Klassenerhalt mit fremder Hilfe

Dru Joyce zog sein Stirnband nach unten, stapfte in die Kabine und schrie laut das Wort mit vier Buchstaben, das mit einem „f“ beginnt. Maik Zirbes und Co. suchten mit ebenfalls eher mürrischer Miene den Weg in die Katakomben der neuen Ratiopharm-Arena. Nur ab und an ein kurzes Lachen. Groteske Situation, die der Trierer Coach Henrik Rödl noch ein wenig grotesker machte.

ULM. Um 21.40 an diesem Samstagabend standen zwei Dinge unumstößlich fest. TBB Trier hatte das vorletzte Saisonspiel bei Ratiopharm Ulm mit 77:78 (31:42) verloren. Und: Weil Bonn in Gießen gewonnen hatte, durfte die Mannschaft von der Mosel grundsätzlich den Klassenerhalt feiern. Große Erleichterung, geschweige denn richtig Freude war den Spielern des Trierer Basketball-Bundesligisten jedoch nicht anzusehen. Was auf der einen Seite verständlich war wegen des Ausgangs. Der war so knapp, ja sogar unglücklich, dass eigentlich nur Ärger und Frust die einzig nachvollziehbare Folge hätte sein müssen.

Auf der andere Seite: der Klassenerhalt. „Darüber freue ich mich“, sprach immerhin ein unterkühlt wirkender Trainer, dem der Spielausgang vor 6000 Zuschauern in der Ratiopharm-Arena mächtig gestunken hatte. „Ich hätte heute gerne aus eigener Kraft den Klassenerhalt sichergestellt. Jetzt haben wir im letzten Spiel gegen Göttingen die Chance, die Saison versöhnlich ausklingen zu lassen. Dafür werden wir noch einmal alles geben“, meinte ein nervlich arg in Mitleidenschaft gezogener Rödl.

Die letzten Minuten dieser Partie beim bisherigen Überraschungsteam der Saison hatten es aber auch in sich. 64:53 hieß es nach 30 Minuten für die Gastgeber. Mitte der letzten zehn Minuten rappelten sich die Trierer ein letztes Mal auf und brachten Ulm erneut mächtig ins Schwitzen. Ausgerechnet TBB-Spielmacher Dru Joyce, der ehemalige Ulmer, erzielte Punkt um Punkt und brachte seine Mannschaft auf 70:71 heran. 20 Sekunden vor Schluss erzielte Isaiah Swann mit zwei Freiwürfen die 78:77-Führung.

20 Sekunden bis zur Schlusssirene – oder zur Verlängerung. Die können verdammt lang sein, die können aber auch verdammt kurz sein, je nach Sichtweise. Für die Trierer hat es einfach nicht ausgereicht. Ein von Nate Linhart abgefeuerter Wurf tanzte eine gefühlte Ewigkeit auf dem Ring. Viele Trierer Arme strecken sich, um den Ball in die Reuse zu drücken oder wenigstens den Offensivrebound zu holen. John Redder Bynum erwischt schließlich den Ball, passt zu Joyce, dessen Distanzwurf jedoch das Ziel verfehlt – die Sirene.

Dass die Gäste die Ratiopharm-Korbjäger am Schluss noch so in die Bredouille bringen würden, war lange Zeit nicht abzusehen. Aufgeheizt durch die MVP-Rufe der 6000 Zuschauer in der ausverkauften Arena für den Ulmer Center John Bryant, machten die Gastgeber viel Dampf. Die ersten zwei Punkte erzielte der „wertvollste Spieler der BBL“, eben John Bryant, als er sein Gegenüber, Maik Zirbes, mal kurz stehen ließ und den Ball durch die Reuse drückte. Schnell führten die Ulmer 6:1 – und legten dann eine erste kurze Verschnaufpause ein. Die nutzten die Trierer zu einem beachtlichen 8:0-Lauf und führten plötzlich mit 9:6. Am Ende der ersten zehn Minuten holten die Ulmer dann zum Gegenschlag aus und ärgerten den Gegner mit einem 12:0-Lauf. In die erste Viertelpause gingen die Ulmer mit einer 21:13-Führung. Beide Teams hatten sauber demonstriert, was alles geht.

Dann erspielte sich die Mannschaft von Trainer Thorsten Leibenath doch eine gewisse Dominanz und Souveränität. Schnell zeigte sich, wo an diesem Abend die Stärken und Schwächen beider Mannschaften lagen. Ulm leistete sich zu viele Ballverluste, machte das aber mit einer klaren Überlegenheit bei den Defensiv-Rebounds wieder wett. Trier hatte zunächst unterirdische Trefferquoten aus dem Zweipunkte-Land und von der Freiwurflinie. Beide wurden besser. Bei den Offensiv-Rebounds griffen die Trierer deutlich beherzter zu und verschafften sich damit immer wieder eine zweite Wurfchance. Auch wenn es ausgerechnet in der letzten Sekunde doch nicht funktioniert hat.

Thomas Gotthardt

Ulm: Swann (17), Günther (14), Esterkamp (7), Watts (2), Bryant (22), Betz (4), Oladipo (0), Heberlein (0), Torbert (5), Nankivil (7).

Trier: Linhart (16), Joyce (17), Zwiener (12), Washington (2), Zirbes (7), Dojcin (0), Faßler (7), Seiferth (6), Picard (0), Bynum (10).

Viertelstände: 21:13, 21:18, 22:22, 14:24

Zuschauer: 6000 (ausverkauft)

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.