Der Wowereit von Luxemburg
Xavier Bettel, der Premierminister des Ländchens, ist so etwas wie der Klaus Wowereit Luxemburgs: Immer gut gelaunt, der Mittelpunkt jeder Wein- und Wurstprobe und trotz eines nicht zu leugnenden Hangs zum Aus-dem-Leim-gehen von der Natur mit einer gewissen Grundattraktivität ausgestattet, um die er von so manchem Witwentröster dies- und jenseits der Mosel beneidet werden dürfte. Zudem sind beide, Wowereit wie Bettel, mit einer von tiefschürfenden Selbstzweifeln unangekränkelten Jovialität gesegnet, die Thomas Gottschalk wie einen maulfaulen Pastorensohn wirken lässt. Doch während sich sein deutscher Kollege Wowereit die katastrophale Finanzsituation seines Verwaltungsbezirks mit dem Slogan „arm, aber sexy“ schönsaufen musste, hat Bettel solche rhetorischen Tricks nicht nötig. Er führt schließlich ein Land, in dem der Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei Porsche und – jawohl! – Rolls Royce fährt.
Eine weitere Gemeinsamkeit Wowereits und Bettels ist hingegen, dass sie sich in der Vergangenheit von Vertretern des (im weitesten Sinne) Kulturbetriebs ob ihrer Homosexualität anpöbeln lassen mussten. Während es in Deutschland der grenzdebile Schlagersänger für frustrierte Fünfzehnjährige, Bushido, war, der Wowereit verunglimpfte, hieß Luxemburgs Bushido Octavie Modert und war bis vor kurzem noch eine eher etwas tüdelige Kulturministerin am Knüdler.
Dort ist sie vor allem damit aufgefallen, dass sie einen erbitterten Kulturkampf gegen den „Wetteresel“ auf einer Diekircher Kirchturmspitze ausrief – und verlor. Und eben damit, dass sie Xavier Bettel im Parlament als „Joffer“ (in etwa: Fräulein) bezeichnete. Octavie Modert aus Grevenmacher wurde mittlerweile mit einem gutdotierten, aber weitgehend wirkungslosen Staatsposten aufs politische Abstellgleis geschoben, der Esel aus Diekirch dagegen hat sich behaupten können und erinnert nach wie vor jeden Besucher daran, dass zumindest die Diekircher ihre Esel lieber auf der Kirchturmspitze haben als darunter. Im Gegensatz zu Wowereit hat Xavier Bettel jedoch nie ein „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“ verlautbart, sondern einfach seinen Partner Gauthier Destenay zu offiziellen Anlässen mitgenommen. Damit war das Thema dann auch für die letzten übrig gebliebenen Moderts im Ländchen so ziemlich durch.
Beide, Wowereit wie Bettel, sind weiterhin in die Rolle des obersten Bauherrn zweier sehr unterschiedlicher, aber in beiden Fällen eher suboptimal geplanter Großprojekte geschliddert. Während das Berliner Projekt „Flughafen“ vor allem dazu dient, eine der hässlichsten Städte Osteuropas schnell wieder verlassen zu können (und damit zumindest auf dem Papier logisch und gut durchdacht aussieht), soll sein Luxemburger Pendant „Universität Belval“ junge Leute aus aller Herren Länder anziehen und in einer der langweiligsten Städte Westeuropas halten: in Esch (und damit sieht es zumindest auf dem Papier nach einem Himmelfahrtskommando aus).
Eröffnung und Inbetriebnahme der Bauten war in Berlin wie Esch für 2012 angekündigt und in Berlin wie auch in Esch wetten momentan nur noch unverbesserliche Optimisten auf ein zünftiges Richtfest im Jahr 2015. Während der GröFaZ (größter Flughafen aller Zeiten) allerdings immer noch aussieht wie ein Raiffeisen-Baumateriallager nach einem missglückten Sprengstoffanschlag, ist man in Esch schon ein gutes Stück weiter vorangekommen – die Fassaden stehen, die Verbindungsstrassen sind geteert. Hätte man bei den Planungen nicht dummerweise den kompletten Innenausbau vergessen, wäre man sogar schon fertig. „Hätte, hätte, Fahrradkette“ wie ein in Luxemburg besonders beliebter deutscher Hobby-Philosoph aus Hamburg in solchen Fällen zu sagen pflegt.
Irgendwann aber werden beide Projekte fertig sein und das Richtfest wird, ob mit Wowereit oder mit Bettel, garantiert ein Kracher. Denn anständig feiern – und das eint sie nun schon wieder – können beide!
Tom Lenz
von 16vor