Berliner Bremsmanöver mit Folgen für Trier

Der Termin steht, das Programm auch – Anfang September will die Trierer Hafengesellschaft ihren neuen Westkai in Betrieb nehmen. Das soll gebührend gefeiert werden, doch nun wurde den Verantwortlichen die Vorfreude auf den Festakt verhagelt: Die Ankündigung des Bundes, den Ausbau der Moselschleusen auszusetzen, sorgt für helle Empörung. Von einem „fatalen Signal“ für den Standort Trier und die gesamte Region ist die Rede, der Landrat spricht gar von einem „herben Rückschlag“. In der Stadtpolitik hält man sich derweil noch auffallend zurück. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) warnt: falle auch nur eine Schleuse aus, müssten täglich rund 42.000 Tonnen Güter auf andere Verkehrsträger verlagert werden. 

TRIER/BERLIN. Peter Keller will nicht groß Worte verlieren. Was soll der für die Disposition der Schifffahrt zuständige Mitarbeiter der Luxport S.A. in Mertert auch sagen? „Sie können hier fragen, wen Sie wollen, Sie werden niemanden finden, der dafür noch Verständnis hat“. Mit „dafür“ meint Keller die Ankündigung des Bundesverkehrsministeriums, den seit Jahrzehnten geplanten und seit sechs Jahren laufenden Ausbau der Moselschleusen auszusetzen. Betroffen von der Entscheidung ist auch der luxemburgische Hafen in Mertert, in dem im vergangenen Jahr knapp eine Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen wurden. „Bei uns geht fast alles über die Mosel in Richtung Rhein“, erläutert Keller, deshalb sei der von Berlin erklärte Baustopp für sein Unternehmen von immenser Bedeutung.

Rund 25 Kilometer flussabwärts, in Ehrang, ist die Luxport S.A. seit zehn Jahren Hauptgesellschafterin des Trierer Containerterminals (TCT). Auch hier ist man alles andere als begeistert von der Vollbremsung, die man im Hause Peter Ramsauer (CSU) hingelegt hat. Im Gespräch mit 16vor macht Volker Klassen denn auch keinen Hehl aus seiner Verärgerung. Im Zuge der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung habe der Bund die Mosel in die höchste Kategorie eingruppiert, der Fluss spiele damit formal in einer Liga mit dem Rhein oder dem Main, so Klassen. Auch deshalb passe Ramsauers Entscheidung nicht in die Landschaft – „ich sage mal, da versucht man uns wohl an der Nase herumzuführen“, kommentiert der Geschäftsführer der Trierer Hafengesellschaft mbH. Fast fünf Millionen Euro hat sein Unternehmen in den vergangenen Jahren in den Bau des Westkais investiert, nun soll dieser offiziell in Betrieb gehen. Mit jährlich mehr als 1,1 Millionen Tonnen Schiffsfracht und rund 550.000 Tonnen Güter, die auf der Schiene transportiert und in Ehrang umgeschlagen werden, sei der Hafen ein wichtiges Logistik-Drehkreuz – und die Mosel ist ein bedeutender Transportweg für die regionale Wirtschaft. Da sei der Ausbaustopp ein „völlig falsches Signal“, kritisiert Klassen.

Wenig amüsiert ist auch der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Wegen der Überlastung der Schleusen mit nur einer Kammer, müssten die Binnenschiffer zwischen Koblenz und dem wichtigsten Hafen der Region in Dillingen an der Saar schon jetzt eine Verzögerung von rund 16 Stunden hinnehmen, beziffert BDB-Geschäftsführer Jörg Rusche. Das bedeute für die meisten Fahrzeuge den Verlust von einem vollen Tag Fahrzeit. „Je nach Fahrzeuggröße und Besatzung kann es dadurch zu einem betriebswirtschaftlichen Verlust von bis zu 1.500 oder 2.000 Euro kommen“, beziffert der Verbandschef. Der erfolgte Ausbau der zwei Schleusen in Fankel und Zeltingen in der Nähe helfe zwar, die Wartezeit „nicht noch länger werden zu lassen. Dennoch müssen alle Schleusen ausgebaut werden“, verlangt Rusche. Denn falle eine Schleuse für längere Zeit aus, müssten laut BDB jeden Tag rund 42.000 Tonnen Güter auf andere Verkehrsträger verlagert werden. „Der Bahn fehlen dazu im Rhein- und Moseltal die Kapazitäten. Also müssten im schlimmsten denkbaren Fall Tag für Tag, selbst an Sonn- und Feiertagen, 2.100 Lkw mit 20 Tonnen Nutzlast zusätzlich über die Autobahnen 1 und 48 fahren. Ein solcher Aufwand würde die Industriestandorte an der oberen Mosel und der Saar deutlich schwächen“. Dafür, dass dieses Worst-Case-Szenario tatsächlich eintritt, spricht bislang zwar wenig, doch nach rund einem halben Jahrhundert fast ununterbrochenem Betrieb, steigt die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen an den Schleusen.

