Die fünf Trauerphasen durchleben

Matthias Guntrum, Daniel Denne, Stephan Wirth und Wolfgang Reichardt von "Gentlymad". Foto: privatGentlymad“ ist das einzige Computerspiele-Studio in Trier. 2013 belegte es mit seinem Erstling „In Between“, der in ei­ner Demo-Version heruntergeladen werden kann, den zwei­ten Platz beim Deutschen Multimediapreis. Jetzt erhielt das Spiel den „RedDot Award – Best of the Best“. 16 VOR-Partner Gamers.de hat mit Gründungsmitglied Matthias Guntrum über das Debütwerk gesprochen, das sich einfühlsam und tiefgründig mit dem Sterben beschäftigt.

Gamers.de: Was denken Sie über Trier als Standort für die Com­puterspiele-Industrie?

Matthias Guntrum: Trier als Standort für Computerspiele-Studios ist eher ein Novum. Wir werden aber gerade von der Hochschule aus tatkräftig gefördert. So wird uns ein Büro zur Verfügung gestellt, das es uns erlaubt, unsere Ideen ohne Um­wege gemeinsam zu diskutieren und in die Tat umzusetzen. Seit kurzem freuen wir uns auch über Prominenz in Form von unserer Spiele-Professorin Linda Breitlauch, die uns neben vielen ande­ren Dozenten mit ihrer Erfahrung zur Seite steht.

Gamers.de: Ihr Erstlingswerk heißt „In Between“. Worum geht es darin?

Guntrum: „In Between“ ist ein atmosphärischer Platformer, in dem man mit Geschick die Schwerkraft und die Umgebung beein­flusst, um Rätsel zu lösen. Darüber hinaus erzählt „In Between“ eine Geschichte über Leben und Tod, die den Spieler zum Nach­denken einlädt, ohne das Thema aufzuzwingen. Wir bieten eine dichte Atmosphäre, in die sich Spieler fallenlassen und gleich­zeitig anspruchsvolle Rätsel knacken können. Insgesamt werden circa 80 Level in fünf verschiedenen Kapiteln spielbar sein, wobei jedes Kapitel eigene Herausforderungen bieten wird.

Gamers.de: Welche Inspirationen gab es für „In Between“?

Guntrum: Mit dem Ziel, einen Platformer zu gestalten, der Spielmechanik und Storytelling spannend verknüpft, fällt der Blick schnell zu Spielen wie „Braid“ oder auch „Portal“. Beides sind Titel, die wir sehr wertschätzen und die uns sicherlich in­spiriert haben, ein Projekt wie „In Between“ anzugehen. Eine weitere Inspiration kommt aus der Sterbeforschung. Hier gibt es ein Modell mit fünf Trauerphasen: Verleugnen, Zorn, Verhand­lung, Depression, Akzeptanz. Dabei handelt es sich um Etappen, die man unweigerlich durchläuft, wenn man vom eigenen Leben oder dem eines geliebten Menschen Abschied nehmen muss. Sie bilden den roten Faden der Geschichte von „In Between“. Darü­ber hinaus versuchen wir, pro Phase passende Spielmechaniken abzuleiten. So wird der Spieler in der Verleugnen-Phase von einer schwarzen Wand verfolgt, die sinnbildlich für das unausweichli­che Schicksal steht, dem es sich zu stellen gilt.

Gamers.de: Wieso ausgerechnet ein Spiel übers Sterben?

Guntrum: Wir empfanden es als Herausforderung, das Ta­buthema Tod mit dem Medium Computerspiel glaubwürdig zu reflektieren. Der Tod wird in Spielen oft nur als Mechanik einge­setzt. Meist ist es das Ziel, seinen Gegner mit Geschick und Tak­tik zu töten. Dadurch wird das Thema in der virtuellen Welt zu einer beiläufigen Selbstverständlichkeit. Wir versuchen mit „In Between“ das Sterben als narratives Kernelement einzusetzen, um den Spieler zur Reflexion einzuladen und die Endlichkeit des Lebens anzuerkennen. In der realen Welt fällt der Umgang mit dem Tod nicht leicht, „In Between“ kann aber ein Verständnis dafür schaffen, wie Menschen mit dem Prozess des Sterbens um­gehen. Natürlich zwingen wir niemanden dazu, aber man kann sich darauf einlassen!

