Eine Entscheidung für acht Jahre

Am Sonntag wird sich zeigen, wer zuletzt lacht: Hiltrud Zock und Wolfram Leibe kämpfen ums Trierer OB-Amt. Foto: Marcus StölbAm Sonntag entscheiden die Trierer, wer im Frühjahr die Nachfolge von Klaus Jensen antreten wird. Vielleicht werden einige der 56.735 Nichtwähler aus der ersten Runde zwischenzeitlich erkannt haben, dass die Entscheidung über den oder die künftige OB keineswegs belanglos ist. Gut möglich aber auch, dass einige derjenigen, die am 28. September noch ihre Stimme abgaben, dem Urnengang dieses Mal fernbleiben wollen – weil ihnen ihr Kandidat abhanden gekommen ist, sie von schwarz-grünen Strategen vergrault wurden oder es mit Blick auf die Landespolitik nicht übers Herz bringen, erneut einen Roten ins wichtigste Amt der Stadt zu wählen. Keine Frage: CDU, SPD und Grüne machen es einem nicht leicht, doch sollten es sich die Trierer auch nicht zu einfach machen. Wer weder von Wolfram Leibe noch von Hiltrud Zock überzeugt ist, sollte dennoch ins Wahllokal gehen, eine Möglichkeit bleibt ihm noch. Nur zuhause bleiben ist keine Alternative! Ein Gastbeitrag von Marcus Stölb.

TRIER. Bis in die „Sendung mit der Maus“ hat es die OB-Wahl noch nicht geschafft, doch ein Erklärstück zur Frage, was denn die Person an der Spitze des Trierer Rathauses eigentlich alles leisten muss und welche Qualifikationen sie mitbringen sollte, kann nicht schaden. Das dachte man sich nun offenbar auch im städtischen Presseamt und platzierte gleich auf der ersten Seite der aktuellen Rathaus-Zeitung eine 14 Punkte zählende Liste an Aufgaben, auf die sich Wolfram Leibe und Hiltrud Zock schon mal einstellen dürfen. Wer will, kann die Punkte einzeln abhaken und so entscheiden, ob er das Amt eher der parteilosen Bewerberin der CDU oder dem sozialdemokratischen Kandidaten zutraut. Wer auch immer es wird – die Entscheidung gilt für acht Jahre.

Dass die Amtsblatt-Macher die Liste nicht schon vor dem ersten Wahlgang erstellten, mag damit zusammenhängen, dass der Schock über die desaströse Wahlbeteiligung vom 28. September manchen am Augustinerhof wachgerüttelt hat. Überhaupt hatte es den Anschein, dass in den Tagen nach dem ersten Durchgang einigen erst richtig klar wurde, dass es nicht völlig egal ist, wer im Frühjahr auf dem Chefsessel des Rathauses Platz nehmen und die Geschicke der Stadt wesentlich mitbestimmen wird. In den vergangenen Tagen haben sich die im ersten Wahlgang siegreiche Hiltrud Zock und Wolfram Leibe noch mehr verausgabt als schon in den Wochen zuvor, und wenn man beiden eines nicht vorwerfen mag, dann, dass sie keinen Einsatz gezeigt hätten; ob ihre Kampagnen auch ausreichend effizient und vor allem inhaltlich überzeugend waren, und ob es den Parteien gelang, das höchst unterschiedliche Profil ihres jeweiligen OB-Kandidaten deutlich zu machen, darf indes bezweifelt werden. So gesehen ist es gut, dass Leibe und Zock weitere zwei Wochen Gelegenheit bekamen, sich bekannt zu machen. Geht die PR-Managerin auch als klare Favoritin in die zweite Runde, scheint das Rennen doch offen; und allen voran die Grünen, die sich für den SPD-Mann nicht erwärmen konnten, aus Angst vor der eigenen Anhängerschaft aber auch vor einer Empfehlung für Zock zurückschreckten, könnten Leibes Chancen erhöht haben.

