„Es gibt kein Vorkaufsrecht für ECE!“

Seit September verhandelte die Stadt mit ECE über eine Entwicklungsvereinbarung. Deren Entwurf liegt vor, doch ob er unterzeichnet wird, ist noch offen. Der OB will die Unterschrift vom Votum des Steuerungssausschusses abhängig machen. ECE wollte bereits vor zehn Jahren in Trier investieren. Seinerzeit hatte man Pläne für das ehemalige Paulinus-Gelände samt benachbartem Post-Areal. Doch die Hamburger konnten ihr Vorhaben nicht realisieren, und ob sie dieses Mal zum Zuge kommen werden, ist laut Jensen noch längst nicht ausgemacht. Im Gespräch mit 16vor nimmt der Stadtchef ausführlich Stellung und widerspricht Darstellungen, ECE habe sich ein Vorkaufsrecht für die Europahalle gesichert. Der Prozess sei ergebnisoffen, erneuert Jensen sein Versprechen und weist mit deutlichen Worten Spekulationen der Partei Die Piraten zurück, es könne einen Zusammenhang zwischen seiner Teilnahme an einem Berliner Kongress und dem Vorhaben der Hamburger bestehen: „Das ist schon ziemlich bösartig“.

TRIER. Die Freude war groß am Augustinerhof, als im Spätsommer 2010 bekannt wurde, dass sich die Stadt im Wettbewerb mit 82 weiteren Teilnehmern durchgesetzt hatte. Den Titel „Coolstes Rathaus“ durfte man nun tragen, den hatte sich Trier nach Meinung der Jury auch redlich verdient – mit einem innovativen Beleuchtungskonzept zur Steigerung der Energieeffizienz. 100.000 Euro Preisgeld flossen von der Stiftung „Lebendige Stadt“ an die Mosel.

An der Spitze des Kuratoriums der Stiftung steht Alexander Otto. Der ist im Hauptberuf CEO der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG. Im kommenden Juni richtet Ottos Stiftung im Berliner Gasometer einen Kongress aus. „Jungbrunnen Stadt“ lautet der Titel der Veranstaltung, und im Programm taucht auch der Name des Oberbürgermeisters der ältesten Stadt Deutschlands auf. Klaus Jensen wird an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. „Wie organisieren Städte ihren Alterungsprozess?“, lautet die Frage, auf die man sich auch von ihm Antworten erhofft. Der OB nimmt an einer Veranstaltung der Stiftung des ECE-Chefs teil? Für die Partei Die Piraten ein bedenklicher Vorgang. „Peer Steinbrück lässt grüßen“, heißt es auf der Piraten-Homepage. Was für ein Honorar der OB denn erhalte, will man wissen und spricht bereits von „Verwicklungen der Stadt Trier mit ECE“.

Entsprechend heftig reagiert der Oberbürgermeister: „Das ist schon ziemlich bösartig, hier einen Zusammenhang zu konstruieren“, erklärt Klaus Jensen im Gespräch mit 16vor und stellt klar: „Ich habe überhaupt noch nie mit einem Vertreter der Stiftung gesprochen, meine Kollegin Kaes-Torchiani hat noch nie mit Stiftungsvertretern über ECE gesprochen“. Es sei „eine ganz simple Einladung“ eingegangen, so Jensen. Fast wöchentlich erreichten ihn vergleichbare Einladungen, die meisten könne er gar nicht wahrnehmen. „Aber ich soll hier zu einem Thema sprechen, das mir sehr wichtig ist und wo ich denke, dass ich als OB auch die Aufgabe habe, die Stadt nach außen zu positionieren“. Zudem handele es sich um ein „hochkarätig besetztes Podium mit lauter honorigen Persönlichkeiten. Abgesehen davon erhalte ich für die Teilnahme auch keinerlei Honorar“.

Gab es weitere ernsthafte Interessenten?

Seit Stadt und ECE am 18. April vor die Presse traten, gehen die Wogen hoch. So laden die Grünen für kommenden Montag zu einer Diskussionsveranstaltung ein, an der ausschließlich Skeptiker bis erklärte Gegner einer weiteren Shopping-Passage teilnehmen werden. Die Sorge, dass die Hamburger den Trierern diktieren könnten, wohin die Reise in Sachen Einzelhandel und Shoppingcenter geht, ist groß. Derweil streuen Mitbewerber von ECE unter den Ratsfraktionen, dass auch sie Interesse an einem größeren Projekt gezeigt hätten. So behauptet die mfi Management für Immobilien AG, dass man seit 2011 mit den Trierer Verantwortlichen im Gespräch gewesen sei. „Leider erhielten wir aus der Stadtverwaltung Mitte 2012 ein Schreiben, dass kein Interesse an der Entwicklung eines Handelsquartiers besteht“, heißt es in einer Mail, die 16vor vorliegt. Nachfrage in Essen: Ob man denn mehr erfahren und das erwähnte Schreiben haben dürfe?  Nach drei Tagen ein Zweizeiler: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Leider geben wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellungnahme ab.“ Man komme aber gerne „zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf Sie zu“.

