Drei Wahlen, ein Schema

Nicht erst die Diskussion um den Versetzungswunsch wichtiger Mitarbeiter des Dezernats II wirft die Frage auf, ob Triers Ratsmitglieder bei wichtigen Personalentscheidungen der jüngeren Vergangenheit eine glückliche Hand bewiesen. Neben Bürgermeisterin Birk sehen sich auch Wirtschafts- und Kulturdezernent Egger (einst FDP) sowie Baudezernentin Kaes-Torchiani (CDU) fortgesetzter Kritik an ihrer Amtsführung ausgesetzt – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ausgerechnet in den Lagern, die den jeweiligen Inhabern zu ihren Ämtern verhalfen, ist der Unmut bisweilen am größten. Wie auch immer man zu den drei Beigeordneten steht – ihrer Wahl lag jeweils parteipolitisches Kalkül zugrunde, weshalb fast alle Fraktionen für die Zusammensetzung des Stadtvorstands Verantwortung tragen, obwohl kaum jemand mit „seinem“ Dezernenten so richtig glücklich scheint. Eine Analyse von Marcus Stölb.

TRIER. Das Ergebnis war denkbar knapp, doch wie auch immer es am Ende ausgesehen hätte, eines stand von vornherein fest – ein weiteres Mal würde ein Christdemokrat auf dem Chefsessel des Rathauses Platz nehmen. Vor 50 Jahren wählte der Stadtrat einen neuen Oberbürgermeister. Selten versprach eine OB-Wahl spannender zu werden als jene vom 23. Oktober 1963. Zwar hatte die damals noch klar dominierende politische Kraft Triers mit dem Münsteraner Stadtdirektor Josef Harnisch einen offiziellen Kandidaten nominiert, doch hielt das den seinerzeitigen Bürgermeister Emil Zenz nicht davon ab, sich ebenfalls zu bewerben.

Dass Zenz ein CDU-Parteibuch hatte, war für ihn kein Hinderungsgrund – und für viele Sozialdemokraten auch nicht. Die Genossen signalisierten dem Bürgermeister, ihn mehrheitlich zum OB zu wählen. Mit den Stimmen der SPD sowie einiger Abweichler aus den „eigenen“ Reihen würde es schon klappen, so das Kalkül des Möchtegern-Stadtchefs. Allein: Diese Rechnung ging nicht auf, Harnisch lag mit 24 zu 22 Stimmen vorne. Bis 1976 stand er an der Spitze der Stadt, doch Zenz wie auch der laut Zeitzeugen nicht weniger selbstbewusste Sozialdemokrat Hans König bestimmten maßgeblich die Geschicke der Stadt.

Zwei Kandidaten einer Partei bewerben sich um ein und dasselbe Amt, und einer von ihnen setzt offen auf die Unterstützung des politischen Gegners – allein schon die Aussicht auf ein derartiges Szenario würde jeden Lokaljournalisten verzücken. Allein es scheint heute kaum vorstellbar, dass eine Partei es so weit kommen ließe. Mehr oder minder sanft würde man einem der Protagonisten nahelegen, seine Kandidatur wieder zurückzuziehen. Und sollten alle Drohgebärden im Sande verlaufen, gäbe es ein Parteiausschlussverfahren. Zenz hätte selbst das wohl nicht abgeschreckt, und hätte es die Direktwahl des Oberbürgermeisters schon damals gegeben, er wäre wohl angetreten.

Mit dem damaligen, 1994 verstorbenen Bürgermeister hat Simone Kaes-Torchiani nichts gemein – außer dem Parteibuch. Dass die Baudezernentin sich „zuerst der Stadt verpflichtet fühlt“, hat sie früh deutlich gemacht und so zu erkennen gegeben, das Parteidisziplin nicht zu ihren ausgeprägten Eigenschaften zählt. Wie wenig man in der CDU von ihr hält, erfährt man ohne großes Nachfragen. „Wir haben alles versucht, aber wir haben es aufgegeben“, seufzt ein Unionsmann. Dass KT die fachliche Kompetenz fehlte, behauptet ernsthaft niemand. Tatsächlich zählen sie und ihr Dezernat zu den Aktivposten der Verwaltung. Der Dezernentin ist es gelungen, einige wirklich fähige Leute ins Rathaus zu holen. Auch mangelt es ihr nicht an Leidenschaft – brennt sie für etwas, kann sie auch andere begeistern. Doch auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Passt Kaes-Torchiani etwas nicht, hat es nahezu keine Chance auf Verwirklichung. Dann zeigt die Dezernentin ihre wenig gewinnende Seite.

Gemessen an ihr ist Angelika Birk von völlig anderem Naturell – zumindest bei öffentlichen Auftritten. Die Grüne ist meistens freundlich und selten offen auf Konfrontationskurs. Auch bei ihr zweifelt kaum jemand an ihrer fachlichen Kompetenz, und gerade auf ihren Politikfeldern ist sie firm. Dass die Grüne einiges an politischer Erfahrung mitbringt, ergibt sich schon aus ihrer bisherigen Laufbahn. Doch auch nach fast drei Jahren fremdelt sie mit den kommunalpolitischen Akteuren, und greifbare Erfolge lassen weiter auf sich warten. Dabei hatte alles hoffnungsvoll begonnen, 2010, als Birk ankündigte, die Never-Ending-Story Schulentwicklungsplan rasch zu einem Durchbruch führen zu wollen. Sie setzte sich einen strammen Zeitplan, von dem viele ahnten, dass er nicht einzuhalten war. So kam es, denn Birk kam nicht recht voran. Nun gibt es ein Schulentwicklungskonzept, doch das basiert auf einem Kompromiss, an den auch die nicht mehr glauben, die ihn mit aushandelten.

