„Nahverkehr verdrängt Fernverkehr“

HauptbahnhofICNun ist es amtlich: Die Deutsche Bahn AG plant, ihre wenigen verbliebenen IC-Verbindungen von und nach Trier ab Dezember 2014 einzustellen. Damit bestätigte das Unternehmen auf Anfrage von 16vor jetzt auch offiziell, was vom Zweckverband SPNV Nord in Koblenz und dem Mainzer Infrastrukturministerium schon seit längerem erwartet wird. In der Landeshauptstadt dürfte man wenig amüsiert sein von der Begründung, die der Konzern für die geplanten IC-Streichungen anführt. Denn die DB AG macht Koblenz und Mainz für das Vorhaben verantwortlich: Schuld sei der verbesserte „Rheinland-Pfalz-Takt 2015“, der eine Verdoppelung der Regionalexpress-Verbindungen auf der Moselstrecke vorsieht. Damit sei der „ohnehin geringe verkehrliche Nutzen eines parallelen Fernverkehrsangebots nicht mehr gegeben“, erklärte eine Unternehmenssprecherin.

TRIER. Das kann in Trier zumindest nicht passieren: Seit Tagen schon halten im Mainzer Hauptbahnhof in den Abend- und Nachtstunden keine Fernverkehrszüge mehr. Im zuständigen Stellwerk mangelt es an Mitarbeitern, ein hoher Krankenstand und die Urlaubszeit haben die Personalplanung derart verhagelt, dass die Deutsche Bahn AG keinen anderen Weg mehr sah, als den Fahrplan in den Abend und Nachtstunden stark einzuschränken und den Fernverkehr komplett einzustellen.

In Trier herrschen so gesehen das ganze Jahr über „Mainzer Verhältnisse“, jedenfalls was den Fernverkehr anbelangt. Denn nach 20 Uhr wird man im Hauptbahnhof ohnehin keinen IC mehr sichten, und selbst tagsüber sieht man die weißen Züge höchst selten. Nur noch zwei Fernverkehrsverbindungen listet der aktuelle Fahrplan auf, spätestens Ende kommenden Jahres dürfte es noch schlimmer kommen, wie die Deutsche Bahn jetzt auf Anfrage gegenüber 16vor mitteilte. „Die aktuelle Planung der DB sieht vor, ab Dezember 2014 keine Fernverkehrszüge mehr auf dieser Achse anzubieten“, erklärt eine Sprecherin des Konzerns und ergänzt: „Ab Ende 2014 wird der Großraum Luxemburg/Trier mit unverändert kurzen Reisezeiten, dann aber neu über stündlich durchgehende RE-Züge bis Koblenz und dort direktem ICE-/IC-Anschluss nach Köln und Hamburg weiterhin sehr gut in das Fernverkehrsnetz angebunden sein – zum Teil sogar noch besser als bislang“.

Bringt die Streichung der letzten ICs also gar eine Verbesserung des Angebots? Wohl kaum, denn durchgängige Verbindungen von Luxemburg und Trier ins Ruhrgebiet und den Norden Deutschlands wird es dann nicht mehr geben. Und wer regelmäßig mit der Bahn unterwegs ist, weiß, dass es in punkto Komfort eben doch einen Unterschied macht, ob man in einer Regionalbahn oder einem Regionalexpress unterwegs ist, oder in einem Intercity; und sei es nur, weil die Sitze im Intercity bequemer sind und es in den Nahverkehrszügen mitunter schwer fällt, sein Gepäck zu verstauen; oder aber dass in RBs und REs PC-Arbeitsplätze fehlen. Die Schuld für die vermeintliche Angebotsverbesserung will die Deutsche Bahn denn auch nicht übernehmen – und macht stattdessen Mainz und Koblenz für die Streichung des Fernverkehrs verantwortlich.

In Koblenz hat der Schienenzweckverband Personennahverkehr Nord (SPNV) seinen Sitz, dem neben dem Land zwölf Landkreise sowie die beiden kreisfreien Städte Trier und Koblenz angehören; rund 1,8 Millionen Menschen leben im Verbandsgebiet. Kürzlich weilten SPNV-Chef Dr. Thomas Geyer und der Mainzer Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) in Trier, gemeinsam mit Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) präsentierten sie die Pläne für die Reaktivierung der Westtrasse. Doch rasch kam das Gespräch auch auf den Fernverkehr und Geyers Vorzeigeprojekt, den Rheinland-Pfalz-Takt 2015 (wir berichteten). Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014 plant der SPNV eine Reihe von Verbesserungen auf der Moselstrecke sowie nach Luxemburg, Saarbrücken und Mannheim. So soll es von Koblenz über Trier nach Luxemburg und Saarbrücken einen Stundentakt geben.