„In Between“ ist auch eine Geschichte über Leben und Tod. Screenshot: In BetweenGamers.de: Hatten Sie eine bestimmte Zielgruppe für den Titel im Auge?

Guntrum: Wir verfolgen einen etwas weniger traditionellen An­satz, als das Spiel explizit auf eine Zielgruppe zuzuschneiden. Im Mittelpunkt steht unsere Vision, die wir verwirklichen möchten. Dabei wollen wir uns nicht von oberflächlichen Zielgruppende­finitionen ablenken lassen, weil wir glauben, dass dieser Ansatz der Kreativität und somit dem Endprodukt mehr schadet, als es ihm von Nutzen ist. Natürlich ist uns das Feedback der Spieler wichtig, weswegen wir auch versuchen, unser Spiel während der Entwicklung auf Messen und öffentlichen Veranstaltungen zu­gänglich zu machen.

Gamers.de: Haben Sie schon weitere Projekte in Planung?

Guntrum: Es gibt einige Projektskizzen, die wir nach „In Bet­ween“ verfolgen möchten. Unser nächster Titel wird ein kleine­res Spiel für mobile Endgeräte, das eher technisch innovativ ist und den Fokus auf Humor richtet. Wir planen allerdings auch komplexere Produktionen, die sich hinter den großen AAA-Ti­teln nicht verstecken sollen müssen. Gleichzeitig ist unser am­bitioniertestes Projekt die Firma selbst. Wir planen, unser Team langfristig zu erweitern, um eben solche komplexen Titel besser bewältigen zu können. Um Eigenkapital für weitere Projekte zu sammeln, stehen wir außerdem in einer Kooperation mit dem SWR-Fernsehen.

Gamers.de: Was halten Sie von „Kickstarter“, „Greenlight“ und Co.? Können Sie sich vorstellen, selbst einmal Crowdfunding auszuprobieren?

Guntrum: Plattformen wie Greenlight ste­hen exemplarisch für die vielen neuen digita­len Distributionswege, die es gerade kleinen Studios wie uns einfacher machen, unabhän­gig Spiele zu vertreiben. Sie sind wichtige Informations- und Partizipationskanäle für Spieler und fördern eine transparente Kom­munikation zwischen Entwickler und Nutzer. Das eigene Spiel einer großen Community schmackhaft zu machen ist dabei die große Herausforderung. Die Vorfinanzierung über Plattformen wie Kickstarter ist dabei noch eine Steigerung. Hiermit lassen sich innova­tive und experimentelle Spielideen umsetzen, auch wenn sie nur ein Nischenpublikum in­teressieren. Die Förderbereitschaft der Com­munity ist allerdings etwas stagniert. Die erste große Welle an Crowdfunding-Titeln ist zur Zeit in Entwicklung und die Spieler warten nun auf Ergebnisse. Sie wollen sich vergewissern, dass ihre Hoffnungen nicht enttäuscht werden. Horrende Summen, wie sie von einem „Star Citizen“ erreicht werden, sind für ein klei­nes Studio natürlich unrealistisch. Genre, Spielsystem und die Bekanntheit der Entwickler spielen eine große Rolle für den Er­folg eines Crowdfunding-Projekts. Dennoch besteht die Chance, erfolgreich gefördert zu werden, gerade für Projekte mit geringer Förderungssumme. Wer an sein Projekt glaubt, verzichtet aller­dings darauf, es ausschließlich über Kickstarter zu finanzieren.

Gamers.de: Was würden Sie Studenten Ihres Faches für die Zu­kunft mit auf den Weg geben?

Guntrum: Do it your way! Glaubt an euer Vorhaben und riskiert etwas!

Download unter http://gentlymad.org/game/inbetween.

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