Es gab Zeiten, da wurde Birk in ihrer Partei als potenzielle OB-Kandidatin gehandelt. Auch Thomas Egger soll mit einer Bewerbung geliebäugelt haben – hört man zumindest aus seiner ehemaligen Partei. Doch 2014 ist weder mit der Grünen noch mit dem Ex-Liberalen zu rechnen. Egger, der als FDP-Fraktionschef mit seiner Redegewandtheit Eindruck machte und als politisches Talent galt, wirkt im Stadtvorstand eher unscheinbar. Dabei kannte er die Themen, die auf ihn zukommen. Immerhin scheint mit dem Diskussionsprozess zum Kulturleitbild nun etwas in Bewegung gekommen. Allerdings wurde Egger kürzlich auch heftig ausgebremst – als der Stadtrat mit knapper Mehrheit seine Vorlage zur kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung kassierte, ließen CDU, FWG und FDP den jüngsten Beigeordneten alt aussehen.

Kaes-Torchiani, Egger und Birk haben eines gemeinsam – dass sie in ihre Ämter kamen, haben sie nicht zuletzt machtpolitischem Kalkül zu verdanken. Im Frühjahr 2007 vereitelten CDU und UBM (heute FWG) die Wahl der zweifellos kompetenten Architektin Beatrice Soltys, die heute Baubürgermeisterin in Fellbach ist. Kaes-Torchianis Wahl war Jensens erste Niederlage – zu einem Zeitpunkt, als der Sozialdemokrat noch „OB-elect“ war, sein Amt also noch gar nicht angetreten hatte. Die damalige Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch (CDU) hätte gerne auch die Verantwortung fürs Bauen übernommen. Ob sie das Zeug dazu hatte, steht dahin, denn Jensen hatte entschieden, die Wirtschaft zur Chefsache zu machen. Damit war Horsch aus dem Rennen.

Thomas Egger wäre nie ins Amt gekommen, hätte sich im Herbst 2009 nicht das kurzlebige Ampelbündnis formiert. Gleiches gilt für Angelika Birk. Denn in der internen Vorauswahl favorisierten große Teile von FDP und SPD eine sozialdemokratische Bewerberin vom Niederrhein. Doch die Grünen bestanden auf einer Grünen im Stadtvorstand. Innerhalb der SPD gab es damals heftigen Unmut, der dadurch gedämpft wurde, dass man skeptischen Genossen Hoffnungen auf die Besetzung des Baudezernats machte. Dessen Neubesetzung steht 2015 an. Die FDP wiederum musste Birk schon deshalb wählen, weil ansonsten die Wahl Eggers auf der Kippe gestanden hätte. So liefen die letzten drei Dezernenten allesamt nach einem Schema ab.

Tempi passati, viele „wäre“ und „hätte“. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sämtliche der im Stadtrat vertretenen Fraktionen – mit Ausnahme der Linken vielleicht – ihren Beitrag dazu leisteten, dass der Stadtvorstand heute so besetzt ist, wie er ist. Über Jahrzehnte teilten sich Union und Sozialdemokraten die Posten untereinander auf, von daher versprach eine Vier-Parteien_Stadtspitze einen längst überfälligen Wandel in der Stadtpolitik. Doch so wenig die CDU im Kommunalwahlkampf 2014 mit Simone Kaes-Torchiani als Aushängeschild werben wird, so unwahrscheinlich scheint, dass die Grünen mit Birk werden punkten können. Bei Egger hat sich das Thema ohnehin erledigt, selten haben sich ein ehemaliger Kreis- und Fraktionschef und seine Partei derart voneinander entfremdet; das Zerwürfnis zwischen Egger und der FDP trägt beinahe lafontainistische Züge, man hat sich nichts mehr zu sagen.

Da Beigeordnete für acht Jahre gewählt sind, wird sich an der Zusammensetzung des Stadtvorstands nach Lage der Dinge erst 2015 wieder etwas ändern. Dann wird es in jedem Fall einen neuen OB oder erstmals eine Stadtchefin geben, und das Baudezernat wird mit ziemlicher Sicherheit ab dem 1. Mai des besagten Jahres neu besetzt. Ob es zuvor auch noch eine neue Bürgermeisterin geben wird, scheint völlig offen. Zwar wollen manche Ratsmitglieder hinter vorgehaltener Hand eine Abwahl Birks durch den Stadtrat nicht ausschließen, doch derartiges scheint vor der Kommunalwahl kaum vorstellbar; schon weil die Fraktion, die einen Antrag auf Abwahl einbringen würde, sich wohl auch kritische Fragen zur Leistung ihres „eigenen“ Dezernenten gefallen lassen müsste. Obendrein wäre für eine Abwahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. So spricht denn derzeit vieles dafür, dass der Stadtvorstand in seiner jetzigen Besetzung noch mindestens 15 Monate im Amt bleiben wird.

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