„Respektvolle Erinnerung“

Eine Lichtgestalt in einem dunklen Kapitel Stadtgeschichte - die Erinnerung an Friedrich Spee ist vor allem in der Jesuitenkirche sichtbar, doch außerhalb des Sakralbaus nimmt man wenig Notiz von dieser großen Persönlichkeit. Foto: Marcus StölbEr war Täter und wurde zum Opfer: Dietrich Flade. Erst verurteilte der damalige Trierer Schultheiß mehrere Frauen zum Tod auf dem Scheiterhaufen, dann wurde ihm der Prozess gemacht. Vor 425 Jahren endete Flade auf dem Scheiterhaufen. Seinem Schicksal wurde ein Roman und auch eine Komposition gewidmet, in Tarforst ist eine Straße nach Flade benannt. Am 30. April wird die Stadt nun mit einem Gedenkakt an die unschuldigen Opfer der Trierer Hexenprozesse erinnern. Es gehe darum, sich von diesem „Unrecht öffentlich zu distanzieren“, so Klaus Jensen. Eine förmliche Rehabilitierung der Opfer, wie Köln und andere Städte sie vornahmen, wird es nicht geben, doch soll eine seit Jahren zugesagte Gedenktafel nun bald angebracht werden.

TRIER. Zehntausende Menschen fielen dem massenhaften Wahn zum Opfer, wurden verbrannt, verstümmelt, verbannt. Das Trierer Land war eines des Epizentren der Verfolgung, zwischen Eifel und Ardennen, Mosel und Rhein wütete der Terror gegen vermeintliche Hexen und Hexenmeister besonders wüst. Landeten in manchen Landstrichen vor allem allein stehende Frauen auf den Scheiterhaufen, wurde in Städten wie Trier auch wohlhabenden Bürgern und selbst einigen Klerikern der Prozess gemacht. Dietrich Flade etwa, dessen Name wohl auch im nächsten städtischen Haushalt wieder auftauchen wird.

Denn weil der Richter und frühere Rektor der alten Trierer Universität den damals Verantwortlichen im Rathaus 4.000 Goldgulden geliehen hatte, der Kurfürst nach Flades Hinrichtung den Schuldschein aber einzog und verfügte, dass die Stadt fortan die Zinsen an die Innenstadtpfarreien zahlen musste, fließen bis dato jährlich rund 360 Euro an die Pfarrei Liebfrauen. OB Klaus Jensen führte 2010 ein Gespräch mit den Verantwortlichen der Kirche, doch die erklärten, dass sie an der jährlichen Überweisung aus der Stadtkasse festhalten wollten. Begründung: Diese ermögliche „eine ständige Erinnerung an die Opfer des Hexenwahns“. Das Geld komme ausschließlich sozialen Zwecken zugute, und zwar den „über das Jahr bei der Pfarrei vorstellig werdenden Bettlern“, ließ sich die Verwaltung nach eigener Darstellung von der Pfarrei versichern (wir berichteten).

Mag der Betrag auch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag weitergezahlt werden – mit einem angemessenen Gedenken an das Leid der vermeintlichen Hexen und Hexenmeister will Klaus Jensen nicht länger warten. Für den 30. April hat der OB deshalb zu einem Gedenkakt eingeladen. Ziel sei es, „die ehrende und respektvolle Erinnerung an die zu Unrecht Verurteilten zu wecken und wachzuhalten“, schreibt Jensen in seiner Einladung. Der Stadtchef will hierbei auch an eine Lichtgestalt erinnern, welche für dieses dunkle Kapitel Stadtgeschichte von besonderer Bedeutung ist: Friedrich Spee. Der Jesuit trat als einer der ersten mutig gegen die Hexenprozesse ein. Spee gilt als einer der Vorkämpfer der Menschenrechte, seine Streitschrift „Cautio Criminalis“ sorgte innerhalb des Klerus für Aufruhr.

Sein Grab findet sich in der Jesuitenkirche, und dort soll der Gedenkakt am 30. April auch enden. Zuvor wird es im Lesesaal der Stadtbibliothek der Weberbach mehrere Vorträge zum Thema geben. Neben Jensen wird der langjährige Bibliothekschef Professor Gunther Franz ein Grußwort für die Friedrich-Spee-Gesellschaft Trier sprechen, bevor mit Rita Voltmer eine der bedeutendsten Forscherinnen in Sachen Hexenverfolgung ihren Vortrag „Gegen das Vergessen – Opfer und Täter der Trierer Hexenprozesse“ halten wird.

Nicht vergessen ist laut Presseamt des Rathauses auch das Vorhaben, am Haus Grabenstraße Nummer 13 eine Gedenktafel anzubringen. In diesem Gebäude wurde nicht nur der bedeutende Reformator Caspar Olevian geboren, hier fanden einst auch die Trierer Hexenprozesse statt. Bereits vor fünf Jahren wies die Trierer Verlegerin Herta Häfele-Kellermann die Stadt darauf hin, dass eine früher dort angebrachte Gedenktafel verschwunden war. Diese wurde nie mehr aufgefunden, doch stellte die Leiterin der städtischen Denkmalpflege 2009 in Aussicht, dass alsbald eine neue Tafel an der Fassade angebracht werde. Im Herbst 2012 versprach sie dann auf Anfrage gegenüber 16vor, dass die Tafel „so schnell wie möglich“ komme.  Nun erklärte ein Sprecher der Stadt auf neuerliche Nachfrage: „Was die Gedenktafel in der Grabenstraße angeht, hat es aufgrund der vielfältigen Aufgabenverpflichtungen seitens des Denkmalpflegeamtes eine zeitliche Verzögerung gegeben. Die Gedenkveranstaltung ist aber der Anlass, die Sache aufzugreifen, damit es möglichst bald zur Anbringung der Erinnerungstafel in der Grabenstraße, zu der der Hauseigentümer nach wie vor bereit ist, kommt.“

Nicht kommen wird ein förmlicher Beschluss des Stadtrats. In den vergangenen Jahren hatten sich mehrere Städte, darunter Köln, auf diese Weise vom Unrecht der Hexenverfolgung distanziert. Eigentlich hatte Jensen diesem Beispiel folgen wollen, doch „für die damaligen Ereignisse der Hexenverbrennungen oder Verfolgungen gibt es keine Rechtsnachfolge bei der Stadt. Von daher ist es formal auch nicht möglich, dass die Stadt eine Rehabilitation vornimmt“, erklärte das Rathaus jetzt nach Prüfung der Sachlage. Daher habe sich der OB „mit dem jetzigen Gedenkakt zu einem symbolischen Schritt entschieden, bei dem Rat und Verwaltung gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt der Betroffenen von damals gedenken“.

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