Denn was seit dem ersten Wahlgang auch geboten wurde, war machtpolitisches Laientheater, das die Kommunalpolitikverdrossenheit bei nicht wenigen Trierern eher befördert haben dürfte. Kaum 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale präsentierte CDU-Kreischef Bernhard Kaster seinen Parteigremien einen Entwurf für eine „Verantwortungsgemeinschaft“ zwischen CDU und Grünen. Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Wähler hätte es geboten, dieses Papier oder dessen Existenz schon vor dem 28. September zu publizieren. Ausgerechnet die Partei, die den Kommunalwahlkampf 2009 noch mit dem Slogan „Wir haben die Hinterzimmer zugemauert“ bestritt, enthielt den Wählern ein für ihre Entscheidung nicht ganz unwesentliches Detail vor. Offenbar traute man dem Wähler nicht, was nicht minder für die Grünen gilt. Den Strategen um Corinna Rüffer, der Bundestagsabgeordneten und eigentlichen starken Frau der Partei, und Kreischef Wolf Buchmann war klar, dass das Bekanntwerden des Papiers vor dem ersten Urnengang einige potenzielle Konrad-Wähler verschreckt hätte. Dass Kreischefin Petra Kewes dann über den Trierischen Volksfreund wissen ließ, dass selbst der „Moselaufstieg“, der von der CDU seit Jahren unentwegt gefordert und von den Grünen ebenso unentwegt abgelehnt wird, kein inhaltlicher Knackpunkt mehr für sie sei, da für das Straßenprojekt eh das Geld fehle, macht das Glaubwürdigkeitsproblem der Grünen perfekt. Vor diesem Hintergrund musste sich der Eindruck aufdrängen, Trier solle als Versuchslabor für mögliche Mainzer Koalitionsoptionen dienen, zum Vorspiel für eine mögliche schwarz-grüne Liaison auf Landesebene; wenngleich nur Menschen, die sich ausschließlich in politischen Kreisen bewegen, auf den Gedanken kommen können, eine „Verantwortungsgemeinschaft“ in Trier hätte wirklich Einfluss auf den Ausgang der Landtagswahl im Frühjahr 2016.

Das machtpolitische Dilemma der Grünen

Derweil stecken die Trierer Grünen in einem machtpolitischen Dilemma: Eine Zusammenarbeit mit der CDU ist rein rechnerisch die einzige Option für sie, auch künftig ein gewichtiges Wörtchen in Rat und Verwaltung mitzureden. Etwas anderes geben die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat für die Grünen nicht her. Würden nun SPD und Union sich zusammentun, was nach Lage der Dinge immer noch möglich ist, müsste Angelika Birk um ihr Amt fürchten. So ist es kein Zufall, dass die Grünen in den Entwurf der Vereinbarung reinschreiben ließen, dass bei „Personalentscheidungen des Stadtrats keine der beiden Seiten überstimmt werden“ soll. Man hätte es auch verständlicher formulieren können: Die CDU soll zusichern, dass Angelika Birk bis 2018 im Amt bleibt, mindestens. Eine solche Zusicherung stößt aber nicht wenigen in der Union auf, zumal niemand Geringeres als Fraktionschef Dr. Ulrich Dempfle es war, der Birk noch im Januar attestierte, in ihrem Amt völlig überfordert zu sein.

Er habe diese „Spielchen satt“, ließ Wolfram Leibe kurz nach Bekanntwerden des Papiers verlauten. Schon am Wahlabend wirkte der Sozialdemokrat wie aufgekratzt. Dass ihn am 28. September zehn Prozentpunkte von Hiltrud Zock trennten, ist für ihn kein Grund, nicht an seinen Wahlsieg zu glauben. Der Ton hat sich verschärft, stärker als zuvor versuchen die Genossen, nun die tatsächliche Kompetenzen und vermeintliche Vorzüge ihres Kandidaten herauszustellen. Doch wie bei Zock, zu deren Unterstützung nicht nur CDU-Landeschefin Julia Klöckner mehrmals an die Mosel eilte, sondern mit Bernhard Vogel auch der nach Helmut Kohl letzte noch lebende rheinland-pfälzische Regierungschef aus den Reihen der Union, agiert auch Leibe nicht völlig losgelöst von der Landespolitik. Der Arbeitsagentur-Manager ist Malu Dreyers Kandidat, mit der populären Ministerpräsidentin hat er sich plakatieren lassen. Doch ob ihm dies Rückenwind verschaffen wird, scheint inzwischen fraglich.

