„Da ist noch Luft nach oben“

Ball1Jeder fünfte Trierer ist Mitglied in einem Sportverein – mindestens. Mehr als 21.000 Menschen haben sich in jenen 67 Vereinen organisiert, die im vergangenen Jahr an einer groß angelegten Befragung durch das städtische Amt für Schulen und Sport, die Europäische Sportakademie sowie „Lernen vor Ort“ teilnahmen. Am Dienstagabend wurden in Tarforst die Ergebnisse vorgestellt, sie bilden eine der Grundlagen für das geplante Sportentwicklungskonzept der Stadt. Zu den drängenden Problemen gehört für fast alle Vereine die Gewinnung von Ehrenamtlichen, die bereit sind, auch Verantwortung zu übernehmen, etwa in Vorstandsgremien. Fragten sich früher die meisten Mitglieder, was sie denn Gutes für ihren Verein tun könnten, ist es heute oft umgekehrt. Im sportlichen Wettbewerb um Nachwuchs bauen viele Akteure auf einen weiteren Ausbau ihres Angebots, doch die besten Voraussetzungen haben erfahrungsgemäß die Vereine, die auf eine gute Infrastruktur bauen können.

TRIER. Die Dämmerung ist schon hereingebrochen, als man sich im Multifunktionsgebäude des FSV Tarforst trifft. Sportdezernentin Angelika Birk (B90/Die Grünen) ist gekommen, ebenso Klaus Klaeren von der Europäischen Sportakademie sowie Jörg Hunold vom Stadtsportverband. Und natürlich Werner Gorges, Vorsitzender des FSV Tarforst und gewissermaßen Gastgeber. Mehr als 1.500 Mitglieder hat Gorges‘ Verein, von American Football über Badminton bis zu Tennis und Turnen reicht das Sportangebot. Und natürlich Fußball. Durch die großzügige Fensterfront fällt der Blick auf den 2008 fertiggestellten Kunstrasenplatz, im Flutlicht scheucht ein Trainer noch etliche Nachwuchskicker übers Feld. Der Kunstrasen sei ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Mitgliederzahlen positiv entwickelt hätten, berichtet Gorges. „Jeder Euro, den wir hier investieren, ist ein besserer Sozialbeitrag“, ist der FSV-Chef überzeugt. Schließlich erreiche man vor allem junge Menschen, Kinder und Jugendliche, die schon früh gefördert würden. Tatsächlich sind drei Viertel der Mitglieder des Tarforster Vereins unter 27 Jahre alt, fast 14 Prozent gar jünger als sieben Jahre.

Diese und etliche weitere Daten sind einem Bericht zu entnehmen, den Klaus Klaeren gestern Abend Vertretern zahlreicher Sportvereine vorstellte. Das 110 Seiten dicke Heft geht auf eine Befragung zurück, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurde. 112 Vereine sollten einen 16-seitigen und 29 Fragen zählenden Bogen ausfüllen, immerhin 67 Fragebögen kamen zurück – eine Rücklaufquote von knapp 60 Prozent. Nach Darstellung der Autoren der Befragung decken diese Vereine rund 81,4 Prozent der organisierten Sportler in Trier ab. Eines der Ergebnisse brachte Birk auf den Punkt: „Trier ist eine Sportstadt“, im Vergleich zu anderen Städten vergleichbarer Größenordnung sei das Angebot enorm vielfältig. Vom Kleinstverein (bis 100 Mitglieder) bis zum Großverein (über 1000 Mitglieder) reicht die Palette der Akteure, vom TV Germania Trier 1861 e.V. bis zum Turn-Team-Trier Geräteturnen 2004 e.V. Fast die Häfte der Vereine, die antworteten, bieten lediglich eine Sportart an, immerhin ein Fünftel ist mit mehr als fünf Angeboten aufgestellt – ob Karate oder BMX, Drachenboot oder Wasserball.

