Bier in der Umkleide

Hier hilft und berät die Designerin selbst: Claudia Fischer von "Codierbar?!". Foto: Anne SchaafWährend Wolfgang Joop den Zorn der Massen auf sich zog, indem er behauptete, das Tragen von Jogginghosen gehe mit mangelndem Verstand einher, feierte man in Trier mit voller Inbrunst und bei klarem Verstand den Weltjoggingbuxentag. Nicht nur die Tatsache, dass die flauschige Beinbekleidung hier sogar mancherorts als Dresscode gilt, lässt vermuten, dass die Stadt offen für neue Modekonzepte ist. Wenn die Experimentierfreudigkeit sich dann auch noch bezahlt macht und nicht nur Geld, sondern auch flüssiges Gold fließt, wird es erst richtig interessant.

TRIER. Es wird Abend im beschaulichen Trier. Einige Vöglein singen und begleiten somit auch diverse Modegeschäftsmitarbeiter, welche ihre roten Teppiche einrollen, die Kleider wieder einordnen und das Licht in ihren Läden löschen, in den Feierabend. An einem dafür ungewöhnlichen Ort wird jedoch noch Handel mit Kleidung getrieben, wo gerade erst die Lampen angeknipst wurden. In der Kneipe „de Winkel“ sucht die Designerin Claudia Fischer „ProBIERanten“, die sie mit Bier anlockt, um deren modischen Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen.

Frei nach dem Motto: „Mode probieren, wo man(n) sie trägt!“ wollte die Inhaberin des Modelabels „Codierbar?!“ eine Alternative zum schnöden sowie teils sehr unpersönlichen Einkaufserlebnis schaffen. Statt sich in den Tiefen der Umkleiden irgendwelcher Ketten zu verlieren und mit Erschaffer oder eben der Erschafferin der eigenen Bekleidung nur durch das Etikett in Berührung zu kommen, bieten sich dem Kunden hier ganz neue Möglichkeiten. Das einzige, was zwischen ihm und der jungen Designerin aus Backnang steht ist die eigens aus Bierkästen dafür angefertigte Festung, in der er sich in die neuen Gewänder begeben kann. Wer mehr als zwei Stücke anprobiert, bekommt ein Bier von der Dame spendiert. Wer sich an eine Hose herantraut oder direkt etwas kauft, erhält sogar ein ganzes Herrengedeck.

Einen guten Rat oder auch einen ersten Eindruck holt man sich hier nicht bei einem dafür mitgeschleppten Freund oder einer Freundin – das Publikum ist längst da, lauscht schöner Musik und hält ein kaltes Bier in Händen. Das nötige Feedback erhält man in der Bar selbst. „Du musst mit der Jacke auch noch ein- und ausatmen können“, äfft ein modebewusster Vater seine am Tresen sitzende Tochter nach, der er sich soeben in einer schicken Jacke präsentiert hat. Er glaubt, seine Atemwege besser einschätzen zu können und reserviert das Kleidungsstück bei Claudia Fischer.

Ein anderer älterer Herr ist eher misstrauisch, taucht aber verdächtig oft vor den Toiletten der Bar, wo der kleine Laden aufgebaut ist, auf, ohne jedoch das stille Örtchen zu betreten oder etwas anzuprobieren. Fischer erklärt, dass dieses Verhalten eher die Regel ist. Die Barbesucher brauchten immer eine Weile, bis sie sich dann an sie und das Konzept heranwagten. „Die Rheinland-Pfälzer sind da noch sehr freundlich und interessiert. In anderen Bundesländern bin ich teilweise sogar auf ein recht feindseliges Verhalten gestoßen.“ (Ob das mit der Qualität des spendierten Bieres zusammenhängt, vermag die Autorin nicht zu beurteilen).

Ein Student will seine Neugier befriedigen, testet erste Kleidungsstücke an sich aus, vergisst darüber das Bier und ist fast nicht mehr aus der Kneipenboutique zu bekommen. „Ich bin eigentlich eher der klassische Typ und habe derartige Schnitte noch nie getragen. Mir gefällt, dass ich mich hier einem kleinen Abenteuer hingeben kann und die Designerin mir sogar direkt eine Geschichte zu den einzelnen Stücken erzählen kann“, meint der junge Mann, der nach diesem Abend um ein Hemd reicher ist. Reicher ist auch die Organisatorin, die sich mit der Mode nicht nur ihren Lebensunterhalt verdient, sondern bei Gesprächen mit den Kunden auch Anregungen für neue Entwürfe erlangt.

Die Nähe zum eigenen Produkt ist bei Fischer Programm. Outsourcing kommt für sie nicht in Frage. Alle Stoffe entstammen deutschen Produktionen und werden in Deutschland von der Designerin selbst zu Unikaten verarbeitet. Auch um das Design, die Entwicklung und den Vertrieb kümmert sie sich selbst. Bei ihrer „ProBIERanten“-Tour spreche man sie oft darauf an, ob sie ihr Konzept nicht im größeren Stil aufziehen wolle, aber ihr gefalle eben diese kleinere und somit auch persönlichere Ebene.

Nachdem sie nun mehr als 20 Lokalitäten in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit Mode und Bier versorgt hat, geht die Tour nun weiter durch Rheinland-Pfalz und das Saarland. Wo man sich den stofflichen und flüssigen Gelüsten hingeben kann, erfährt man hier.

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