ECE trat derweil bereits vor mehr als einem Jahrzehnt erstmals auf den Plan, wie das Rathaus auf Anfrage bestätigte: Es seien der Verwaltung „punktuell und zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Liegenschaften von ECE als potenziellem Investor angetragen“ worden. Weiter teilte die Stadt mit, dass die Hamburger Interesse an dem Areal der alten Hauptpost am Kornmarkt sowie dem Paulinus-Areal hatten, auf dem heute die  „Trier-Galerie“ steht. Doch damals konnte ECE sein Vorhaben nicht verwirklichen. 2010 dann hätten sich die Hamburger erneut gemeldet und ihr Interesse bekundet, in Trier tätig zu werden. „Konkret wurden die Gespräche Ende August 2012“, so die Stadt, die dem Eindruck entgegentreten möchte, sie sei die Getriebene im Verfahren. Das Gegenteil sei der Fall: ECE sei zwar mit konkreten Überlegungen auf die Stadt zu getreten, doch habe man das Unternehmen „vor dem Hintergrund des in Bearbeitung befindlichen Einzelhandelskonzepts überzeugen können, dass zunächst im Hinblick auf die gesamte Innenstadt eine Entwicklungsperspektive im Sinne eines ‚Innenstadtentwicklungs- und -nutzungskonzeptes Trier 2025+‘ erstellt werden sollte“. Erst dann solle ECE eigene Absichten konkretisieren.

Der OB wird konkreter und erklärt zu der Frage, wie eine mögliche Einflussnahme des potenziellen Investors auf den Klärungsprozess, ob Trier eine weitere Shopping-Passage benötigt, verhindert werde: „Ich lasse mir von ECE nicht vorschreiben, welche Gutachter wir beauftragen“. Ein solches Ansinnen sei aber auch nicht an die Stadt herangetragen worden. „Wenn ich gesagt habe, dass ich einen ergebnisoffenen Prozess möchte, dann meine ich das auch so, und da will ich keine Gefälligkeitsgutachten“, fährt Jensen fort und erläutert: „Ich will feststellen lassen, welche Vor- und Nachteile hätte ein wie auch immer geartetes Invest für Trier“. Für beide Beteiligten gebe es „ständige Ausstiegsmöglichkeiten. Das gilt für uns, aber auch für den möglichen Investor. Wenn für ECE erkennbar ist, dass ein Invest von Nachteil für das Unternehmen wäre, dann können die natürlich auch aussteigen“. Im Übrigen, so Jensen weiter, seien Darstellungen, die ECE habe sich ein Vorkaufsrecht für die Europahalle gesichert, „einfach falsch“. Man habe sich lediglich dazu verpflichtet, während der Laufzeit des Prozesses nicht an Dritte zu verkaufen. „Das halte ich aber auch für selbstverständlich“.

Vorentscheidung im Steuerungsausschuss

Eine Vorentscheidung, ob der Prozess überhaupt in Gang kommt, könnte schon in der nächsten Sitzung des Steuerungsausschusses fallen. Denn Jensen hat erklärt, dass er eine Entwicklungsvereinbarung mit ECE nur unterschreiben werde, wenn die Ratsfraktionen ihm hierfür grünes Licht geben. Seit September 2012 handelten der potenzielle Investor und die Stadt die Inhalte der Vereinbarung aus, am 4. April stand der Entwurf. Dieser sehe indes nicht vor, dass „der ECE seitens der Stadt Trier Verbindlichkeiten auf Verkauf von Grundstücken oder auf Erstellung von Bebauungsplänen zugesagt wurde; diese sind explizit ausgeschlossen“. Weiter teilte das Rathaus mit: „In der Entwicklungsvereinbarung werden keine konkreten Liegenschaften genannt. Es werden lediglich die Entwicklungsgebiete abgegrenzt. Unter Punkt 4.2 sichert die Stadt zu, keine eigenen Verhandlungen mit anderen Entwicklern zum Vorhaben zu führen. Dies ist ein Zugeständnis, da die ECE mit dem Prozess ein eigenes Investment in die Entwicklungsplanungen vornimmt“. Erst für den Fall, dass die Ergebnisse der Entwicklungsplanungen und der Machbarkeitsuntersuchung positiv abgeschlossen würden, werde es eine weitere Vereinbarung geben, „in der die Stadt Trier die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke für die dann abgestimmte Projektrealisierung an die ECE zum Verkauf anbietet und diese mit der ECE umsetzt“.

Aber, heißt es sogleich ergänzend, dies sei selbstverständlich auch abhängig von anderen Faktoren, etwa von der „Kaufpreisfindung sowie entsprechenden Ratsbeschlüssen“. Von Absichtserklärungen, „die keine entsprechende Umsetzung bedingen“, spricht man im Rathaus.  Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Partner aus der Vereinbarung aussteigen könnten, liefert die Verwaltung die entsprechenden Passagen des Vertragsentwurfs: „Die ECE behält sich vor, diese Vereinbarung ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, wenn die rechtlichen Grundlagen für die Realisierung des Vorhabens nicht geschaffen werden können, nicht die für das Projekt vorgesehenen Grundstücksareale erworben werden können oder ihr die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaft­lichen Gründen nicht mehr möglich erscheint.“

Auch die Stadt kann demnach die Vereinbarung „ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn a) SENI (Strategisches Entwicklungs- und Nutzungskonzept Innenstadt Trier 2025+) unter Einbindung der Arbeitsleistungen von ECE nachvollziehbar und schriftlich begründet keine positive Umsetzungsmöglichkeit für den Bereich des Einzelhandels aufzeigt und nach gemeinsamer Abstimmung in der Lenkungsgruppe zwischen Stadt und ECE keine Lösungen einvernehmlich abgestimmt werden können und b) die ECE aus von ihr zu vertretenden Gründen auch nach schriftlicher Mahnung mit Fristsetzung unter Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeiten ihren mit dieser Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommt.“

 

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