Der nun vorgestellte Bericht stelle einen „wichtigen Baustein“ für das geplante Sportentwicklungskonzept dar. Für dieses läuft aktuell noch eine Begehung sämtlicher Sportstätten, außerdem ist eine Bevölkerungsbefragung geplant. Denn nicht jeder, der Sport treibt, tut dies auch in einem Verein, gab Birk zu bedenken. Immer mehr Menschen besuchen Sportstudios, viele organisieren sich selbst, joggen im Alleingang durch den nächsten Wald oder schwingen sich aufs Rad. Am Ende des Prozesses soll ein Abschlussbericht stehen, doch werde dieser „kein Ruhekissen“ bilden, sondern konkretes Handeln nach sich ziehen, versprach Birk. Im Kern geht es darum, den Sport in Trier noch besser zu organisieren. So sieht es auch Jörg Hunold vom Stadtsportverband: „Wie schaffen wir es, dass das Angebot und die Infrastruktur, die wir haben, optimal ausgenutzt werden können?“, brachte er die Kernfrage auf den Punkt.

Auch wenn das mancherorts absolut wünschenswert wäre, wie die Diskussion über die völlig marode Toni-Chorus-Halle zeigte, oder der Zustand der Wolfsberghalle. Was die städtischen Sportanlagen und solche auf städtischem Grund anbelangt, fiel die Bewertung durch die Vereine sehr unterschiedlich aus. Wenig verwunderlich, dass es die besten Noten für die Infrastrukturen gab, die erst in den vergangenen Jahren modernisiert oder neu angelegt wurden. So kam der Kunstrasen der Bezirkssportanlage Feyen auf eine Gesamtnote von 1,2, und das Beachvolleyballfeld auf dem Petrisberg auf eine 1,6. Die Chorus-Halle des Post-Sport-Vereins hingegen schloss mit einer Gesamtbewertung von 4,2 ab, die Turnhalle am Grüneberg mit 4,5. Nicht ausgeschlossen, dass die Beurteilung vieler Sportstätten durch die Experten der Verwaltung noch verheerender ausfallen könnte, denn manche Mängel zeigen sich nicht auf Anhieb.

„Es gibt noch Luft nach oben“, bemerkte denn auch Bürgermeisterin Birk. Das gilt offenbar auch für die Angebotsseite: Zwar strichen in den vergangenen 5 Jahren 12 der 67 Vereine Angebote wie Dameneishockey, Motorflug und Voltigieren, doch meldeten im Gegenzug 30 Vereine, dass sie im selben Zeitraum neue Sparten in ihr Programm aufnahmen – von Floorball bis Zumba. Ein Blick auf die Schwerpunkte der nächsten Jahre lässt vermuten, dass noch einige Angebote hinzu kommen werden: Fast 97 Prozent der Vereine, die an der Befragung teilnahmen, gaben an, dass der Ausbau der Sportangebote für Kinder und Jugendliche für sie oberste Priorität habe – gleich darauf gefolgt von Angeboten für Menschen mit Behinderungen.

Ob diese Erweiterungen tatsächlich gestemmt werden können, hängt neben der passenden Infrastruktur aber vor allem davon ab, ob es den Vereinen gelingt, neue Ehrenamtliche zu gewinnen. Denn darin waren und sind sich zwei Drittel der 67 Vereine einig: Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen, ist die „Problemdimension Nummer eins“. Es sei außerordentlich schwierig, Leute dafür zu begeistern, in die Verantwortung zu gehen und beispielsweise im Vorstand mitzuwirken, bestätigte auch Werner Gorges. Der Sozialpädagoge Herbert Fischer-Drumm, der am Dienstagabend die Moderation leitete, brachte die Stimmung unter vielen Akteuren auf den Punkt: Früher hätten sich viele Mitglieder vor allem gefragt, was sie Gutes für ihren Verein tun könnten. Heute seien viele Vereine sehr darauf bedacht, etwas Gutes für ihre Mitglieder zu tun.

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