Zwischen Mertert und Ehrang liegt die Staustufe Trier, hier werden seit Monaten Tausende Tonnen Erdreich abgetragen. Die Arbeiten an den neuen Vorhäfen für die zweite Schleusenkammer sind in vollem Gange, voraussichtlich Mitte kommenden Jahres werden sie abgeschlossen sein. Knapp zehn Millionen Euro kostet allein dieser Bauabschnitt, doch ob und wann die etwa 30 Millionen Euro teure zweite Kammer kommen wird, scheint nun wieder völlig offen; wie auch der Bau des ebenfalls geplanten zentralen Leitstands, der für die Anlagen in Detzem, Wintrich und Zeltingen zuständig sein sollte, nunmehr fraglich ist. Nicht ausgeschlossen, dass die Trierer Schleuse Mitte nächsten Jahres zwei neue Vorhäfen hat, aber die zweite Kammer noch lange auf sich warten lassen wird.

Industrie- und Handelskammer: Nicht hinnehmbar!

Offenbar informierte das Bundesverkehrsministerium vorab nicht einmal die regionalen Abgeordneten der Regierungsfraktionen. Bernhard Kaster (CDU) jedenfalls erfuhr erst aus der Presse vom Baustopp und forderte vor einer Woche umgehend eine Erklärung des zuständigen Staatssekretärs an. Doch bis zum Wochenende ward nichts mehr gehört aus dem Büro Kaster. Ramsauer bringt den Unionsabgeordneten nicht zum ersten Mal in die Bredouille – schon kurz nach Antritt der schwarz-gelben Koalition stoppte der christsoziale Minister den eigentlich längst zugesagten Ausbau der Bahnstrecke zwischen Igel und der deutsch-luxemburgischen Grenze, die auch für Gütertransporte von Bedeutung ist; nur weil das Großherzogtum fast die Hälfte der knapp 20 Millionen Euro Baukosten für das Projekt auf deutscher Seite übernimmt, blieb das Vorhaben nicht gänzlich auf der Strecke. Auch beim Thema Schleusenausbau betonte Kaster dieser Tage noch einmal die Notwendigkeit der Maßnahme, doch ob er in Berlin ausreichend Gehör finden wird, muss sich noch erweisen.

Kasters Parteifreund Günther Schartz findet hingegen schon jetzt deutliche Worte: „Als nicht akzeptabel“ bezeichnet der Landrat den angekündigten Baustopp. In einem Schreiben an Ramsauer und die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) spricht Schartz von „einem herben Dämpfer für die sehr positive Entwicklung des Binnenschiffverkehrs auf der Mosel, die sich nicht nur in Rekordumsätzen des Trierer Hafens niedergeschlagen“ habe. Auch für die „ohnehin schwierige Verkehrssituation der Region Trier“ insgesamt, die man dem Bundesverkehrsminister im Februar 2012 anlässlich eines Besuchs ausführlich dargelegt habe, bedeute der Stillstand beim Ausbau eine „fatale Signalwirkung“. Schartz fordert deshalb, den Baustopp zu überdenken, habe dieser auch im Hinblick auf die Verbesserung der Anbindung nach Luxemburg und Frankreich „verheerende Folgen“. Luxemburg plane den Ausbau des Hafens in Mertert und Frankreich arbeite an einer Verbindung zwischen Mosel und Rhone, gibt Schartz zu bedenken. Ein Stopp des weiteren Moselausbaus bedeute mittelfristig die Abkopplung der Region von diesen Entwicklungen.

Im Trierer Rathaus war auf Anfrage noch keine Stellungnahme zu erhalten, bislang hat sich Wirtschaftsdezernent Thomas Egger (FDP) zu der Hiobsbotschaft aus Berlin noch nicht geäußert. Der Stadtvorstand werde sich am heutigen Montag mit dem Thema befassen, anschließlich wolle man sich äußern. Und auch aus den Ratsfraktionen, die bei Themen wie Rollrasen im Palastgarten oder Vertragsverlängerungen für Tankstellen schon mal Eilanträge stellen, war der Baustopp bislang keine Pressemitteilung wert. Anders die Industrie- und Handelskammer: Nach bisherigen Planungen würden bis zur Fertigstellung der letzten Schleusenkammer noch rund 20 Jahre vergehen, heißt es in einer Stellungnahme. „In Anbetracht der schon jetzt bestehenden akuten Engpässe ist das ein unzumutbar langer Zeitraum“, so Dr. Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. „Eine weitere Verzögerung oder gar Absage der Ausbaupläne durch das Bundesverkehrsministerium sind daher schlicht nicht hinnehmbar“, sagt Glockauer weiter.

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