Kleiner Rock, großer Reibach

Vier Wochen nach dem Ende der Heilig-Rock-Wallfahrt dürfte bei den meisten Pilgern die Erinnerung noch lebendig sein. Doch Souvenirs, die im Bezug auf Wallfahrten auch gerne als „Devotionalien“ bezeichnet werden, werden das kirchliche Großereignis noch länger in den Köpfen der Teilnehmer präsent halten. Für manchen lokalen Unternehmer war die Wallfahrt vor allem eines – ein gutes Geschäft. So erfuhr eine kleine Anstecknadel rechtzeitig zur Wallfahrt eine wundersame Preissteigerung um mehr als 300 Prozent. Manche Wallgefahrene witterten da „Abzocke“.

TRIER. Anita Hoffmann aus Trier staunte nicht schlecht, als sie den Wallfahrtsladen betrat: Vier Euro für eine kleine Anstecknadel in Heilig-Rock-Form – für das offenkundig gleiche Produkt, welches sie vor der Wallfahrt noch für nur 1,10 Euro in der Dom-Information gekauft hatte und das nun dort aus dem Sortiment verschwunden war. Ein Preisaufschlag von rund 360 Prozent. Anita Hoffmann, die ihren richtigen Namen für sich behalten möchte, wunderte sich.

Die Dom-Information führte den Pin bereits seit ihrer Eröffnung im Jahr 2003 im Sortiment, und das immer zum selben Preis. Einkalkuliert war ein handelsüblicher Aufschlag von 100 Prozent, berichtet die Leiterin Andrea Riesbeck. Bei diesem Miniaturabbild des Gewands handelte es sich um einen Restbestand der vorherigen Wallfahrt aus dem Jahr 1996, den die Dom-Information damals von einem lokalen Händler, der Trierer Werbeagentur Logo-Company gekauft hatte. Ausgerechnet zum Heilig Rock Ereignisjahr 2012 war dieser Lagerbestand laut Werbeagentur nun aufgebraucht und es mussten neue Pins produziert werden.

Laut der Konstanzer Firma Promex GmbH, deren Anschrift auf der Neuauflage des Pins rückseitig zu finden ist, sind die Herstellungskosten für einen solchen Werbeschmuck in den letzten Jahren gestiegen. Doch auf die Frage, ob das einen derartigen Preisanstieg rechtfertige, schweigt die Firma sich aus. Wahrscheinlicher scheint, dass andere Motive dahinter steckten, denn selbst das offizielle diesjährige Wallfahrtsabzeichen kostete nur drei Euro. Die Werbeagentur begründet den 360-prozentigen Aufschlag denn auch mit den Gesetzen des Marktes: Angebot und Nachfrage bestimmten nun einmal den Preis. Und zur Wallfahrt steigt die Nachfrage nach derartigen Devotionalien naturgemäß stark an, wie auch Peter Grün von Logo-Company weiß. Gleichzeitig betont er, dass die Dom-Information nach der Wallfahrt weiterhin den Pin zu den alten Preisen erhalten könne – „fast geschenkt“, wie er sagt.

Soweit diese angepriesene Großzügigkeit und die Preissteigerung zumindest nachvollziehbar klingen mögen, deuten andere Punkte eher darauf hin, dass hier jemand das große Geschäft mit Pilgern witterte. Fragwürdig scheint jedenfalls, warum der alte Lagerbestand von 1996, der 16 Jahre lang ausreichte, ausgerechnet zur Wallfahrt zur Neige ging? Oder wie man Gewinn erzielt, wenn man fast neun Jahre lang und auch in Zukunft die vertriebenen Artikel an die Dominformation (fast) verschenken will, obwohl dieser laut einer Dom-Info-Mitarbeiterin immer „gut geht“, die Nachfrage also stimmt. Der Laden am Dom verkaufte die alten Pins ab und entschied sich, die neuen und wesentlich teureren vorerst nicht wieder ins Sortiment zu nehmen – da diese mit Konkurrenzprodukten wie dem offiziellen Wallfahrtszeichen für nur drei Euro nicht hätten mithalten können, wie Riesbeck sagt. Außerdem gebe es da noch ein metallenes Abzeichen mit Wallfahrtslogo für nur 1,70 Euro. Vor diesem Hintergrund habe man nicht mehr mit einer großen Nachfrage nach dem Vier-Euro-Pin gerechnet.

So gab es den Miniatur-Rock während der Wallfahrt ausschließlich im Zelt auf dem Bernhard-Stein-Platz. Den wenigsten Pilgern dürfte das aufgefallen sein. Nach dem Blick auf das Gewand, raus aus dem Dom, stolperten sie förmlich direkt in den Wallfahrtsladen, um noch schnell ein Souvenir zu erstehen. Noch im Rausch der gesehenen Reliquie wurden so sicherlich schneller als sonst ein paar Euro locker gemacht.

Die Trierer Wallfahrt ist kein Einzelfall. Auch in Lourdes zeigt sich das Phänomen, und dort herrscht fast das ganze Jahr über ein Pilgeransturm. Online und vor Ort sind Souvenirs erwerbbar: Zwei Euro für ein einfaches Feuerzeug, welches man in Luxemburg beim Zigarettenkauf geschenkt bekommt – wenn auch nicht mit dem simplen Aufdruck „Lourdes“. Solche Artikel werden in riesigen Mengen bei Werbeartikelherstellern zu Cent-Beträgen eingekauft. Die Bereitwilligkeit der Pilger, schnell überteuerte Produkte zu kaufen, ist soziologisch erklärbar durch eine Bedeutungsaufladung. Wenn der Pilger seine Anstecknadel aus Trier trägt oder sein Feuerzeug aus Lourdes benutzt, wird er immer an das Erlebnis des Wallfahrten erinnert, welchem er eine hohe Bedeutung und einen emotionalen Erlebniswert zumisst.

Marina Anna Henn

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