpsychiatrie regelmäßig das Trierer Tierheim.

Neo „arbeitet“ seit April 2010 in der Erwachsenenpsychiatrie des Klinikums – bis Mai 2012 noch im offenen Bereich, seitdem im teilgeschlossenen. Der Holländische Schäferhund, der ein bisschen aussieht wie eine Kreuzung aus Wolf und Hyäne und dessen Wesen als „anhänglich, gehorsam, folgsam, wachsam, parat, sehr treu und zuverlässig“ beschrieben wird, leistet Patienten Gesellschaft und lässt sich von ihnen streicheln, füttern und spazieren führen. „Psychisch Kranke können über ihn aktiviert werden“, sagt sein Frauchen. Ihr Hund trägt dazu bei, dass sich Patienten zum Beispiel mehr öffnen. „Er ist eine Überbrückungsmöglichkeit zum Kontaktaufbau.“

Gleichzeitig sorgt er für Ablenkung und mehr Antriebskraft. Ein Demenzpatient raffte sich durch ihn zu Spaziergängen auf, eine Frau mit Waschzwang überwand diesen schrittweise beim Streicheln des Hundes und Depressiven fällt es leichter, morgens aufzustehen, wenn sie sich auf den gold- und silbergestromten Vierbeiner freuen. „Schwerdepressive Patienten werden animiert, nach draußen zu gehen“, erzählt Bastgens. „Sie sehen: Es gibt auch noch nette Sachen.“

Angst vor Neo braucht man nicht zu haben. „Er ist nicht zu aufdringlich“, sagt seine Besitzerin. Er springt einen nicht an und, wenn man ihn nicht anfassen möchte (was sehr unwahrscheinlich ist), sucht er sich woanders seine Streicheleinheiten. Oder er legt sich auf seine Decke im Stationszimmer.

Zwei Mal wöchentlich bringt Anne Bastgen ihren „Stinker“ (so nennt sie ihn nicht wegen seines Geruchs, sondern wegen seiner zeitweiligen Launen) mit ins Krankenhaus, wo sie seit fast zehn Jahren arbeitet. Die Idee, einen Hund in der Psychiatrie einzusetzen, habe sie schon lange gehabt, so die 30-Jährige. Schließlich wird seit vielen Jahren bereits in Alten- und Pflegeheimen der therapeutische Nutzen von Tieren genutzt. „Unsere Chefärztin war schon immer begeistert von diesem Plan.“ Nachdem sichergestellt wurde, dass die Hygienerichtlinien eingehalten werden, durfte Neo mit zu den Patienten.

Seit ihrem neunten Lebensjahr hat Bastgen einen Hund. In ihrem Geldbeutel trägt sie sogar noch ein Foto von ihrem allerersten. Seit sie elf ist, engagiert sie sich in der Arbeit mit Rettungshunden. Neben ihrem Beruf hilft sie dem Deutschen Roten Kreuz bei der Suche von Vermissten oder Suizidkandidaten. Auch Neo war einmal Suchhund. Mit fast zehn Jahren ist der Rüde inzwischen – laut Statut – zu alt dafür.

Zu alt, um nicht weniger als der gesamten psychiatrischen Abteilung Freude zu bereiten, ist er offensichtlich noch nicht. Zum Fotoshooting vor der Tür wird eine Patientin eingeladen, mit ihm Ball zu spielen, eine Mitarbeiterin auf dem Heimweg steckt ihm etwas Futter zu („Dein Frauchen hat gesagt, ich darf dir nicht mehr als ein Leckerli geben“) und ein humorvoller Kollege von Bastgen nähert sich dem Hund mit Miau-Lauten. „Ich bin ein Katze“, möchte er Neo provozieren, doch der zeigt sich unbeeindruckt. Neo ist ja auch nicht zum Spaß im Krankenhaus. Obwohl… eigentlich ist er genau das. Und ihm scheint seine Rolle auch zu gefallen, wenn man die Bewegungen seines Schwanzes richtig deutet.

Für ihre Arbeit wurden Neo und sein Frauchen sogar schon ausgezeichnet. Im vergangenen September überreichte ihnen die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer den dritten Preis für „Pflege in der Psychiatrie“ des Landesverbandes der Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie (BFLK). Der Pflegepreis prämiert Projekte, die zu einer Verbesserung in der Versorgung von Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie führen.

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