Ob denn da überhaupt noch Platz bleibe für einen Fernverkehr auf der Moselstrecke, wurde Geyer gefragt. Bevor der SPNV-Mann antworten konnte, ergriff zunächst Lewentz das Wort und griff die Bahn scharf an: Während das Land sich darum bemühe, die von dem Konzern gerissenen Lücken im Fernverkehr durch ein attraktives Angebot im Nahverkehr zu kompensieren, entziehe sich die Bahn immer mehr ihrer Verantwortung. Geyer ergänzte daraufhin: „Die Tür ist nicht zu“. Was wohl so viel heißen sollte wie: Wenn denn die Bahn weiterhin ein Interesse an einem Fernverkehr von und nach Trier habe, werde sich das schon einrichten lassen.

Der Konzern spielt den Ball jedoch zurück und kontert nun auf Anfrage: „Seit nunmehr fast drei Jahren hat die DB in politischen Gesprächen und Schriftwechseln mit dem Land und dem Aufgabenträger (dem SPNV Nord; Anm. d. Red.) frühzeitig und immer wieder auf die Tatsache hingewiesen, dass mit der geplanten Ausweitung des RE-Angebots auf einen Stundentakt der ohnehin geringe verkehrliche Nutzen eines parallelen Fernverkehrsangebots nicht mehr gegeben ist. Die Verdopplung des Nahverkehrsangebots verdrängt leider den Fernverkehr“. Weiter heißt es in einer Stellungnahme: „In den letzten Jahren mussten wir bereits feststellen, dass sich die Reisenden de facto schon verstärkt für den gleich schnellen, aber preisgünstigeren subventionierten Nahverkehr entscheiden“.

Sodann berichtet eine Unternehmenssprecherin von Lösungsvorschlägen, welche die Bahn unterbreitet habe: Um trotz des künftig stündlichen RE-Taktes weiterhin eine direkte Fernverkehrsanbindung von und nach Trier erhalten zu können, „hatte die DB Land und Aufgabenträger ein Alternativkonzept angeboten, das auf der Moselstrecke die tarifliche Integration von Fernverkehrsleistungen in das Nahverkehrsangebot des Rheinland-Pfalz-Takts 2015 vorsieht. Hierfür wäre seitens des Landes lediglich ein Ausgleich der Differenz zwischen Nah- und Fernverkehrstarif nötig gewesen, dafür hätte das Land die Bestellung von Nahverkehrsleistungen eingespart. Damit wären die Ziele von Nah- und Fernverkehr umgesetzt worden: Verdopplung des Angebots für die Nahverkehrskunden und Beibehaltung des Fernverkehrs.“ Vergleichbare Konzepte seien in anderen Teilen Deutschlands bereits mit mehreren anderen Aufgabenträgern bei „gleichen zeitlichen Vorläufen erfolgreich vereinbart“ worden. Rheinland-Pfalz und der SPNV hätten dieses Angebot aber abgelehnt, so die Konzernsprecherin, die gleichwohl betont: „Die DB steht weiterhin für die Erörterung solcher Integrationskonzepte gerne zur Verfügung“.

Lewentz hatte indes schon in der Vergangenheit betont, dass das Land sich nicht an der Finanzierung des Fernverkehrs beteiligen werde. So erklärte er im November 2011, kurz vor der Streichung der ersten drei von einst fünf IC- und ICE-Verbindungen nach Trier und Luxemburg, dass der Fernverkehr „ureigenste Aufgabe“ der Bahn sei. „Alle finanziellen Anstrengungen des Landes und der beiden Schienenzweckverbände sind derzeit darauf gerichtet, den ,Rheinland-Pfalz-Takt 2015´ umzusetzen, der im Nahverkehr nochmals spürbare Verbesserungen bringen wird“, so der Minister damals. Nach Darstellung von Lewentz hatte die Bahn seinerzeit eine Ausgleichszahlung von insgesamt sechs Millionen Euro für einen Zeitraum von drei Jahren gefordert, um das damalige Niveau des Fernverkehrs zu erhalten. Das lehnte Mainz indes ab, und bei seinem Termin in Trier vor wenigen Wochen machte Lewentz erneut deutlich, dass das Land sich in Sachen Fernverkehr nicht in der Verantwortung sehe. Halten Bahn und Minister an ihren bisherigen Positionen fest, dann wird Trier ab Dezember 2014 jenseits von Koblenz und Mannheim auf keinem Fahrplan mehr auftauchen.

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