Denn nicht nur die jüngsten Entscheidungen der EU-Kommission in Sachen Nürburgring und Zweibrücken dokumentieren das eklatante Versagen von Regierungen, denen Dreyer selbst seit 2002 angehörte. Die lange Dominanz der SPD stößt vielen im Lande inzwischen auf, und sie macht sich auch an anderer Stelle bemerkbar. So werden Landesbehörden als Beschäftigungsgesellschaften für mehr oder weniger verdiente Genossen und auch Grüne zweckentfremdet. In der ADD schuf die Landesregierung in den vergangenen Jahren immer wieder neue Posten – unter anderem für „Problemfälle“ wie einen wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilten FCK-Manager und Landesbeamten; in einer Behörde, die als Kommunalaufsicht des Landes jeden Gemeindehaushalt von Enkenbach-Alsenborn bis Hoppstädten-Weiersbach kritisch unter die Lupe nimmt und im Zweifel jede neue Planstelle hinterfragt. In den Justizbehörden herrscht derweil Personalmangel, hier würde einem allerdings auch selbst das beste Parteibuch nichts nützen, sollte man nicht auch von der Materie Ahnung haben.

Als Trierer sollte man die Mainzer Politik an diesem Sonntag am besten außen vor lassen. Die oder der künftige OB der ältesten Stadt Deutschlands muss weder schwarz-grüne Signale senden noch als roter Statthalter dienen! Die OB-Wahl taugt weder als Test- noch als Protestwahl. Jensens Nachfolger sollte vielmehr ausreichend Sachkompetenz und Selbstbewusstsein mitbringen, um den Strategen bei CDU, SPD und Grünen Einhalt zu gebieten und souverän in Mainz und Berlin Trierer Interessen zu vertreten. Das kann er oder sie aber am besten, wenn möglichst viele von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Denn nur aus der Direktwahl zieht ein OB seine besondere Legitimation, und wenn lediglich jeder Dritte seine Stimme abgibt und von diesen wiederum nur etwas mehr als jede zweite auf die Siegerin oder den Sieger entfällt, ist Klaus Jensen Nachfolger schon angeschlagen, bevor er ins Amt kommt. Selbst kleinste Vereine schreiben für ihre Mitgliederversammlungen Mindestteilnehmerzahlen vor, um beschlussfähig zu sein; würde der Kandidat für das Amt des Kassenwarts im MGV Concordia Kürenz seine Wahl annehmen, wenn er nur von jedem zehnten Sangesbruder unterstützt würde? Wohl kaum!

Eine Wahlpflicht müsste her!

Eigentlich müsste längst eine Wahlpflicht her, kombiniert mit der Möglichkeit, auf jedem Wahlzettel ein Feld „Enthaltung“ anzukreuzen. Dann wären Unentschlossene nicht mehr gezwungen, nur das für sie „kleinere Übel“ zu wählen oder sich in die Nichtwahl zu flüchten; und Desinteressierte und selbstgerechte Politikverächter müssten sich zumindest bis ins Wahllokal bequemen, statt das – wahlweise – zu gute oder zu schlechte Wetter als Schutzbehauptung für die eigene Bequemlichkeit zu bemühen. Zugleich müssten sich alle Bürger mit der jeweiligen Wahl und deren Angeboten auseinandersetzen.

Eine Wahlpflicht und ein Kästchen „Enthaltung“ wird es an diesem Sonntag aber (noch) nicht geben, und dass den Wählern keine klaren personellen Alternativen geboten würden, lässt sich auch nicht behaupten. Schließlich haben Wolfram Leibe und Hiltrud Zock nahezu nichts gemein und könnten allein schon vom Naturell her unterschiedlicher nicht sein. Wer aber dennoch partout weder für die CDU-Bewerberin noch für den SPD-Kandidaten stimmen mag, sollte dennoch zur Wahl gehen – und notfalls seinen Wahlzettel ungültig machen. Ungültige Stimmen fließen in die Ermittlung der Wahlbeteiligung mit ein. Im ersten Durchgang wurden 245 ungültige Stimmen gezählt.

Noch besser wäre aber eine klare Entscheidung bei einer spürbar höheren Wahlbeteiligung als jener am 28. September. Dann wäre die Entscheidung an diesem Sonntag mehr als nur die zweite Wahl binnen 14 Tagen. Sie wäre der Beweis, dass eine Stichwahl auch mobilisieren kann.

Marcus Stölb

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